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Storm, Theodor

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* 14. 9. 1817 in Husum
† 4. 7. 1888 in (Hanerau-)Hademarschen


Der Sohn eines Advokaten studierte in Kiel Jura und eröffnete 1847 in Husum eine Praxis als Rechtsanwalt. Nach der Eingliederung Holsteins in Dänemark (1852) musste Storm wegen seines Eintretens für die schleswig-holstein. Erhebung von 1848 seine Heimat verlassen. Er wurde 1853 Assessor beim Kreisgericht Potsdam (Verbindung zu den literarischen Kreisen Berlins), 1856 in Heiligenstadt/Eichsfeld Kreisrichter. Nach dem Dt.-Dän. Krieg 1864 kehrte er nach Husum zurück, wo er 1867–80 als Amtsrichter tätig war.
Als Lyriker stand Storm zunächst unter dem Einfluss von Claudius und Eichendorff. Das zentrale Thema ist die heimatliche Landschaft, vielfach als Spiegel der Vergänglichkeit. So mündet das Gedicht Über die Heide in die Strophen: „Brauende Nebel geistern umher; / Schwarz ist das Kraut und der Himmel so leer. // Wär ich hier nur nicht gegangen im Mai! / Leben und Liebe, – wie flog es vorbei!“ Diese Grundstimmung verbindet die Gedichte mit den „Erinnerungsnovellen“, die Storm einer breiten Leserschaft bekannt machten, z. B. Immensee (1850, Verf Dtl. 1943 Veit Harlan) mit der Erinnerung an eine unerfüllte Jugendliebe. Sein weiteres Schaffen als Erzähler (er verfasste knapp 60 Novellen) reicht von der realistischen Gegenwartsschilderung (Draußen im Heidedorf, Waldwinkel, Carsten Curator) bis hin zur archaisierenden „Chroniknovelle“ (Aquis submersus, Renate, Zur Chronik von Grieshuus). In beiden Gattungen ergeben sich tragische Konflikte aus der Liebesbeziehung zwischen gegensätzlichen Naturen bzw. aus der Beziehung zwischen den Generationen. Ein bedeutender Beitrag zur Theorie des „poetischen Realismus“ ist der ab 1877 mit Keller geführte Briefwechsel.

Gedichtbände: Liederbuch dreier Freunde (mit Tycho und Theodor Mommsen, 1843), Gedichte (1852, Ausgabe letzter Hand 1885). – Erzählungen: Im Saale (1848), Ein grünes Blatt (E 1850, Zs 1854, V 1855), Späte Rosen (E 1859, Zs 1860, V 1861), Draußen im Heidedorf (Zs 1872, V 1873), Viola tricolor (1874), Aquis submersus (Zs 1876, V 1877), Waldwinkel (Zs 1874, V 1875), Carsten Curator (1878), Renate (1878), Eekenhof (Zs 1879, V 1880), Der Herr Etatsrat (1881), Hans und Heinz Kirch (Zs 1882, V 1883), Zur Chronik von Grieshuus (1884, Verf Dtl. 1924 Arthur von Gerlach), John Riew (1885), Ein Fest auf Haderslevhuus (1885), Ein Bekenntnis (1887). – Märchen: Der kleine Häwelmann (1851).

Pole Poppenspäler. Novelle, Zs 1874, V 1875, Verf Dtl. 1935 Curt Oertel.
Der junge Paul Paulsen, aus einer biede­ren Handwerkerfamilie stammend, lernt in seiner Heimatstadt den hier mit seiner Tochter Lisei gastierenden Puppenspieler Tendler kennen und ist von dessen Kunst fasziniert. 12 Jahre später begegnet er ihnen wieder und kann dazu beitragen, dass die Unschuld des inhaftierten Tendler bewiesen wird. Den Vorurteilen gegen die „Herumtreiber“ zum Trotz heiratet Paulsen Lisei und nimmt es gelassen hin, als „Pole Poppenspäler“ verhöhnt zu werden. Aggressive Feindseligkeit kommt in der Störung von Tendlers Abschiedsvorstellung zur Wirkung. Als „Kunstdrechsler und Mechanikus“ wird Paulsen zum Lehrmeister eines jungen Mannes, der als Ich-Erzähler den Erzählrahmen gestaltet und dem Paulsen seine Kindheits- und Jugendgeschichte berichtet. Die rückblickende Erzählung ist frei von Verklärung; ihr Zentrum bildet der Gegensatz zwischen Künstlertum und Bürgertum, den Paulsen überwunden hat.

Der Schimmelreiter. Novelle, E ab 1885, V 1888, Verf Dtl. 1934 Curt Oertel und Hans Deppe, B. D. 1978 Alfred Weidenmann, DDR 1984 Klaus Gendries.
In dreifacher Rahmung bietet sich die Geschichte des Deichgrafen Haien dar: Als Erster meldet sich ein Erzähler zu Wort, der als Kind in einer Zeitschrift die Erzählung eines Reisenden gelesen hat, die er nun aus dem Gedächtnis wiedergibt. Jener Reisende hat seine Erzählung während einer stürmischen Nacht in einem Gasthaus von einem Schulmeister vernommen (der betont: „Freilich, die Wirtschafterin unseres Deichgrafen würde sie Ihnen anders erzählt haben“).
Der Schauplatz ist die Nordseeküste Frieslands. Hier wächst Hauke Haien auf. Früh interessiert er sich für Mathematik und Technik und deren Anwendung auf den Deichbau; an Modellen erprobt er Verbesserungen. Als Knecht tritt Hauke in den Dienst des Deichgrafen Volkerts; als dessen Schwiegersohn wird er neuer Deichgraf. Sein Ziel ist der Bau eines neuen Deichs, der zugleich neues Land dem Meer abgewinnen soll. Hauke überwindet alle Schwierigkeiten und bringt sein Werk zustande. Zugleich wird er, ein freisinniger, gegen Aberglauben einschreitender Tatmensch, mit Teufelsspuk in Verbindung gebracht; sein Schimmel gilt vielen als Zaubertier, dessen Gerippe vor kurzem noch auf einer Hallig lag. Die Geburt einer schwachsinnigen Tochter verbindet Hauke umso enger mit seiner Frau Elke, während ringsum Feindschaft wächst. Hauke Haiens mächtigster Gegenspieler ist Ole Petersen, der Großknecht des alten Deichgrafen; er widersetzt sich der Ausbesserung des alten und dem Bau des neuen Deichs und wird so mitschuldig an der Katastrophe. Schließlich siegt die Naturgewalt: Vor Haukes Augen kommen Frau und Kind bei einem Bruch des alten Deichs in den Fluten um, er selbst stürzt sich mit seinem Pferd in die vor ihm aufgerissene Tiefe.
Im Volksglauben lebt Hauke als gespenstischer Schimmelreiter fort, der bei drohender Gefahr über den Deich galoppiert. Zugleich ist der unbeschädigte Hauke-Haien-Deich der Beweis seiner überlegenen Kenntnisse und Willenskraft. Aberglaube und verändernde Tat erscheinen als zwei gegensätzliche Antworten auf die Herausforderung des Menschen durch die Natur.

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Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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