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Tucholsky, Kurt

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* 9. 1. 1890 in Berlin
† 21. 12. 1935 in Hindås bei Göteborg


Der Sohn eines jüd. Fabrikanten studierte in Berlin, Genf und Jena Rechtswissenschaft (Promotion 1914); ab 1907 veröffentlichte er Rezensionen, Gedichte und Glossen, 1912 erschien Rheinsberg, ein „Bilderbuch für Verliebte“ über die heiteren Urlaubstage eines angeblichen Ehepaars. Ab 1913 war Tucholsky Mitarbeiter der linksliberalen Zeitschrift „Schaubühne“ bzw. (ab 1918) „Weltbühne“, die er nach einem Aufenthalt als Korrespondent in Paris (1924/25) im Jahr 1926 leitete (Zusammenarbeit mit Kästner, Mehring, Carl von Ossietzky). Seine satirischen Beiträge (z. T. unter den Pseudonymen Theobald Tiger, Peter Panter, Ignaz Wrobel und Kaspar Hauser) richteten sich gegen die Saboteure der Demokratie („Wir dachten unter kaiserlichem Zwang an eine Republik … und nun ist’s die!“), gegen Nationalismus und Militarismus (Slg. Deutschland, Deutschland über alles, 1929); in Chansons, Gedichten und pointierter Kurzprosa schilderte er als Mann mit „Schnauze und Herz“ Berliner Charaktere und Alltagsszenen. Ein Pyrenäenbuch (1927) reflektiert die Eindrücke einer 1925 unternommenen Reise. 1929 ließ sich Tucholsky in Schweden nieder (Liebesroman Schloss Gripsholm, 1931, Verf B. D. 1963 Kurt Hoffmann, 2000 u. d. T. Gripsholm Xavier Koller). 1933 verlor er die dt. Staatsbürgerschaft; angesichts des in Dtl. siegreichen „Hordenwahnsinns“ nahm er sich, krank und vereinsamt, das Leben.

Satiren. Das in formaler Hinsicht vielfältige Gesamtwerk lässt keine strikte Trennung zwischen der Satire als literarische Gattung und dem Satirischen als Stilmittel zu. Allerdings hat sich Tucholsky mehrfach essayistisch mit dem Wesen der Satire beschäftigt. Seine Antworten auf die Frage Was darf der Satiriker? (1919) beginnen mit dem Bonmot: „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.“ Tucholsky fährt fort: „Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, (…).“
Gegenstand der politischen Satire sind Militarismus und Bürokratismus, Chauvinismus und die politische Lethargie des Sozialismus. Ein Beispiel ist das Gedicht Feldfrüchte (1926) mit der 2. Strophe: „Sinnend geh ich durch den Garten / unsrer deutschen Politik; / Suppenkohl in allen Arten / im Kompost der Republik. / Bonzen, Brillen, Gehberockte, / Parlamentsroutinendreh … / Ja, und hier –? Die ganz verbockte / liebe gute SPD. / Hermann Müller, Hilferließchen / blühn so harmlos, doof und leis / wie bescheidene Radieschen: / außen rot und innen weiß.“
Zu Tucholskys gesellschaftskritischen Kurzgeschichten, die an Karikaturen des von ihm verehrten George Grosz erinnern, gehören die Erzählungen vom Geschäfts- und Privatleben des Herrn Wendriner. Diese 17 Monologe, jeweils innerhalb von Gesprächen, die Wendriner dominiert, reichen von Herrn Wendriners Jahr fängt gut an (1926) bis Herr Wendriner steht unter der Diktatur (1930). Aus demselben Jahr stammt die hoffnungsvolle Prognose des Radikaldemokraten Tucholsky: „Und wenn alles vorüber ist –, wenn sich das alles totgelaufen hat: der Hordenwahnsinn (…): dann wird es eines Tages wieder sehr modern werden, liberal zu sein.“


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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