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Jelinek, Elfriede

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* 20. 10. 1946 in Mürzzuschlag (Steiermark)

Die Tochter eines Chemikers studierte ab 1964 an der Wiener Universität Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften; ihr Musikstudium schloss sie 1971 als Organistin ab und lebt seither als freie Schriftstellerin in Wien, München und Paris. Bereits 1967 hatte Jelinek erste Gedichte veröffentlicht (Lisas Schatten), wandte sich dann aber der literarischen Pop-Art zu, in Form von Montagen aus dem sprachlichen Material der Trivialliteratur vom Comic bis zum Heimatroman (wir sind lockvögel, baby!, 1970). Klischees der Fernsehserien strukturieren Michael. Ein Jugendbuch für die Infantilgesellschaft (1972). Der Roman Die Liebhaberinnen (1975, Drama 2002) brachte die Hinwendung zur gesellschaftskritischen Darstellungsweise aus feministischer Perspektive, die auch für die folgenden Romane Die Klavierspielerin (1983, als Hörspiel 1988, Verf 2001 Michael Hanecke), Lust (1989) und Gier (2000) prägend ist. Die Kennzeichnung als „radikal-feministische Autorin“ lehnt Jelinek allerdings ab, da für sie die Unterdrückung der Frau nur ein Teilaspekt der allgemeinen Unterdrückung durch die Konsumgesellschaft ist.
Auch die Bühnenstücke behandeln die gesellschaftlichen Strukturen, die insbesondere Frauen daran hindern, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihre Figuren, die Themen wie Heimat, Machtstrukturen, Fremdenhass und Pornografie miteinander verbinden, sind Prototypen: „Menschen und subtile Verhaltensweisen interessieren mich nicht“. Dem Debüt als Dramatikerin Was geschah, nachdem Nora ihren Mann verlassen hatte oder Stützen der Gesellschaft (U 1979) folgte Clara S. (U 1982, V 1984) mit den Hauptpersonen Clara Schumann, ihrem (auf dem männlichen Kunst-Monopol beharrenden) Mann Robert und dem dekadenten Dichter Gabriele d'Annuncio. Das Drama Burgtheater (U 1985) wirft einen Blick auf die nationalsozialistische Vergangenheit berühmter Schauspieler, die Textcollage Wolkenheim (U 1988) verbindet Passagen von Hölderlin, Heidegger, Kleist, Hegel und Fichte mit Auszügen aus Briefen der RAF-Häftlinge; Stecken, Stab und Stangel (U 1996) behandelt die Morde an vier Roma und v. a. die Banalisierung des rechten Terrors in den österreich. Medien. Das Sportstück, das ohne Handlung in ausufernden Monologen den Affinitäten von Sport, Gewalt und Krieg nachspürt, wurde 1998 in der Uraufführung am Wiener Burgtheater zu einem 7-stündigen Massenspektakel. Weitere Dramen: Bambiland (2003), Babel (2005), Ulrike Maria Stuart (2006), Über Tiere (2006) und Rechnitz (Der Würgeengel) (2008). Der Roman Neid erschien 2008, jedoch nicht gedruckt, sondern nur im Netz auf der Homepage Jelineks.

Zu Jelineks Auszeichnungen gehören der Heinrich-Böll-Preis (1986), der Bremer Literaturpreis (1996), der Georg-Büchner-Preis (1998) sowie 2002 der Heinrich-Heine-Preis und die Theaterpreise der Städte Berlin und Mülheim. Für ihr dramat. Gesamtwerk erhielt sie 2003 den Else-Lasker-Schüler-Preis. 2004 wird Jelinek der Literaturnobelpreis zugesprochen. In der Begründung des Nobelpreiskomitees wird besonders der musikalische „Fluss von Stimmen und Gegenstimmen in Romanen und Dramen“ der Autorin hervorgehoben, der „mit einzigartiger sprachlicher Leidenschaft die Absurdität und zwingende Macht der sozialen Klischees“ enthüllt. 2006 André-Gide-Preis, 2007 Dramatikerin des Jahres, gewählt von einer Jury deutschsprachiger Kritiker in der Zeitschrift "Theater heute".

Gier. Ein Unterhaltungsroman.
Roman, V 2000.
Kurt Janisch, ein „gutaussehender und scheinbar leichtherziger Mann, (…) wie er uns Frauen gefällt“, ist von der Gier nach Grundbesitz und Geld besessen. Als Gendarm nutzt er seine Position, um Frauen ausfindig zu machen, über die er seinen Reichtum vermehren kann. Eines seiner Opfer ist die Witwe Gerti, die er sich hörig macht um an ihr Haus zu kommen. Die minderjährige Geliebte Gabi, die ihm schließlich gefährlich wird, bringt er um und versenkt ihre Leiche im See. Als Gerti Verdacht schöpft und ahnt, worum es Kurt eigentlich geht, kehrt sie nach Wien zurück „wo es auch nicht besser ist“. Ihr Selbstmord wird schließlich bitter und zynisch mit dem Satz „Es war ein Unfall.“ kommentiert.
Charakteristisch für die Erzählweise Jelineks ist die entblößende Übertreibung ihrer schematisch gezeichneten Personen, die als Figuren eines rücksichtslosen Spiels erscheinen. Eigentliches Angriffsziel der Kritik aber sind Österreich und das neoliberale, auf Profit ausgerichtete Denken.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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