Lexikon

Suche


Bitte hier Suchbegriff eingeben.


Lavater, Johann Caspar

Drucken

* 15. 11. 1741 in Zürich
† 2. 1. 1801 in Zürich


Zu den berühmtesten Werken des Schweizer Pfarrers, Philosophen und Schriftstellers zählen zweifelsohne seine Physiognomischen Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe (4 Bde., 1775–78), in denen er die uralte, bereits antike Überzeugung radikalisiert, nämlich dass im tiefsten Grunde das Schöne mit dem Wahren und Guten, das Hässliche aber mit dem Falschen und Bösen identisch sei, und dass man daher von der äußeren Erscheinung ausgehend auf einen edlen oder eben auf einen verdorbenen Charakter schließen kann. Dieser ästhetische Rassismus wird von Lavater selbst im rationalen Zeitalter der Aufklärung in einfältiger und peinlich unbekümmerter Weise fortgesetzt. Lavater behauptet in diesem Werk, an dem im Übrigen auch Goethe mitgearbeitet hat, die enge Verbundenheit von moralischer und körperlicher Schönheit. Demnach verunstalte nichts den Menschen so sehr, wie das Laster! Nichts verschönert den Menschen dagegen so sehr, wie die Tugend! Je moralisch besser, desto schöner. Je moralisch schlimmer, desto hässlicher. Also, nur solange sich z. B. die Frauen tugendhaft benehmen, erscheinen sie engelsgleich – rein, zart und schön. Dass aber Säuglinge missgestaltet zur Welt kommen können, ohne bereits gesündigt haben zu können, erklärt Lavater mit dem tradierten Argument der Erbsünde: „Nehmet die schönsten, herrlichen Menschen; setzet, dass sie und ihre Kinder sich moralisch verschlimmern [...] o wie sich diese Menschen von Geschlecht zu Geschlecht verunstalten werden! sie bekommen aufgeschwollene, verfleischlichte, verplumpte, neidhagere Gesichter! und von Geschlecht zu Geschlecht immer hässlichere Figuren.“ Gegenüber dem Körper gewinnt in den physiognomischen Untersuchungen vor allem das Gesicht an Aufmerksamkeit. Über die Zeichen im Gesicht meint Lavater, in die dunkelsten Verstecke der Seele vordringen zu können. Eine bestimmte Schädelform oder Faltenbildung kann von widerwärtigen Gewohnheiten, geheimen Vorlieben oder aber von verborgener krimineller Energie zeugen. Überhaupt alles, was im Gesicht vor oder übersteht, was zu groß oder zu klein, zu dick oder zu dünn erscheint, wird moralisch verdächtigt. Zum bedeutungsschwersten Organ allerdings avanciert die Nase. Eine Hakennase etwa gilt als Indiz für Homosexualität. Dagegen deutet die kurze, breite Nase auf Durchtriebenheit hin. Aber wehe dem, der eine Warze hat! Denn mit einer runzligen, schwammigen Warze stülpe sich nämlich die verdrängte Boshaftigkeit in ekliger Form nach außen.
Ab 1771 lieferte sich Lavater mit dem deutsch-jüdischen Philosophen Moses Mendelssohn (1729–1786) eine briefliche Auseinandersetzung zum Verhältnis von Christentum und Judentum, die von der intellektuellen Öffentlichkeit europaweit mitverfolgt wurde. Lavater verfasste auch vor allem religiös geprägte epische Dichtungen wie etwa Jesus Christus oder Die Zukunft des Herrn (1780) und Joseph von Arimathia (1794) sowie das Drama Abraham und Isaak (1776).


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

Autoren-Lexikon
Das Lexikon bietet Informationen zu allen in deutsch.kompetent erwähnten Autoren.