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Schlegel-Schelling, Caroline

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* 2. 9. 1763 in Göttingen
† 7. 9. 1809 in Maulbronn


(geboren Michaelis, verwitwet Böhmer, geschieden Schlegel, verheiratet Schelling) Als Tochter des Theologie- und Orientalistik-Professoren Johann David Michaelis (1717-1791) hatte sie früh Zugang zu den Göttinger Gelehrtenfamilien und war mit der deutschen Schriftstellerin Therese Heyne und deren späteren Ehemann, dem Naturforscher, Ethnologen sowie Schriftsteller und Journalisten, Johann Georg Forster viele Jahre befreundet.
Am 15. Juni 1784 heiratete Caroline ihren Jugendfreund, den Clausthaler Amts- und Bergarzt Johann Franz Wilhelm Böhmer, mit dem sie zwei Kinder hatte – Auguste (Gustel) (*28. 4. 1785) und Therese (Röschen) Böhmer (*23. 4. 1787). Während die mit ihrem dritten Kind schwanger war, starb am 4. 2. 1788 ihr Mann an einer Wundinfektion. Die Mutter und ihre Kinder zogen zurück ins Göttinger Elternhaus. Das Dritte Kind Wilhelm wurde im August 1788 geboren, lebte aber nur ein paar Wochen. Im Frühjahr 1789 zog Caroline mit ihren Töchtern zu ihrem Stiefbruder Christian Friedrich „Fritz“ Michaelis nach Marburg. Am 17. Dezember verstarb auch ihre Tochter Therese, woraufhin die Mutter und ihre nun einzigen Tochter Auguste wiederum nach Göttingen zogen.
1791 verstarb Carolines Vater. Ihre Mutter musste das Elternhaus verkaufen und zog nach Braunschweig. Caroline und Auguste siedelten im März 1792 nach Mainz über, wo sie die eheflüchtige Göttingerin Meta Forkel bei sich aufnahm und viel mit ihren Jugendfreunden Therese Heyn und (seit 1785) deren Ehemann Georg Forster verkehrte.
Im Oktober 1792 wurde Mainz durch revolutionäre französische Truppen unter dem General Custine eingenommen. Zwei Tage nach dem Einzug der Franzosen in die Stadt, gründeten am 23. Oktober 1792 Studenten, Professoren und Bürger nach dem Vorbild des Pariser Jakobinerclubs die „Gesellschaft der Freunde der Freiheit und Gleichheit“. Caroline, als Frau, wurde der Eintritt in diesen Club nicht gestattet, was sie nicht davon abhielt, ihre demokratisch-revolutionäre Gesinnung zu äußern.
Anfang 1793 begannen die Koalitionsgruppen mit der Rückeroberung der französisch besetzten Reichsteile. Dennoch wurde am 18. März 1793 die Mainzer Republik und drei Tage später ihr Anschluss an das revolutionäre Frankreich ausgerufen. In dieser Zeit wurde Caroline schwanger von dem französischen Leutnant Jean Baptiste Dubois-Crané, der Anfang stationiert war.
Wie viele ihrer Freunde verließ auch Caroline gemeinsam mit der Mutter und der Schwiegertochter des früheren Mainzer Jakobiners Georg von Wedekind, deren Kindern sowie der Schriftstellerin und Übersetzerin Meta Forkel und ihrer eigenen Tochter Augustine die Stadt. Die Flucht gelang nicht, da die Gruppe noch am selben Tag im benachbarten Oppenheim vom preußischen Militär aufgehalten und, als sie ihre Verbindung zu den früheren Mainzer Jakobinern erkannten, festgenommen wurde. Außerdem hielt man sie, aufgrund der Namensverwandtschaft, für die Ehefrau des Mainzer Jakobiners und Mitbegründer der Mainzer Republik, Georg Böhmers. Ihre Haft saß Caroline zunächst auf der Festung Königsstein im Taunus ab, danach stand sie in Kronberg im Taunus unter Hausarrest. Freunde und Bekannte wie die Brüder Schlegel sowie Verwandte versuchten ihre Freilassung zu erreichen. Ihrem Bruder Gottfried Philipp Michaelis gelang es schließlich, den König Friedrich Wilhelm II. von Preußen gnädig zu stimmen. Am 11. Juli 1793 wurden die schwangere Caroline und ihre Tochter Auguste freigelassen. Ihr Freund August Wilhelm Schlegel brachte die Frauen von Kronberg nach Leipzig und von dort in die Kleinstadt Lucka. Dort brachte sie unter falschem Namen am 3. November 1793 ihren Sohn Wilhelm Julius zur Welt. Caroline zog ihren Sohn Wilhelm nicht selbst auf, sondern gab ihn in Lucka in Pflege. Zu dieser Zeit bedeutete eine Verbindung mit einem Offizier des gegnerischen Frankreichs gesellschaftliche und politische Schwierigkeiten. Caroline und Auguste verließen Lucka und gingen vorerst nach Gotha. Sie sahen Wilhelm nie wieder; er starb am 20. April 1795 an einer Infektionskrankheit.
Aufgrund der Vorkommnisse in Mainz wurde Caroline in ihrer Heimatstadt per Dekret zur unerwünschten Person erklärt. Selbst alte Freunde wandten sich von ihr ab, andere wurde aufgrund ihrer schwierigen gesellschaftlichen Stellung unter Druck gesetzt.
1795 fand sie mit ihrer Tochter Auguste vorübergehend Schutz bei ihrer Mutter in Braunschweig. Dorthin kam aus Amsterdam einige Monate später auch August Wilhelm Schlegel. Auch aus Rücksicht auf ihre schwierige wirtschaftliche und gesellschaftliche Lage heiratete Caroline ihn am 1. Juli 1796; wenige Tage später zogen sie nach Jena. Mit der zweiten Ehe wurde Caroline wieder salonfähig und kehrte in die bürgerliche Gesellschaft zurück.
In Jena gruppierte sich um die Brüder August Wilhelm und Friedrich Schlegel und deren Frauen Caroline und Dorothea um 1800 jener Kreis von Literaten, Philosophen und Naturwissenschaftlern, der als ‚Jenaer Frühromantik’ in die europäische Kulturgeschichte einging. Aus dem frühromantischen Salon entwickelte sich schnell das Ideal der romantischen Geselligkeit.“
Ihr zweiter Ehemann August Wilhelm Schlegel schrieb ihr großes Talent zu, um auch als Schriftstellerin zu glänzen, ohne dass jedoch ihr Ehrgeiz darauf gerichtet gewesen sei. Meist hat sich Caroline damit begnügt, im Stillen an den Aufsätzen und Rezensionen Schlegels mitzuarbeiten, fremde Bücher für ihn zu lesen, einzelne Abschnitte seiner Essays zu entwerfen und diese Entwürfe gelegentlich mit Worten auszufüllen. So hatte sie namentlich an dem Aufsatz über Shakespeare „Romeo und Julia“ (1797), an der Beurteilung einiger Schauspiele und Romane von Iffland, J. Schulz, Lafontaine (1798) und an dem Gespräch „Das Gemälde“ wesentlichen Anteil. Sie spornte Schlegel zu Übersetzungen der Dramen Shakespears an. – „Romeo und Julia“, „Was ihr wollt“ und die in den ersten Ehejahren ausgearbeiteten Übersetzungen ins Deutsche gingen erst durch ihre Hand, bevor sie in die Druckerei kamen.
„Die Briefe der Caroline Schlegel und die vieler Zeitgenossen bezeugen, dass Caroline in ihrer Wirkung auf die Frühromantiker mehr war als eine Salondame. Treffsicherheit und Spottlust in ihren Briefen lassen eine Frau erkennen, die Partnerin, Ratgeberin und geselliger Mittepunkt eines Zirkels von Intellektuellen war, dessen Wesen sich im lebendigen Austausch von Gedanken und Gefühlen bestimmen sollte.“
1798 kam der Naturphilosoph Friedrich Wilhelm Schelling nach Jena und verkehrte bald, wie viele andere Dichter und Denker der Zeit, im Hause Schlegel. Es entwickelte sich eine Liebesbeziehung zwischen ihm und Caroline, die von ihrem Mann toleriert wurde.
Nicht alle waren Caroline wohlgesonnen: So entwickelte sich eine Art Feindschaft zwischen ihr und Friedrich Schlegel (wohl auch unter dem Einfluss seiner Freundin Dorothea Veit). Auch aus dem Freundeskreis von Friedrich Schiller kamen heftige Angriffe gegen Caroline, was teilweise an den Fehden zwischen den damaligen Dichterschulen der „Romantiker“ und der der „Klassiker“ lag, in deren Zusammenhang sich die Romantiker über das schillersche Pathos lustig machten. Schiller seinerseits nannte Caroline „Madame Lucifer“; andere nannten sie „Madame Beelzebub“.
Am 12. Juli 1800 verstarb überraschend Carolines einzige noch lebende Tochter Auguste in Bad Bocklet an einer Durchfallkrankheit.
1800 wurde August Wilhelm Schlegel nach Berlin berufen und ließ Caroline in Jena zurück. Ihre Beziehung kühlte sich weiter ab; man einigte sich auf eine Scheidung. Um das langwierige Amtsverfahren schneller voranzutreiben, bat sie Goethe um Hilfe: Die Scheidung sollte durch Carolines Landesherrn Herzog Carl August von Sachsen-Weimar festgestellt werden. Der Herzog folgte dem Gesuch; die Scheidung wurde zum 17. Mai 1803 wirksam. Bereits am 16. Juni 1803 heiratete Caroline ihren Geliebten Friedrich Wilhelm Schelling in Murrhardt. Sie folgte ihm im selben Jahr zunächst nach Würzburg und 1806 nach München. Am 7. September 1809 starb Caroline in Maulbronn während eines Besuches bei Schellings Eltern wie ihre Tochter an einer Durchfallerkrankung. Ein Obelisk am Kloster Maulbronn erinnert dort bis heute an sie mit einer Inschrift.
Nach Carolines Tod beklagte ihr Mann Schelling, „dass dieses Meisterstück der Geister nicht mehr ist, dieses seltene Meisterstück von männlicher Seelengröße, von dem schärfsten Geist, mit der Weichheit des weiblichsten, zartesten, liebevollen Herzen vereinigt. Oh, etwas derart kommt nicht wieder.“
Zum Andenken an Caroline Schlegel-Schelling und den Jenaer Romantikerkreis vergibt die Stadt Jena alle drei Jahre den Caroline-Schlegel-Preis, der herausragende Leistungen in den Genres Feuilleton und Essay auszeichnet.

Werke: Caroline verfasste einige Rezensionen belletristischer Werke, die in der Jenaer Literaturzeitungen wie dem „Athenäum“, in Beckers „Erholungen“ und ähnlichen Zeitschriften jener Jahre gedruckt wurden. Auch ein vereinzeltes Fragment steuerte sie zum „Athenäum“ bei.
Nach einem Brief ihres Ehemannes Schlegel an Schiller hatte sie um 1796 auch eine Erzählung geschrieben; erhalten ist neben literarischen Scherzen und anderen Kleinigkeiten aber nur der fragmentarische Entwurf eines Romans, der die seelische Entwicklung einer ihr ähnlichen Frau darstellen sollte.
1801 übersetzte sie das französisches Singspiel Philippe et Georgette in freier Weise; später widmete sie sich einigen Sonetten des italienischen Dichters Francesco Petrarcas. Von ihren eigenen Übersetzungsarbeiten wurde fast nichts gedruckt.
„Ihr schriftstellerisches Talent bewies sie überwiegend in ihren anmutig plaudernden, von Verstand, Phantasie, Kunstsinn und poetischem Geist durchdrungenen, mit Neckerei und freier Bosheit gewürzten Briefen.“

Die Münchner Autorin und Regisseurin Vera Botterbusch stellt in ihrem Film Glücklich will ich sein oder Die Kunst zu leben (BR 1998) das Leben dieser couragierten Frau dar.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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