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Feuchtwanger, Lion

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* 7. 7. 1884 in München
† 21. 12. 1958 in Los Angeles


Nach Studienjahren in München und Berlin gehörte Feuchtwanger als Theaterkritiker zu den Mitarbeitern der „Schaubühne“ und begründete 1908 die Kulturzeitschrift „Der Spiegel“. Während des I. Weltkriegs war er zeitweilig in Tunis interniert; 1918 beteiligte er sich an der Novemberrevolution. Ab 1919 stand er in Verbindung mit Brecht (gemeinsame Bearbeitung von Christopher Marlowes Leben Eduards II. von England, U 1924; sein 1944 erschienener Roman Simone liegt Brechts Stück Die Gesichte der Simone Machard zugrunde). Als Romancier entwickelte sich Feuchtwanger zu einem bedeutenden Vertreter des psychologischen historischen Romans mit zeitgeschichtlichen Bezügen. 1933 wurde er während einer Vortragsreise durch die USA aufgrund seiner jüd. Herkunft und linksliberalen Haltung ausgebürgert und ließ sich in Südfrankreich nieder. 1935 nahm er in Paris am „Kongress zur Verteidigung der Kultur“ teil, 1936 gehörte er zu den Gründungsherausgebern der in Moskau erscheinenden Zeitschrift „Das Wort“. 1940 konnte er aus einem frz. Internierungslager in die USA fliehen. Nach Aufenthalten in New York und Los Angeles ließ er sich 1943 in Pacific Palisades bei Hollywood nieder. Die amerikan. Staatsbürgerschaft blieb ihm versagt, zumal er unter Kommunismus-Verdacht stand (Nationalpreis der DDR 1953). Zu einer Rückkehr konnte er sich, im Unterschied zu Brecht, T. Mann und A. Zweig, nicht entschließen. Zum Spätwerk gehört der Roman Narrenweisheit oder Tod und Verklärung des Jean-Jacques Rousseau (1952) über die Verwirklichung von Ideen des (bei Feuchtwanger ermordeten) Philosophen in der Frz. Revolution.

Romane: Die hässliche Herzogin Margarete Maultasch (1923), Josephus-Trilogie (1932–1945: Der Jüd. Krieg, Die Söhne, Der Tag wird kommen), Der falsche Nero (1936), Die Füchse im Weinberg (1950), Jefta und seine Tochter (1957). – Dramen: Die Kriegsgefangenen (1919), Angelsächsische Trilogie (1927). – Essays: Vom Sinn und Unsinn des historischen Romans (1936), Slg. Centum Opuscula (1956). – Autobiografisches: Moskau (1937), Unholdes Frankreich (1942).

Jud Süß. Roman, V 1925, als Drama U 1917, V 1918, Verf England 1934.
Die Titelgestalt ist der halbjüd. Finanzier Joseph Süß-Oppenheimer. Als Berater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg (ab 1733) initiierte er Maßnahmen zur rücksichtslosen Erhöhung der Staatseinnahmen. Der Widerstand der Standesvertreter richtete sich in wachsendem Maße gegen den Hofjuden. Nach dem Tod des Herzogs wurde er 1738 hingerichtet.
Themenbereiche des durch die gleichnamige Erzählung von Hauff angeregten Romans sind die Formen brutaler (Herzog) und raffiniert gehandhabter Machtgier (Süß) und die Entfachung einer antisemitischen Psychose; zugleich gestaltete Feuchtwanger am Beispiel der Schicksalsergebenheit seines Protagonisten (z. B. Verzicht auf Rettung durch Konversion) sein Thema des vor allem den jüd. Menschen kennzeichnenden Zwiespalts „zw. Tun und Nichttun, zw. Macht und Erkenntnis“. 1933 in Dtl. verboten, diente der Roman in völlig verzerrter Form als Grundlage eines antisemitischen Hetzfilms (1940). Sein Regisseur Veit Harlan wurde 1949/50 in zwei Prozessen freigesprochen. Harlan berief sich auf „Befehlsnotstand“ (Auftrag von Goebbels).

Der Wartesaal. Romantrilogie als „Rechenschaftsbericht“, 1930–40.
Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz (V 1930) spielt zu Beginn der 1920er Jahre. Im Mittelpunkt steht der in einen Meineidsprozess verwickelte Kunsthistoriker Dr. Krüger, der im Gefängnis einem Herzleiden erliegt. Die Haupthandlung ist in eine scharfsichtige Darstellung der Ausbreitung des Faschismus eingebettet. Zu den Ereignissen gehört der Putschversuch Hitlers 1923 in München.
Die Geschwister Oppenheim (1933, 1948 u. d. T. Die Geschwister Oppermann) schildert am Beispiel einer jüd. großbürgerlichen Familie den Beginn der Judenverfolgung 1933. Hauptgestalt ist der Schriftsteller und Unternehmer Gustav Oppenheim. Er kehrt nach kurzer Zeit des Exils illegal nach Dtl. zurück, um sich am antifaschistischen Widerstand zu beteiligen; er wird verhaftet und stirbt an den Folgen seiner Misshandlungen im KZ.
Zum 50. Jahrestag der sog. Machtergreifung der Nazis 1933 entstand unter der Regie des einstigen Brecht-Assistenten Egon Monk eine 2-teilige mehrfach prämierte TV-Version, die in mehr als 10 Ländern (u. a. in Israel) gezeigt wurde.
Exil. E 1935–39, V 1940 (Exilverlag); der DDR-Ausgabe folgte erst 1979 eine Ausgabe in der B. D., TV-Version B. D. 1981 Egon Günther.
Schauplatz ist Paris 1935. Im Mittelpunkt steht die aus Dtl. emigrierte Familie des Komponisten Sepp Trautmann. Er übernimmt – beispielhaft für den Vorrang politischer gegenüber künstlerischen Herausforderungen – die Stelle eines von der Gestapo entführten Journalisten bei der Emigrantenzeitschrift „Pariser Nachrichten“. Sein Sohn Hans setzt seine Hoffnungen auf eine Volksfront mit den Kommunisten gegen die Nazis. Frau Trautwein zerbricht unter der Last der Sorge um ein Überleben im Exil und der Entfremdung von ihrem Mann, den sein politisches Engagement gefangen nimmt. Dieser vollendet am Ende seine „Wartesaal-Sinfonie“, gewidmet dem Exil als Zustand des Wartens auf den Neubeginn.

Goya oder Der arge Weg der Erkenntnis. Roman, V 1951, Verf DDR/UdSSR 1969/70 Konrad Wolf.
Ein Ausgangspunkt für Feuchtwangers Beschäftigung mit dem span. Maler und Grafiker Francisco de Goya (1746–1828) war 1926 ein Besuch des Museo del Prado in Madrid. Goya entwickelt sich innerhalb Feuchtwangers Konzeption des kulturgeschichtlichen Romans zur Verkörperung der Wechselbeziehung zwischen künstlerischer Steigerung und politisch-sozialer Einsicht: Vom Hofkünstler entwickelte sich Goya unter dem Einfluss der frz. Aufklärung zu einem von der Inquisition bekämpften, dem Volk verbundenen Verteidiger der Menschenwürde. Um den „argen und schmerzhaften Weg der Erkenntnis“ als historisch notwendig zu erweisen, ist die Künstlerbiografie in eine materialreiche Schilderung Spaniens im späten 18. Jh. eingebettet. Mittelbar bestehen zeitgeschichtliche Bezüge zu Spanien unter der Franco-Diktatur. Der Roman wurde zu Feuchtwangers international größtem Bucherfolg (Übersetzung in 24 Sprachen).

Die Jüdin von Toledo. Roman, V 1955 in der DDR, in der B. D. u. d. T. Spanische Ballade.
Das Thema der Verzauberung des Königs Alfonso von Kastilien durch die Jüdin Raquel, der wegen dieser Liebe seine Pflicht zum Krieg gegen die Muslime vernachlässigt, wurde in span. Balladen und Chroniken, einem Stück von Lope de Vega Carpio (1616) und in Grillparzers gleichnamigem Trauerspiel (1872) dargestellt. Feuchtwanger widmete die mittelalterliche Geschichte über Christen und Muslime vor allem den Juden in Spanien, „die schon deshalb ihr Bestes tun, den Frieden zu wahren, weil sie die ersten sein werden, die zwischen den Kriegführenden umkommen. (…) Männer, die der gerüsteten Tapferkeit der Ritter nichts entgegenzusetzen haben als den stillen Mut ihres Geistes“ (Nachwort).


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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