Lexikon


Kunert, Günter

Drucken

* 6. 3. 1929 in Berlin

Aufgrund seiner jüd. Abstammung war Kunert eine Weiterbildung nach Abschluss der Volksschule verwehrt. 1946 begann er in Berlin-Weißensee ein Grafikstudium, ab 1948 veröffentlichte er in der Zeitschrift „Ulenspiegel“ Gedichte und Erzählungen, 1950 erschien als erster Gedichtband Wegschilder und Mauerinschriften. Als Lyriker, Erzähler, Essayist sowie Autor von Kinderbüchern, Hörspielen und Drehbüchern gehörte Kunert zunächst zu den produktivsten DDR-Autoren. In den 1960er Jahren geriet er in den Verdacht, eine „Philosophie der Lebensangst“ zu vertreten; Beunruhigung lösten seine epigrammatischen Gedichte aus, etwa: „Als unnötigen Luxus / Herzustellen verbot, was die Leute / Lampen nennen, / König Xantos von Tharsos, der / von Geburt / Blinde“ (1963). Der Roman Im Namen der Hüte (1967), eine 1945 einsetzende zeitgeschichtliche Darstellung mit Märchenmotiven (der Volkssturmmann Henry nimmt die Erinnerungen und Vorstellungen der Personen wahr, deren Kopfbedeckung er aufsetzt), konstatiert ein Absterben der Erinnerungsbereitschaft. 1972/73 war Kunert Gast der Universität in Austin (Texas), 1975 der Universität im engl. Warwick (Reisebücher: Der andere Planet. Ansichten von Amerika, 1975; Ein engl. Tagebuch, 1978). Literaturgeschichtliche Bezugspersonen wurden Kafka und Kleist (Hörspiel Ein anderer K., U 1975, V 1977). Nach seiner Beteiligung am Protest gegen die Ausbürgerung Biermanns 1976 wurde Kunert 1977 aus der SED ausgeschlossen, 1979 erhielt er ein mehrjähriges Visum für die B. D.; er lebt als freier Schriftsteller bei Itzehoe.
1981 war Kunert an der Universität in Frankfurt a. M. Dozent für Poetik. 1991 erhielt er den Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg. 1992 erschien sein „Hausbuch“ Im toten Winkel, 1997 die Erinnerungen Erwachsenenspiele, 2001 Nachrichten aus Ambivalencia.
Zu den zahlreichen Auszeichnungen der jüngeren Zeit zählen u. a. der Hans-Sahl-Preis (1996), der Georg-Trakl-Preis (1997) und der Prix Aristeion der Europäischen Union (1999). Seit 2005 ist Kunert Vorstandspräsident des P.E.N.-Zentrum deutschsprachiger Autoren im Ausland.

Gedichtbände: Unter diesem Himmel (1955), Das kreuzbrave Liederbuch (1961), Der ungebetene Gast (1965), Warnung vor Spiegeln (1970), Im weiteren Fortgang (1974), Verlangen nach Bomarzo. Reisegedichte (mit Zeichnungen Kunerts, 1978), Abtötungsverfahren (1980), Ohne Botschaft (2005), In der Ferne (2005), Aus der realen Fabelwelt (2006), Der alte Mann spricht mit seiner Seele (2006), Endgültig morgens um vier (2007), Nächtlings abseits (2008). – Hörspiele: Fetzers Flucht. Funkoper (1959, Verf DDR 1962), Countdown (1983), Am Sexophon: Esmaralda (2001), Nummer 563.000, Planquadrat C 3 (2002), Die Puppe (2004), Keine weiteren Vorkommnisse (2008). – Erzählungen: Irrtum ausgeschlossen. Geschichten zwischen gestern und morgen (2006), Josephine im Dunkeln. (Kinderbuch) (2006), Die wunderbaren Frauen (2008). – Drehbücher: Seilergasse 8 (Verf DDR 1959 Joachim Kunert), Karpfs Karriere (Verf B. D. 1971 Bernhard Wicki). – Essays: Slg. Diesseits des Erinnerns (1982), Katzen des Südens (2005), Im letzten Garten. Besuch bei toten Dichtern (2005), Wohnen. Die Stadt als Museum. Das Stadion (2005), Vom Mythos alter Bäume (2006), Auskunft für den Notfall (2008).


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009