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Schiller, Friedrich

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* 10. 11. 1759 in Marbach a. Neckar
† 9. 5. 1805 in Weimar


Als 1839 auf dem Stuttgarter Alten Schlossplatz (heute Schillerplatz) die von Thorwaldsen geschaffene Statue des antik gewandeten, lorbeerbekränzten Dichters enthüllt wurde, war dies die erste Ehrung eines Künstlers in Dtl. durch ein Standbild. Der Adel hielt sich von der Feier fern, die Kirche hatte versucht, ein Festgeläut zu unterbinden, und sprach von „Götzendienst“; Schiller war der „Besitz“ des liberalen Bürgertums, das ihn nach der gescheiterten Revolution von 1848 im Schiller-Jahr 1859 weiterhin als Inbegriff des Strebens nach nationaler Einheit feierte: „Ertönen wird der Glockenruf in die Zerrissenheit des dt. Gesamtvaterlandes, in dessen klaffende Wunde wir eben erst tief hinabblickten“, prophezeite Uhland als Festredner, um, an Schillers Lied von der Glocke anknüpfend, fortzufahren: „Concordia soll ihr Name sein!“, tauft der Meister seine Glocke. Concordia bedeutet aber nicht eine träge, tote Eintracht, nein! wörtlich: „Einigung der Herzen, in Schillers Sinne gewiss: Eintracht frischer, tatkräftiger, redlicher dt. Herzen.“ Die hier sich abzeichnende „Verinnerlichung“ Schillers zum bildungsbürgerlichen „Moraltrompeter von Säckingen“ (Nietzsche) bildet den Hintergrund der im 20. Jh. vielfach unternommenen Versuche, den Dramatiker Schiller von „Klassiker“-Unverbindlichkeit zu befreien.
Der Sohn eines Wundarztes und Leutnants wuchs in Marbach und Lorch auf, in Ludwigsburg besuchte er 1767–72 die Lateinschule. Das angestrebte Theologiestudium wurde 1773 durch die Einberufung in die von Herzog Karl Eugen bei Schloss Solitude gegründete „Militär-Pflanzschule“ (Karlsschule, ab 1775 als Militärakademie in Stuttgart) unterbunden. Schiller wählte 1774 das Fach Jura, wechselte 1776 zur Medizin über und schloss seine Ausbildung 1780 mit der Dissertation Über den Zusammenhang der tierischen Natur des Menschen mit seiner geistigen ab; Ende 1780 erhielt er in Stuttgart eine Anstellung als Regimentsmedikus. Als Lyriker trat Schiller erstmals 1776 an die Öffentlichkeit (Der Abend); 1781 veröffentlichte er anonym sein 1777 begonnenes Drama Die Räuber (U 1782 mit außerordentlichem Erfolg in Mannheim); 1782 erschien seine Anthologie auf das Jahr 1782.
Eine Arreststrafe wegen einer unerlaubten Reise nach Mannheim und das vom Herzog erlassene Schreibverbot veranlassten Schiller Ende September 1782 zur Flucht ins pfälzische „Ausland“ (Mannheim, Oggersheim) und schließlich nach Bauerbach bei Meiningen, 1783 erhielt er in Mannheim eine Anstellung als Theaterdichter (Die Verschwörung des Fiesco zu Genua, U 1783 in Bonn, 2. Fassung 1784 in Mannheim; Kabale und Liebe, U 1784). Als Mitglied der Kurfürstlichen Dt. Gesellschaft hielt Schiller 1784 den Vortrag Vom Wirken der Schaubühne auf das Volk (V 1802 u. d. T. Die Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet); Ende des Jahres trug er am Hof in Darmstadt den I. Akt von Don Carlos, Infant von Spanien vor und erhielt vom anwesenden Herzog Karl August den Ehrentitel eines Weimarischen Rats. Anfang 1785 erschien die 1. Nummer der von Schiller weitgehend mit eigenen Beiträgen gefüllten Zeitschrift „Rheinische Thalia“. Unstimmigkeiten im Verhältnis zum Mannheimer Theater und die problematische Beziehung zu Charlotte von Kalb veranlassten Schiller, im März 1785 der Einladung Christian Gottfried Körners nach Sachsen zu folgen (Leipzig, Gohlis, Loschwitz, Dresden). Herausgabe der „Thalia“ (bis 1791: An die Freude, Verbrecher aus Infamie, Der Geisterseher).
Mitte 1787 ließ Schiller sich in Weimar nieder (Verbindung mit Herder und Wieland, Beginn der Arbeit als Historiograph mit Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande, V 1788). Anfang 1789 erhielt er in Jena eine Professur (Antrittsvorlesung Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? mit der Gegenüberstellung von „Brotgelehrtem“ und „philosophischem Kopf“). Anfang 1790 heiratete Schiller Charlotte von Lengefeld. Anfang 1791 erzwang eine schwere Erkrankung die Unterbrechung der Lehrtätigkeit; Beginn des Kant-Studiums, ab 1792 eigene, in der „Neuen Thalia“ (1792/93) veröffentlichte Schriften zur Philosophie und Poetik (Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen), 1793 1. Fassung der Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen (V 1795).
Schillers Aufenthalt in Ludwigsburg und Stuttgart (1793/94) führte zur Zusammenarbeit mit dem Verleger Johann Friedrich Cotta (Zeitschrift „Die Horen“ 1795–97, „Musen-Almanach“ ab 1795). Mitte 1794 begann die auf wechselseitige Ergänzung gegründete Verbindung mit Goethe (Über naive und sentimentalische Dichtung, 1795/96; 1796 E der Xenien, 1797 „Balladenjahr“, 1798 Wiedereröffnung des Weimarer Theaters mit Wallensteins Lager). Seinen Briefwechsel mit Schiller 1794–1805 gab Goethe 1829 heraus.
Schillers letzte Lebensjahre in Jena und Weimar (1802 endgültige Übersiedlung nach Weimar, im selben Jahr Erhebung in den Adel) waren der rastlosen Arbeit für die Bühne gewidmet: Maria Stuart (1800), Die Jungfrau von Orleans (1801), Die Braut von Messina (1803), Wilhelm Tell (1804), Beginn der Arbeit an Demetrius. Als Bearbeitungen brachte Schiller Shakespeares Macbeth (1800), Gozzis Turandot (1801), Lessings Nathan der Weise (1801) auf die Bühne, als Übersetzungen Piccards Komödie Der Neffe als Onkel und Der Parasit (beide 1803) und Racines Phaedra (1805). 1804 diente eine Reise nach Berlin der Vorbereitung einer eventuellen Loslösung von Weimar. 1827 wurden Schillers Gebeine in die Weimarer Fürstengruft überführt; 5 Jahre danach wurde hier Goethe beigesetzt.

Gedichtbände und Einzelgedichte: Anthologie auf das Jahr 1782 (1782, darin u. a. Oden an Laura), Resignation (E 1784/85, V 1786), An die Freude (E 1785, V 1786; Vert 1786 Christian Gottfried Körner, 1824 Ludwig van Beethoven [Schlusschor der 9. Sinfonie]), Die Götter Griechenlands (1788, 2. Fassung 1800), Der Künstler (1789), Das Ideal und das Leben (1795), Der Spaziergang (1795), Xenien (1797), Balladen (1798 „Musen-Almanach für das Jahr 1798“, mit Beiträgen von Goethe; von Schiller u. a. Der Handschuh, Die Kraniche des Ibykus, Der Ring des Polykrates, Der Taucher [Vert 1802 K. F. Zelter]; 1799 erschien Die Bürgschaft, 1804 Der Graf von Habsburg), Das Lied von der Glocke (E 1799, V 1800), Nänie (1800), Gedichte (Teil I und II, 1800 und 1803). – Erzählungen: Verbrecher aus Infamie (E 1785, V 1786, u. d. T. Der Verbrecher aus verlorener Ehre 1792), Der Geisterseher. Aus den Papieren des Grafen von O … (Fragment, E ab 1786, Zs 1787, V 1789). – Historische Schriften: Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande (1788), Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs (E ab 1789, V 1791–1793). – Schriften zur Philosophie und Poetik: Über den Grund des Vergnügens an tragischen Gegenständen (1792), Über Anmut und Würde (1793), Vom Erhabenen (1793), Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen (E ab 1793, V 1795), Über naive und sentimentalische Dichtung (1795/96).

Die Räuber. Drama in 5 Akten, E ab 1777, V 1781 („Schauspiel“-Fassung), U 1782, 2. Fassung („Trauerspiel“-Fassung) 1782, Vert u. d. T. I Masnadieri 1847 Giuseppe Verdi, 1957 Giselher Klebe, Verf. Dtl. 1907 und 1913, USA 1913 und 1914, B. D. 1967 G. Keil.
Franz, der missgestaltete und als der Zweitgeborene von der Erbfolge ausgeschlossene Sohn des Grafen Moor, denunziert mit Erfolg seinen älteren Bruder Karl. Dieser ist zwar als Student in üble Gesellschaft geraten, hat aber als „verlorener Sohn“ den Vater brieflich um Verzeihung gebeten. Diesen Brief unterschlägt Franz und legt dem Vater stattdessen einen fingierten Bericht vor, demzufolge Karl steckbrieflich gesucht wird. Franz erhält den Auftrag, Karl mitzuteilen, dass er (vorerst) vom Vater verstoßen sei. Dieser Brief stürzt Karl in tiefe Verzweiflung; er erklärt sich bereit, an die Spitze einer vom Schurken Spiegelberg gebildeten Räuberbande zu treten. Franz beschließt, den körperlichen Verfall des Vaters zu beschleunigen; auf die fingierte Nachricht hin, Karl sei bei einem Gefecht gefallen, stirbt der von Reue gequälte Vater (scheinbar). Angesichts der bei der Rettung des Bandenmitglieds Roller vom Galgen begangenen Grausamkeiten (eine ganze Stadt wurde in Brand gesteckt) will Karl die Bande verlassen; das Lager ist jedoch umstellt, Karl nimmt gemeinsam mit den Räubern den Kampf auf. Vergeblich wirbt Franz um Amalia, die Braut Karls. Dieser sucht verkleidet das väterliche Schloss auf und wird von Franz, zuletzt auch von Amalia erkannt, muss sich jedoch von der Geliebten losreißen. Die Räuber befreien aus einer Schlossruine den lebendig begrabenen Grafen Moor; Karl schickt seine Räuber aus, um Franz ins Lager zu bringen. Franz ist durch einen Traum, in dem er sich als den einzigen Verdammten der ganzen Menschheit erkannt hat, in apokalyptischen Schrecken versetzt; die Räuber zünden sein Schloss an und reißen ihn aus den Flammen. Karl erhält (unerkannt) von seinem Vater Segen und Kuss, als „sei es Vaters Kuss“; Franz wird in das Schlossverlies gestoßen; der Graf stirbt, nachdem sich ihm Karl als Sohn und Räuberhauptmann zu erkennen gegeben hat; Amalia erfleht von Karl den Tod und wird von ihm erstochen; Karl trennt sich von der Bande, um sich einem Tagelöhner auszuliefern, der das auf seinen Kopf ausgesetzte Lösegeld kassieren soll (das Drama endet: „Dem Manne kann geholfen werden“).
Die in der Erstfassung in der Gegenwart angesiedelte Handlung wurde bei der Mannheimer Inszenierung ins Spätmittelalter verlegt; Schiller folgte dieser „Historisierung“ in seiner „Trauerspiel“-Fassung (1782). Dennoch blieb die Zeitkritik unverkennbar (ein 1782 erschienener Nachdruck der „Schauspiel“-Fassung trägt das Motto „in Tirannos“): Franz verkörpert die skrupellose Feudalmacht, als deren Opfer Karl zum schuldlosschuldigen Sozialrebellen wird, der erkennen muss, „dass zwei Menschen wie ich den ganzen Bau der sittlichen Welt zugrunde richten würden“.
Kennzeichnend für die Epoche des Sturm und Drang sind Karls Ekel vor dem „tintenklecksenden Säkulum“ („Schauspiel“-Fassung), die expressive Sprache, das Motiv der feindlichen Brüder (Die Zwillinge von Klinger, Julius von Tarent von Leisewitz, Zur Geschichte des menschlichen Herzens von Schubart). Vor allem aber spiegelt das mangelnde Vertrauen zwischen dem Grafen Moor und Karl, die beide allzu leicht das Opfer der von Franz in Gang gesetzten Intrigen werden, modellhaft eine tief greifende Verstörung. Karls Schrei „Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, dass mir jemals etwas teuer war!“ ist Ausdruck einer der Handlung vorausgehenden „Vaterlosigkeit“ in sozialer, religiöser und metaphysischer Hinsicht. Hierin aber berühren sich Karl und Franz Moor, das Zerrbild des jeglicher Bindung entbehrenden „aufgeklärten“, gegen die Natur rebellierenden Rationalisten.

Der Verbrecher aus verlorener Ehre. Erzählung, E 1785, Zs 1786 u. d. T. Verbrecher aus Infamie, V 1792.
Zugrunde liegt das Schicksal des Wirtssohnes Friedrich Schramm aus Ebersbach a. d. Fils. Schillers Lehrer an der Karlsschule, Jakob Friedrich Abel, dessen Vater Schramm verhaftet hatte, dürfte im Psychologieunterricht über den Fall berichtet haben. Der Schwabe Hermann Kurz (1813–73) gestaltete den Stoff in seinem Roman Der Sonnenwirt (1854).
Christian Wolf ist in Schillers Schilderung ein körperlich benachteiligter Junge, der „ertrotzen“ wollte, „was ihm verweigert war“. Um einem Mädchen durch Geschenke imponieren zu können, beginnt er zu wildern; von seinem Rivalen Robert ertappt, muss er sein gesamtes Vermögen als Geldbuße ausliefern. Ein zweites und ein drittes Mal der Wilderei überführt, erhält Wolf Festungshaft, wird hier von den Mitgefangenen zum Verbrecher erzogen („Ich betrat die Festung als ein Verirrter“, beginnt der als Ich-Erzählung gestaltete zweite Teil, „und verließ sie als ein Lotterbube“). Nach seiner Freilassung erlebt Wolf die schroffe Zurückweisung durch die Bewohner seines Heimatorts und erschießt, als er durch Zufall im Wald Robert begegnet, diesen im Affekt. Als Mörder wird er Anführer einer Diebesbande, will schließlich in Kriegsdienste treten und gibt sich, in einem Städtchen unter allgemeinem Verdacht festgehalten, dem Amtmann als der gesuchte Sonnenwirt zu erkennen. Einleitend spricht Schiller von zwei Faktoren der menschlichen Handlungsweise: von der „unveränderlichen Struktur der menschlichen Seele“ und den „veränderlichen Bedingungen“, die „von außen“ mitwirken. Die Erzählung ist ein auf diese äußeren Bedingungen eingehender sozialpsychologischer Beitrag zur „Seelenkunde“, gerichtet gegen den „grausamen Hohn und die stolze Sicherheit (…), womit gemeiniglich die ungeprüfte aufrecht stehende Tugend auf die gefallne herunter blickt“.

Kabale und Liebe. Drama in 5 Akten, E 1782/83, U, V 1784, Vert u. d. T. Luisa Miller 1849 Giuseppe Verdi, Verf u. a. Dtl. 1907, u. d. T. Luise Miller Dtl. 1922 Carl Froelich, B. D. 1959 Martin Hellberg.
Anknüpfend an Lessings „Emilia Galotti“, konfrontiert das (ursprünglich Luise Millerin betitelte) „bürgerliche Trauerspiel“ Adel und Bürgertum. Ferdinand, der Sohn des Präsidenten von Walter, liebt Luise, die Tochter des Musikers Miller. Beide Väter missbilligen die Liebesbeziehung, der Bürger aus Einsicht in die Unüberwindbarkeit der Standesgrenzen, der Adlige aufgrund anderweitiger Pläne: Ferdinands Ehe mit Lady Milford, der Mätresse des Herzogs, soll die eigene Macht im Staat sichern. Mit Hilfe seines Sekretärs Wurm setzt der Präsident eine Intrige in Gang: Um ihre verhafteten Eltern zu retten, muss Luise, durch Eid zur Verschwiegenheit verpflichtet, ein vertrauliches Billett an den albernen Hofmarschall von Kalb verfassen, das Ferdi­nand in die Hände gespielt wird. Dieser wird von Luises Untreue überzeugt; er vergiftet sie und sich selbst. Sterbend enthüllt Luise die „Kabale“, der sie beide zum Opfer gefallen sind.
Ferdinand verkörpert die Auflehnung gegen die vom korrupten Hofadel repräsentierte feudale Gesellschaft; die für ihn vorgesehene Karriere lehnt er entrüstet als ein „Erbe“ ab, das ihn „an einen abscheulichen Vater erinnert“. (Unmittelbare Kritik am Absolutismus übt das Stück am Beispiel des Verkaufs von Landeskindern als Söldner; sie bilden den Kaufpreis der Brillanten, die der Herzog Lady Milford als Hochzeitsgabe schickt.) Zugleich bildet Ferdinands Unbedingtheit die Voraussetzung für die Katastrophe: Schon der geringste Zweifel an Luises Liebe stürzt ihn von der Höhe seines absolut gesetzten Glücksgefühls in die lebensverneinende Tiefe seines Unglücks. Auch Ferdinand ist „Absolutist“: „Du Luise und ich und die Liebe! – Liegt nicht in diesem Zirkel der ganze Himmel? Oder brauchst du noch etwas Viertes dazu?“

Don Carlos, Infant von Spanien. Drama in 5 Akten, E ab 1782, Teil-V 1785–87, U, V 1787, Vert 1867 Giuseppe Verdi, Verf B. D. 1971 Hans W. Geissendörfer.
In der span. Sommerresidenz Aranjuez kommt es zum Wiedersehen zwischen Don Carlos, dem Sohn Philipps II., und seinem Freund Marquis von Posa; dieser ist soeben aus Flandern zurückgekehrt, in dem sich Widerstand gegen die span. Unterdrückung regt. Posa vermittelt ein ungestörtes Gespräch zwischen Carlos und Elisabeth von Valois, seiner ehemaligen Braut und jetzigen Stiefmutter. Die Königin verweist den sie schwärmerisch verehrenden Infanten standhaft an Spanien als seine „zweite Liebe“ und spricht schließlich von den „Tränen aus den Niederlanden“. Umso mehr ist Carlos bereit, Posas Wunsch nachzukommen, für die Freiheitsrechte der Niederländer einzutreten. Allerdings bittet er nach der Rückkehr des Hofes nach Madrid seinen Vater vergeblich um das Kommando über die in die Niederlande zu entsendenden Truppen; den Oberbefehl erhält Herzog Alba. Einem anonymen Billett folgend, dringt Carlos in der Hoffnung, Elisabeth anzutreffen, in ein Kabinett ein und trifft auf die Prinzessin Eboli. Diese erahnt etwas von der Liebe des Infanten zur Königin, während Carlos Beweise dafür erhält, dass sein Vater um die Prinzessin wirbt. Die Eboli erklärt sich gegenüber Alba und Philipps Beichtvater Domingo bereit, Beweise für die Liebesbeziehung zwischen Carlos und Elisabeth beizubringen, und weckt Philipps Verdacht. Posa gewinnt Elisabeths Unterstützung für den Plan, Carlos zur eigenmächtigen Abreise in die Niederlande zu bewegen. Unterdessen gerät Carlos, von Posas enger Beziehung zu Philipp und zu Elisabeth unterrichtet, in die Hände der Prinzessin; um ihn vor dieser zu schützen, lässt Posa den Freund verhaften und einkerkern. Zur Opferung des eigenen Lebens bereit und um Carlos von allen Verdächtigungen zu befreien, bezichtigt sich Posa selbst der Liebe zu Elisabeth; Philipp lässt den angeblichen Verräter Posa erschießen und befreit Carlos. Bevor dieser jedoch, Posas Vermächtnis folgend, in die Niederlande flüchten kann, wird der wahre Sachverhalt aufgedeckt. Philipp lässt seinen Sohn verhaften und übergibt ihn der Inquisition.
In der Entstehungsgeschichte des Dramas spiegelt sich Schillers Entwicklung vom Sturm und Drang zur Frühklassik, von der Darstellung der Empörung des Titelhelden gegen die Unnatur der Ehe eines Vaters mit der Verlobten seines Sohnes und gegen die Fesseln der Konvention zum Ideendrama. Kennzeichnend für diese Entwicklung sind das Hervortreten der Gestalt des Marquis Posa und das Gewicht, das Posas Unterredung mit Philipp II. im 3. Akt erhalten hat. Hier tritt Posa als Anwalt des aufgeklärten Humanismus dem (vereinsamten) Repräsentanten des Despotismus gegenüber. Ausgehend von dem Bekenntnis, er könne kein „Fürstendiener“ sein, steigert sich Posas Plädoyer über die Schilderung der im span. Weltreich herrschenden „Ruhe eines Kirchhofs“ bis zur Forderung: „Gehn Sie Europens Königen voran. / Ein Federzug von dieser Hand, und neu / Erschaffen wird die Erde. Geben Sie / Gedankenfreiheit – (…) Stellen Sie der Menschheit / Verlornen Adel wieder her. Der Bürger / Sei wiederum, was er zuvor gewesen, / Der Krone Zweck – ihn binde keine Pflicht, / Als seiner Brüder gleich ehrwürd’ge Rechte.“ Der Kritik, Posas republikanische Ideale seien eine anachronistische Vorwegnahme, hielt Schiller in seinen 1788 veröffentlichten Briefen über Don Carlos die Auffassung des 16. Jh.s als „Morgendämmerung der Wahrheit“ entgegen: „Der Zeitpunkt, worin er (Posa) auftrat, war gerade derjenige, worin stärker als je von Menschenrechten und Gewissensfreiheit die Rede war. Die vorhergehende Reformation hatte diese Ideen zuerst in Umlauf gebracht, und die flandrischen Unruhen erhielten sie in Übung.“ Es sind dies Argumente des Historikers und Geschichtsschreibers Schiller, deren sich der Dramatiker Schiller bedient.

Schriften zur Philosophie und Poetik. Schillers Tätigkeit als Rezensent erweiterte sich ab 1791 (Kant-Studium) zu einer für die Ästhetik der Klassik grundlegenden Theoriebildung.
Über Anmut und Würde (1793) definiert Anmut als Ausdruck der „schönen Seele“ in der sinnlichen Erscheinung, Würde als Ausdruck einer im Kampf gewonnenen erhabenen Gesinnung.
Vom Erhabenen (1793) unterscheidet zwischen moralischem und ästhetischem Urteil; letzteres gründet sich auf die Einsicht in die Freiheit der sittlichen Willensentscheidung. Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen (E ab 1793, V 1795) bestand zunächst aus 10 an den Herzog Friedrich Christian von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg als Dank für dessen finanzielle Unterstützung gerichteten Briefen, erweitert zu 27 Briefen. Ausgehend von der Kritik an der Vereinzelung der menschlichen Fähigkeiten in der modernen Gesellschaft, entwickelt Schiller die Versöhnung von Geistigkeit und Sinnlichkeit, von Formtrieb und von Stofftrieb, durch den Spieltrieb („Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“). Die Abhandlung zielt auf Überwindung des von Kant postulierten Gegensatzes von Pflicht und Neigung und der hieraus abgeleiteten Unterordnung des Sinnlichen unter das Geistige.
Die poetologische Abhandlung Über naive und sentimentalische Dichtung (1795/96), entstanden unter dem Eindruck der Verbindung und Auseinandersetzung mit Goethe, unterscheidet idealtypisch zwischen zwei Grundformen: der naiven, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Natur stehenden Dichtung (Beispiele sind die klassische Antike, aber auch Goethe) und der sentimentalischen, in der das Streben nach Wiederherstellung der verloren gegangenen Einheit mit der Natur zum Ausdruck kommt, z. B. durch die Darstellung des Ideals (im Unterschied zur naiven, „möglichst vollständigen Nachahmung des Wirklichen“).

Lyrik. Die Anfänge Schillers als Lyriker sind von hochpathetischer, expressiver Begriffs- und Bildsprache geprägt (u. a. Einfluss Schubarts); seine Elegie auf den Tod eines Jünglings (aufgenommen in die Anthologie auf das Jahr 1782) machte den jungen Dichter-Arzt nach eigenem Urteil „berüchtigter als 20 Jahre Praxis“.
Ein Höhepunkt der frühklassischen Lyrik ist das Lied An die Freude (E 1785, V 1786), ein Hymnus auf die Triebkräfte Freundschaft und Liebe, welche die vereinzelten Geschöpfe untereinander und mit der allumfassenden Gottheit verbinden. Die Götter Griechenlands (1788, Zweitfassung V 1800) unterscheiden schroff zwischen der antiken und der christlichen Welt bzw. Menschheitsepoche: „Da ihr noch die schöne Welt regiertet, / An der Freude leichtem Gängelband/Glücklichere Menschenalter führtet, / Schöne Wesen aus dem Fabelland! / (…) Damals trat kein grässliches Gerippe/Vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuss/Nahm das letzte Leben von der Lippe, / (…).“
Vorherrschend wurde die philosophisch-ästhetische Gedankenlyrik; Der Künstler (E 1788, V 1789) definiert Kunst als Offenbarung der Wahrheit im Gewand der Schönheit; Der Spaziergang (1795) verbindet geschichtsphilosophische Reflexionen mit der Gestaltung konkreter erlebnismäßiger Anschauung. Seine Auffassung des Dichters als „verfeinerter Wortführer“ entwickelte Schiller 1791 in seiner vernichtenden Kritik der Gedichte Bürgers.
In enger Zusammenarbeit mit Goethe entstanden 1796 die kämpferischen Xenien, 1797 die Mehrzahl der Schiller’schen Balladen. In ihnen herrscht (vom Realisten Goethe mitunter behutsam korrigiert) dramatische Zuspitzung menschlicher Verhaltensweisen (der „Balladenalmanach“ 1798 enthält u. a. Die Kraniche des Ibykus, Der Ring des Polykrates, Der Taucher). Die stärkste Nachwirkung gewann Das Lied von der Glocke mit der Schilderung von Glück und Gefährdung des bürgerlichen Lebens.

Wallenstein. Dramen-Trilogie, E ab 1794, U 1798/99, V 1800. Voraus ging Schillers Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs, E ab 1789, V 1791–93.
Wallensteins Lager schildert in 11 Auftritten das bunt zusammengewürfelte Heer des kaiserlichen Feldherrn Albrecht Eusebius Wenzel von Wallenstein (bzw. Waldenstein), Herzog von Friedland, Sagan und Mecklenburg. Inmitten der 1634 bei Pilsen zusammengezogenen Soldaten versuchen ein Bauer und sein Sohn ihr Glück im Würfelspiel, die Marketenderin Gustel von Blasewitz und ihre Nichte werden umschwärmt, ein Kapuzinermönch wettert (im Stil des Barockpredigers Abraham a Santa Clara) gegen die Sittenlosigkeit der Soldateska und die Selbstherrlichkeit ihres Herrn: „So ein hochmütiger Nebukadnezar, / So ein Sündenvater und muffiger Ketzer. / Lässt sich nennen den Wallenstein; Ja freilich ist er uns allen ein Stein / Des Anstoßes und des Ärgernisses, / Und so lange der Kaiser diesen Friedeland / Lässt walten, wo wird nicht Fried’ im Land.“ Ohne selbst aufzutreten, erweist sich Wallenstein als das vielfach gespiegelte Zentrum des Lagers; und es „erkläret seine Verbrechen“.
Die Piccolomini spielt in der Sphäre der höheren Offiziere Wallensteins; dieser tritt lediglich im zweiten der 5 Akte in Erscheinung. Das zentrale Thema bildet die Verpflichtung gegenüber dem Feldherrn, der eigenmächtig Verhandlungen mit den gegnerischen Schweden aufgenommen hat, bzw. gegenüber dem Kaiser. Ein Festbankett soll dazu dienen, die Befehlshaber zu einer bedingungslosen Treueerklärung gegenüber Wallenstein zu veranlassen. Der junge Max Piccolomini ist in doppelter Weise an diesen gebunden: Er verehrt ihn als Friedensbringer, und er liebt Wallensteins Tochter Thekla. Sein Vater Octavio gehört insgeheim zu den Gegnern Wallensteins; in seiner Hand befinden sich die von Kaiser Ferdinand II. bereits unterzeichnete Verurteilung und Ächtung des „Verräters“ Wallenstein. Max setzt allen ihm vorgelegten Beweisen für Wallensteins Schuld das Urteil seines Herzens entgegen.
Wallensteins Tod beginnt mit der Darstellung des astrologiegläubigen Feldherrn unmittelbar vor der entscheidenden Unterredung mit dem schwed. Unterhändler Wrangel (Monolog: „Wär’s möglich? Könnt ich nicht mehr, wie ich wollte?“), in der er sich zum Bündnis entschließt. Octavio gelingt es, die Anzahl der Feinde Wallensteins in dessen unmittelbarer Umgebung zu vergrößern; mehrere Regimenter ziehen heimlich ab. Max sieht sich mit Thekla unschuldig in den „Kreis des Unglücks und Verbrechens“ gezogen und sucht den Tod in der Schlacht. Mit den ihm verbliebenen Truppen zieht Wallenstein nach Eger, wo er sich mit den Schweden vereinigen will. Seine Ermordung ist das Werk der Handlanger des Verräters Buttler, dem Octavio die Verantwortung für die Bluttat anlastet, während er den Fürstentitel erhält.
Die ungeheure Stoffmasse wird durch zwei gegenläufige Entwicklungslinien strukturiert: durch eine sinkende, so weit es sich um Wallensteins äußeren, machtpolitischen Erfolg handelt, und durch eine steigende hinsichtlich der neu sich entwickelnden Willenskraft des Helden. In der Gegenläufigkeit dieser beiden Bewegungen manifestiert sich das Problem der Handlungsfreiheit, das den gemeinsamen Bezugspunkt der einzelnen Bereiche des Bühnengeschehens bildet.
Im Prolog zur Trilogie setzt sich Schiller mit der Vergegenwärtigung eines komplexen historischen Geschehens durch das Drama auseinander, anknüpfend an die kontroverse Beurteilung Wallensteins: „Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt,/Schwankt sein Charakterbild in der Geschichte: / Doch euren Augen soll ihn jetzt die Kunst, / Auch eurem Herzen, menschlich näher bringen. / Denn jedes Äußerste führt sie, die alles / Begrenzt und bindet, zur Natur zurück, / Sie sieht den Menschen in des Lebens Drang / Und wälzt die größre Hälfte seiner Schuld / Den unglückseligen Gestirnen zu.“

Maria Stuart. Drama in 5 Akten, E ab 1799, U 1800, V 1801, Vert u. d. T. Buondelmonte (Maria Stuarda) 1834 D. M. G. Donizetti, Verf. u. a. Ö 1959.
Die nach England geflohene und hier in Gefangenschaft gehaltene schott. Königin Maria Stuart wird beschuldigt, an Mordplänen gegen Elisabeth I. beteiligt gewesen zu sein. Die Bühnenhandlung setzt mit der Überbringung des gerichtlichen Schuldspruchs ein. Zugleich gewinnt Maria in Mortimer, dem in Italien zum Katholizismus konvertierten Neffen ihres Bewachers, einen glühenden Verehrer, der sie gemeinsam mit Freunden befreien will; Maria verweist ihn an ihren ehemaligen Verlobten und jetzigen Günstling Elisabeths, Lord Leicester. In der Hoffnung, sie zu einem Gnadenakt bewegen zu können, führt Leicester Eli­sabeth mit Maria zusammen. Von der Königin verhöhnt und beleidigt, antwortet Maria ihrerseits mit Beschimpfungen; ein kurz darauf missglücktes Attentat besiegelt Marias Vernichtung. Als nach der Hinrichtung die Belastungszeugen Marias ihre Aussagen widerrufen, weist Elisabeth die Verantwortung für die Ausführung des Todesurteils von sich.
Das zentrale Thema des nur lose mit den historischen Fakten verbundenen Dramas bildet die Entfaltung der „schönen Seele“ Marias angesichts des unausweichlichen Todes, während Elisabeth in der Scheinhaftigkeit ihrer Existenz befangen bleibt. Als Sinnbild der Versöhnung zwischen Seele und Sinnlichkeit dient der im 5. Akt zelebrierte kath. Kultus (Beichte, Kommunion), ein Motiv, das im 1. Akt in Mortimers begeisterter Schilderung seines Romerlebnisses anklingt. Es ist dies ein Beispiel für die vielfältigen symmetrischen Bezüge (Begegnung zwischen den Königinnen im 3. Akt als Symmetrieachse), die den Aufbau des Trauerspiels bestimmen. Es wurde zum Musterbeispiel für den klassischen „pyramidalen Bau“ (mit der Peripetie an der „Spitze“), den Freytag in Die Technik des Dramas (1863) erläutert hat.

Wilhelm Tell. Drama in 5 Akten, E ab 1802, U, V 1804, Vert 1829 G. Rossini.
Das Bühnengeschehen gliedert sich in drei Handlungsbereiche: die Tell-Sage (mit der Wandersage der Apfelschuss-Probe), die Entstehung der Eidgenossenschaft (Rütlischwur der drei Urkantone Schwyz, Unterwalden und Uri, der Überlieferung zufolge 1307 als Erneuerung des 1291 geschlossenen „Ewigen Bundes“) und die Familien- und Liebesgeschichte um den Freiherrn Attinghausen, dessen Neffen Ulrich von Rudenz und Berta von Bruneck.
Den gemeinsamen Bezugspunkt bildet die Willkürherrschaft der nominell die Reichsrechte wahrnehmenden habsburg. Landvögte. Die Befreiung der Urkantone bzw. die Wiederherstellung ihrer Reichsunmittelbarkeit ergibt sich aus dem Zusammenspiel der drei Handlungsbereiche: Die Ermordung des Landvogts Geßler durch Tell bildet lediglich den Anstoß zur Volkserhebung (ebenso die Gefangenschaft Berta von Brunecks), deren Voraussetzungen durch die Initiatoren des Rütlischwurs geschaffen wurden (Ende 1803 stellte Schiller in einem Brief an den Berliner Intendanten August Wilhelm Iffland fest, Tell stehe „ziemlich für sich in dem Stück, seine Sache ist eine Privatsache und bleibt es, bis sie zum Schluss mit der öffentlichen Sache zusammengreift“).
Die Aufgliederung in unterschiedliche Handlungsbereiche gestattete es Schiller, ein differenziertes Gesamtbild der historisch-gesellschaftlichen Verhältnisse zu gestalten sowie unterschiedliche, ja gegensätzliche Motive und Formen des Handelns zur Darstellung zu bringen bis hin zur Konfrontation des „Tyrannenmörders“ Tell und Johann Patricidas, der seinen Onkel, den dt. König Albrecht I., aus privater Rache ermordet hat.
Als ideelles Zentrum des (unter den Nazis ab 1941 verbotenen) Freiheitsdramas ist das in der Rütli-Szene naturrechtlich begründete Widerstandsrecht gegen „Tyrannenmacht“ zu betrachten.

Sie finden hier online folgende Texte von Friedrich (von) Schiller:



Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009