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Sen, Amartya Kumar

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Lebenslauf

Geboren: 3. November 1933 in Shantiniketan, Indien

Amartya Sen wuchs in einem wohl situierten, gebildeten indischen Elternhaus auf, aber nicht abgeschottet von den sozialen Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft (wie die große Hungersnot in Indien 1943, die aber nur die untersten Schichten der Gesellschaft traf). Diese waren allerorten spürbar und weckten in Amartya Sen schon früh ein großes Interesse für Ökonomie, Ethik und politische Philosophie.
Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Kalkutta (Indien) und Cambridge (Großbritannien) und dort auch Philosophie. Er hatte Professuren für Wirtschaftswissenschaften u. a. in Stanford, Berkeley, Cambridge, Delhi, London und Oxford inne. Seit 1988 ist er – mit Ausnahme der Jahre 1998–2004 als er Oberhaupt des Trinitiy Colleges am selben Ort war – Professor der Wirtschaftswissenschaften an der Harvard University in Cambridge (Massachussetts).
1998 erhielt Amartya Sen den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für „seine grundlegenden theoretischen Beiträge zur Wohlfahrtsökonomie u. a. in Entwicklungsländern“, wie es in der Begründung des Nobelpreiskomitees heißt.


Bedeutung

Amartya Sen gehört zu den weltweit führenden Wirtschaftstheoretikern und Armutsforschern. Bahnbrechend sind seine Untersuchungen zur Entwicklungs- und Wohlfahrtsökonomie und zur Wechselwirkung von ökonomischer Freiheit, sozialen Chancen und politischer Freiheit (Demokratie).


Lehre und Gedanken

Amartya Sen ist bringt als Wirtschaftstheoretiker die Ökonomie immer wieder in Verbindung mit etwas, was ihr gemeinhin fern zu liegen scheint: mit Fragen der Ethik und der Moral. So gelingt ihm eine umfassende Auseinandersetzung mit globaler Wirtschaftspolitik, die nicht nur Aspekte der Wirtschaftswissenschaften einbezieht, sondern auch Sozial- und Politikwissenschaften und philosophischen Überlegungen Raum gibt.

Als Kernproblem der global gewordenen Gesellschaft identifiziert Sen dabei die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich, zwischen einem globalen Turbokapitalismus und zunehmender weltweiter Verelendung. Nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Nobelpreiskomitees soll Amartya Sen gesagt haben:

„Wenn die Leute hören, dass ich Ökonom bin, fragen sie mich, wie sie ihr Geld anlegen sollen. Ich sage ihnen dann, dass ich dazu keinen Rat geben kann und dass mich vielmehr die Menschen interessieren, die kein Geld haben, um es anzulegen.“

Die Armut, ihre Ursachen und ihre Bekämpfung waren Sens Hauptthemen – als Ökonom und als Ethiker. Seine 1981 erschienene Untersuchung („Poverty and Famines“) über die Ursachen und den Verlauf von Hungersnöten hat die Erforschung von Armutsphänomenen entscheidend geprägt. Entgegen der in den 1970er-Jahren weit verbreiten Auffassung, dass Hungersnöte die Folge von Nahrungsmittelknappheit seien, sieht Sen die von ihm untersuchten Hungerkatastrophen vor allem als Folge unzureichenden Zugangs zu vorhandenen Nahrungsmitteln. Als Beispiel führt er die Hungersnot in Bangladesh von 1974 an: In jenem Jahr waren pro Kopf mehr Nahrungsmittel vorhanden als in jedem anderen Jahr zwischen 1971 und 1976. Also müssen eine gerechtere Verteilung und chancengleicher Zugang zu den vorhandenen Nahrungsmittel gefördert werden und nicht der Anbau von noch mehr Nahrungsmitteln.

Seine 1996/97 vor der Weltbank gehaltenen Vorlesungen „Development as Freedom“ (auf Deutsch 1999 unter dem Titel „Ökonomie für den Menschen“ erschienen) enthalten Sens gewichtigen Beitrag zu Entwicklungspolitik und -theorie. In diesen Vorträgen entwirft er ein Konzept, in dem die Freiheit („capabilities“ = Verwirklichungschancen) die Basis des ethischen Handelns und somit das eigentliche Entwicklungsziel ist. Armut wird so als Mangel solcher Verwirklichungschancen definiert. Entwicklung ist dabei für Amartya Sen nicht wie für die meisten Ökonomen reines Wachstum (etwa des Bruttoinlandsprodukts), sondern vielmehr der Abbau von Unfreiheiten und Beschränkungen der Handlungs- und Lebensmöglichkeiten des Einzelnen.


Hauptwerke von Amartya Sen

„Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft“ (1999)
Amartya Sen: Ökonomie für den Menschen. Wege zu Gerechtigkeit und Solidarität in der Marktwirtschaft. Übers. v. Christiane Goldmann. München: dtv, 2. Aufl. 2003.

„Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt“ (2007)
Amartya Sen: Die Identitätsfalle. Warum es keinen Krieg der Kulturen gibt. Übers. v. Friedrich Griese. München: Beck, 3. Aufl. 2007.


Über Amartya Sen

Alfred Feldmann: Die Wohlfahrtsökonomie von Amartya Sen und ihr Einfluss auf die Messung von Entwicklung. Bremen: Inst. für Weltwirtschaft und Internationales Management 2000.


Quelle: Ernst Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart
Quellendatum: 2009

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