TERRA-Online

Infoblatt Lawinen


Informationen zu Lawinen - Ursachen, Arten, Schutzmaßnahmen



Abgang einer Lawine (dpa)

Lawinen stellen in Schnee- und Eisgebieten eine besondere Form der Massenbewegung dar. Weltweit gehen pro Jahr etwa eine Millionen Lawinen nieder, bei denen mehr als 200 Menschen getötet werden (die Hälfte davon allein in den dicht besiedelten Alpenregionen). Lawinen bilden ein enormes Gefahrenpotenzial für Mensch, Tier und Pflanzenwelt, da sie im Stande sind, ganze Wälder bzw. Waldschneisen zu fällen, Gebäude einzureißen oder sogar Stahlkonstruktionen zu beschädigen.


Entstehungsbedingungen

Lawinenniedergänge lassen sich mit den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht exakt voraussagen. Sie sind jedoch mittels High-Tech-Geräten relativ gut prognostizierbar (z. B. Erfassung des Zusammenhaltes der Schneedecke), so dass eine Gefahrenskala (Gefahrenstufe 1: gering bis Gefahrenstufe 5: sehr groß) bzw. das potenzielle Lawinenrisiko für das jeweilige Gebiet erstellt werden kann.
Lawinen sind von vielen Einflussfaktoren abhängig. Sie entstehen normalerweise an steilen, verschneiten und vor allem vegetationsarmen Abhängen von mindestens 30° bis 50° Neigung, können aber auch, je nach Schneebedingungen, auf Hängen von 10° Neigung auftreten.
Neben der Hangneigung spielen noch Bodenbeschaffenheit bzw. -bedeckung, Sonneneinstrahlung, Neuschneemenge, Wind sowie Temperatur eine entscheidende Rolle. Der Wind sorgt vor allem oberhalb der Baumgrenze für eine unregelmäßige Schneeablagerung. Die Temperatur beeinflusst im Wesentlichen die Schneefestigkeit, da diese bei steigenden Temperaturen abnimmt. Auswirkung hat dies besonders auf die Struktur der Schneedecke. Fallen Schneekristalle auf die Erdoberfläche, verlieren sie ihre sechseckige Gestalt. Die Sternchenstruktur zerbricht und es entstehen kompakte Körner. Herrscht dazu ein starkes Temperaturgefälle zwischen Luft und Boden, wachsen diese Körner zu becherförmigen Kristallen an, die sich säulenartig übereinander schichten. So entsteht eine gefährliche Unterlage für den darüber liegenden Schnee, da die Säulen leicht zerbrechen und so ein Schneebrett bzw. eine Lawine ausgelöst werden kann. Dem Schneedeckenaufbau kommt ebenfalls eine große Bedeutung bei der Lawinenbildung zu. Generell sind große Unterschiede in der Härte und Korngröße der Schneepartikel als potenziell kritisch zu betrachten.
Für die Beurteilung der Lawinengefahr ist nicht die gesamte Höhe einer Schneedecke ausschlaggebend, sondern die Niederschlagsintensität (d. h. Neuschneezuwachsrate pro Zeiteinheit). Es bestehen also deutliche Unterschiede zwischen Schneefallraten von 50 cm in 12 oder in 24 Stunden, da der abgelagerte Schnee seine Spannung auf die in der Schneedecke herrschenden Kräfte erhöht und somit das Gefahrenrisiko steigert.
Eine Lawine löst sich also, sobald die Schneedecke instabil wird und die Belastung größer als der Widerstand ist. Der Auslösemechanismus kann entweder spontan (d. h. ohne äußeres auslösendes Moment) oder künstlich erfolgen (z. B. durch Ski- bzw. Snowboardfahrer, mechanische Methoden oder durch Sprengung).



(Klett)


Aufbau und Beschaffenheit

Eine Lawine besteht aus drei Abschnitten: dem Anrissgebiet, der Sturzbahn sowie dem Ablagerungsgebiet. Die gesamte Verlaufsbahn einer Lawine wird als Lawinenzug bezeichnet, bei der sich die gesamte Schneedecke oder nur die obere Schneeschicht bewegen kann. Lawinen erreichen oft sehr hohe Geschwindigkeiten. Sie werden um so schneller, je größer ihre Masse, je steiler die Sturzbahn und je lockerer (geringe Dichte) der Schnee ist. So stürzen diese (je nach Typ) mit Geschwindigkeiten von 10 bis über 300 km/h ins Tal und erzeugen einen Druck bis zu 1.000 Tonnen pro Quadratmeter. Lawinen können bei einer Schneedecke von über 2 m ein Volumen von mehreren Hunderttausend Kubikmetern aufweisen und demzufolge enorme Schäden anrichten. Im Februar 1999 fegten beispielsweise 130.000 Tonnen Schnee über das Bergdorf Galtür in Tirol. 31 Menschen kamen dabei ums Leben und Tausende mussten evakuiert werden.


Lawinenarten

Es gibt eine Reihe verschiedener Lawinentypen, bei denen im Wesentlichen drei Arten unterschieden werden:
  • Trockenschneelawinen (auch Lockerschneelawinen): eine kleine Menge Schnee rutscht los und nimmt immer größere Massen mit sich; beim Abgang entsteht eine starke Druckwelle
  • Feuchtschneelawinen (auch Festschneelawinen): diese entstehen zur Zeit der Schneeschmelze und führen oft Gesteinsmaterial aus dem Untergrund mit
  • Eislawinen: treten im Bereich von Gletschern auf (Gletscherabbruch).
Zudem werden Lawinen nach der internationalen Lawinenklassifikation bzw. nach ihren äußeren Merkmalen eingeteilt. Dazu zählen u. a. Form des Anrisses, Lage der Gleitfläche, Art der Bewegung, Form der Sturzbahn oder Art des Schadens. Mit Hilfe dieser Einteilung lassen sich dann beispielsweise folgende Typen unterscheiden:
  • Schneebrettlawinen: diese brechen an einer scharf verlaufenden Kante ab und rutschen auf einer weichen Schneeschicht talabwärts; sie erreichen Geschwindigkeiten von etwa 80 km/h und ein Gewicht von einigen Tausend Tonnen
  • Staublawinen: im Verlauf ihrer Sturzbahn entwickelt sich eine Wolke mit enormer Zerstörungskraft; sie kann vom Boden gelöst auf einem Luftkissen mit Geschwindigkeiten bis zu 350 km/h als feines Schnee-Luft-Gemisch ins Tal stürzen.




Lawinenschutz (Klettarchiv)


Lawinenschutz

In den letzten Jahren hat sich der integrale Lawinenschutz bewährt. Integraler Lawinenschutz bedeutet, dass waldbauliche, planerische, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen aufeinander abgestimmt und konsequent angewendet werden, um das Schadenrisiko auf ein Minimum zu verringern.
Den besten Lawinenschutz bietet vor allem dichter, hochstämmiger Wald. Er verhindert Lawinenanrisse oder große Schneeansammlungen, so dass sich keine Gleitschichten bilden können.
Stützverbauungen werden im Anrissgebiet von Lawinen aufgestellt. Zum Einsatz kommen dabei starre Stahl- oder flexible Drahtseilkonstruktionen sowie temporäre Werke aus Holz, die zusätzlich durch Aufforstungen ergänzt werden. Diese Konstruktionen stützen die Schneedecke, bremsen oder fangen kleine Rutsche auf.
In der Sturzbahn bzw. dem Auslaufgebiet einer Lawine kommen vorwiegend Auffangdämme, Bremshöcker oder Ablenkdämme zum Einsatz, die Lawinen verzögern, stoppen und ablenken können.
Trotz aller Maßnahmen wird ein vollständiger Lawinenschutz kaum bzw. nie möglich sein. Der bewusste und systematische Umgang mit dem Risiko spielt demzufolge eine entscheidende Rolle.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Andreas Hempel
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 08.04.2012