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Infoblatt Ebbe und Flut


Entstehung, Gezeitenphasen, Auswirkungen




Das Phänomen Ebbe und Flut

An den meisten Küsten dieser Erde lässt sich täglich ein eindrucksvolles Naturschauspiel verfolgen. Regelmäßig verändert sich der Meeresspiegel zweimal am Tag. Dabei steigt das Meereswasser (Flut) bis zu einem höchsten Punkt (Hochwasser) und fällt anschließend (Ebbe) wieder bis zu einem Tiefststand (Niedrigwasser) ab. Bei diesem Phänomen handelt es sich um die sogenannten Gezeiten (Tiden), die durch das Zusammenspiel zwei verschiedener Kräfte (d. h. Flieh- und Gravitationskraft) begründet sind und sich dabei auf den Wassermantel der Erde auswirken.



(Klett)


Entstehung der Gezeiten

Die Gravitationskraft von Mond und Erde sowie die Fliehkraft (Zentrifugalkraft) der Erde bewegen das Meereswasser und sind dementsprechend Auslöser der Gezeiten. Auf der mondnahen Seite der Erde ist die Anziehungskraft des Mondes stärker als die Fliehkraft der Erde. Dadurch wird das Meerwasser zum Mond hingezogen und es entsteht ein Flutberg (Zenitflut). Die Bewegung der beiden Gestirne erfolgt um einen gemeinsamen Schwerpunkt. Demzufolge ist auf der abgekehrten Seite die Fliehkraft der Erde, die besonders in einem Karussell deutlich wird (die Fahrgäste werden durch die Drehbewegung nach außen gedrückt), größer als die Anziehungskraft des Mondes, so dass ein zweiter Wasserberg entsteht (Nadirflut). Ebbe herrscht dann in jenen Zonen, die jeweils zwischen den genannten Flutbergen liegen. Die Unterschiede des Wasserstandes zwischen aufeinander folgenden Hoch- und Niedrigwassern werden als Tidenhub bezeichnet.



Zwischen Ebbe und Flut (Falk Erler)


Gezeitenphasen

An den meisten Küsten der Welt lassen sich täglich zwei Gezeitenphasen während eines Mondtages beobachten. Ein Mondtag bezeichnet den Zeitraum, den der Mond benötigt, um zu einem festen Punkt auf seiner Umlaufbahn um die Erde zurückzukehren. Somit dauert dieser 24 Stunden und 50 Minuten. Da die Flut der Bahn des Mondes folgt, braucht sie ungefähr sechs Stunden, um ihren Höchststand zu erreichen. Über einen ebenso langen Zeitraum sinkt der Wasserstand dann wieder ab. An einigen Küsten, beispielsweise entlang des größten Teils der Antarktis, existiert lediglich ein Gezeitenwechsel pro Mondtag. Diese Abweichungen hängen von mehreren Faktoren ab, wie zum Beispiel der jeweiligen Topographie oder geographischen Breite. An den Küstenstreifen der Ostsee kann das Phänomen der Gezeiten kaum beobachtet werden, da diese keinen direkten Zugang zu den offenen Meeren besitzt.


Springtide und Nipptide

Die Schwerkraft der Sonne trägt ebenfalls zu den irdischen Gezeiten bei. Stehen Erde, Mond und Sonne in einer Linie (also bei Neu- und Vollmond), summieren sich die Anziehungskräfte und es entstehen sogenannte Springtiden oder Springfluten, wobei die Flut ihren höchsten bzw. die Ebbe ihren niedrigsten Stand erreicht. Je höher der natürliche Tidenhub eines Gebietes ausfällt, desto größer ist das Gefahrenpotential während einer Springflut. Die Bucht von Fundy Bay im nördlichen Atlantischen Ozean, mit einer Länge von 275 km und einer Breite bis zu 80 km, weist den höchsten Tidenhub der Welt auf. Durch die Trichterform der Landarme wird der ohnehin große Tidenhub in der Bucht noch verstärkt. Das Wasser kann bei einer Springflut bis zu 21 m (14 m bei normaler Flut) ansteigen. Kommt zu einer Springflut noch starker Wind hinzu, baut sich eine Sturmflut mit verheerenden Auswirkungen auf. So verursachten derartige Wellen in den Jahren 1953, 1962 und 1976 an großen Teilen der niederländischen und deutschen Nordseeküste weitläufige Überschwemmungen, die wiederum katastrophale Verwüstungen zur Folge hatten und Hunderte von Todesopfern forderten.
Die Flut fällt dagegen geringer aus, wenn Sonne, Mond und Erde in einem rechten Winkel zueinander stehen. Bedingt durch diese Stellung wirken die Anziehungskräfte von Sonne und Mond in unterschiedliche Richtungen, so dass die recht schwach ausgeprägte Nippflut bzw. Nipptide entsteht. Jeder 28-Tage-Mond-Zyklus löst somit zwei Spring- und zwei Nipptiden aus.


Auswirkungen der Gezeiten auf die Natur - Beispiele

Das temporär wasserbedeckte Land der Gezeitenküsten nennt man Watt. Das Watt ist der Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. Das Leben der Wattbewohner wird von den Gezeiten und den Mondphasen bestimmt. Es gibt z. B. Fische, die das Phänomen der Springfluten zur Fortpflanzung nutzen. In den Monaten März bis August laichen Grunionen (kleine, silbrige Meeresfische) bei Springflut in großen Schwärmen am Spülsaum der Strände Kaliforniens. Die Weibchen graben fünf Zentimeter tiefe Löcher in den Sand, legen ihre Eier dort ab, die dann von den Männchen befruchtet werden. Nach 14 Tagen schlüpfen die Jungen und werden mit der nächsten Springtide ins Meer gespült.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Andreas Hempel
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 15.04.2012
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