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Infoblatt LKW-Maut / Toll Collect


Rechtliche Grundlagen, politische und technische Hintergründe des neuen deutschen Mautsystems



Mautkontrollbrücke (Toll Collect)

Für die Benutzung von Straßen kann eine Maut (aus althochdeutsch muta: Wegzoll) erhoben werden. In jüngerer Zeit sind Mautgebühren u. a. als ein Mittel zur Lösung von Verkehrsstauproblemen und zur Eindämmung von durch den Verkehr verursachten Umweltschäden diskutiert worden. Der Grundidee nach sollen Mautgebühren sicherstellen, dass jeder Fahrer mit den Kosten konfrontiert wird, die er oder sie durch die Straßennutzung verursacht. Mautsysteme gibt es in fast allen europäischen Ländern. Das neueste System ist in Deutschland in Betrieb. Allerdings ist nur der LKW-Verkehr mautpflichtig. Da man herausgefunden hat, dass schwere LKW die Straßen wesentlich stärker verschleißen als z. B. PKW, sollen jene für die Benutzung der bundeseigenen Autobahnen bezahlen.


Warum eine deutsche LKW-Maut?

Die rechtliche Grundlage für die Einführung einer streckenbezogenen Lkw-Maut im Jahr 2003 in Deutschland ist das Gesetz zur Einführung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen mit schweren Nutzfahrzeugen. Es trat am 12. April 2002 in Kraft. Mit der Einführung der LKW-Maut soll eine verursachergerechte Anlastung der Wegekosten verfolgt werden. Ein LKW mit 40 Tonnen Achslast schädigt eine Straße etwa 60.000 mal stärker als ein PKW. Gegenüber der ehemaligen Eurovignette dient nun die tatsächlich gefahrene Strecke (und nicht ein pauschaler jährlicher Betrag) als Grundlage zur Berechnung der Maut. Die umweltpolitischen Ziele der Bundesregierung enthalten u. a. eine stärkere Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Die LKW-Maut dient also auch dazu, die Wettbewerbsbedingungen gerechter zu machen und so mehr Güter auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff zu verlagern. Die Einnahmen aus der Maut vom erwarteten rechnerischen Monatsmittel von 250 Mio. Euro sollen überwiegend für den Ausbau der Bundesfernstraßen verwendet werden. Die Gesamteinnahmen für das Jahr 2005 lagen bei 2,85 Mrd. Euro und damit knapp unter den erwarteten 3,0 Mrd. Euro. In den Jahren 2006 und 2007 erhöhten sich die Einnahmen dann aber auf 3,08 Mrd. Euro bzw. 3,3 Mrd. Euro. Zum 01. September 2007 wurde zur Entlastung der Spediteure der Steuersatz für mautpflichtige Fahrzeuge auf den EU-Mindestsatz abgesenkt. Obwohl gleichzeitig die Höhe der LKW-Maut von 12,4 Cent je Kilomter auf 13,5 Cent heraufgesetzt wurde, bleibt der finanzielle Nettoeffekt der LKW-Maut fraglich. Ab dem 01. Januar 2009 sind durchschnittlich 16,3 Cent pro Kilometer zu zahlen. Dabei wird Schadstoffarmut belohnt, Lkw der Euro-5-Norm mit drei Achsen müssen etwa 14 Cent pro Kilometer, Lkw der Euro-Klassen 0 und 1 mit vier Achsen hingegen 28,8 Cent zahlen. Die Erhöhung geht wiederum mit einer Entlastung der deutschen Spediteure um insgesamt 350 Millionen Euro einher.
Im April 2011 hat der Bundestag beschlossen, dass die LKW-Maut ab Mitte 2011 auch auf vierstreifigen Bundesstraßen erhoben wird. Durch den Ausbau der Bundesstraßen sind diese für zahlreiche LKW-Fahrer zu einer attraktiven Alternative gegenüber mautpflichtigen Autobahnen geworden.
Letztlich sollen der deutschen Industrie durch das modernste Mautsystem Europas neue Exportchancen erwachsen. Man erhofft sich zudem auch einen Innovationsschub auf anderen Feldern der Informationstechnologie.


Die deutsche LKW-Maut

Die zuständige Behörde für die Einführung und Erhebung der Maut ist das Bundesamt für Güterverkehr (BAG). Im Jahr 2002 fand eine Ausschreibung um den staatlichen Auftrag zum Aufbau eines Lkw-Mautsystems statt. Diese gewann die Firma Toll Collect, ein Firmenkonsortium von u. a. DaimlerChrysler und der deutschen Telekom. Das Mautsystem sollte im August 2003 starten. Aufgrund gravierender technischer Probleme konnte Toll Collect diesen Termin nicht einhalten. Der Start wurde auf November 2003, Februar 2004 und dann Januar 2005 verschoben. Erst seit dem 01. Januar 2006 ist das neue Mautsystem im vollem Umfang funktionstüchtig.
Das System rechnet im Unterschied zu den meisten herkömmlichen Vignetten-Systemen kilometergenau ab und ist diskriminierungsfrei. Das heißt: Ausländische und inländische Benutzer werden gleichermaßen herangezogen – und abgerechnet wird nur das, was tatsächlich gefahren worden ist.
Straßenbaumaßnahmen wie der Bau von Mautstationen entfallen. Der Verkehrsfluss wird nicht durch lange Warteschlangen an Mautstationen beeinträchtigt.


Das System

Zur Erfassung der mautpflichtig gefahrenen Strecke stehen drei verschiedene Systeme zur Verfügung. Das System setzt auf vorhandene Technologien wie dem Global Positioning System (GPS), der Mobilfunktechnologie und dem Internet.
Herzstück der automatischen Mauterfassung ist die sog. On-Board-Unit (OBU, seit 01. Januar 2006 ist die OBU 2 Standard), ein in den LKW eingebautes Gerät. Das gesamte Netz mautpflichtiger Strecken ist in der OBU gespeichert. Anhand der per Empfänger vom GPS-System erhaltenen Positionsdaten erkennt das Gerät, ob sich das Fahrzeug auf einer mautpflichtigen Strecke befindet und errechnet aus den gespeicherten Fahrzeugparametern und den tatsächlich gefahrenen Kilometern automatisch die fällige Gebühr. Durch GPS- und Mobilfunk-Ortung kann der Standort des Fahrzeuggeräts eindeutig und auf wenige Meter genau berechnet werden. An kritischen Stellen kommen zusätzliche technische Komponenten, sog. Stützbaken, zum Einsatz. Sie ermöglichen eine eindeutige Zuordnung.
Für ausländische oder nicht mit OBU ausgestattete LKW stehen 3.500 Mautstellen-Terminals in Deutschland und in den Grenzgebieten der Nachbarstaaten bereit. Die Terminals werden an Autohöfen und Tankstellen aufgestellt. Dort können die Daten der geplanten Fahrt und die Fahrzeugdaten online eingegeben werden, die Maut wird dann abgebucht. Der Fahrer erhält einen Nachweis über die bezahlte Streckenmaut.
Es ist auch möglich, diese Buchung bequem von zu Hause im Internet durchzuführen. Der Fahrer erhält dann ebenfalls einen Nachweis über die entrichtete Gebühr.
In allen Fällen wird die zu entrichtende Gebühr vom Konto des Spediteurs abgebucht. Eine Barzahlung ist nicht möglich.


Mautkontrolle

Die Einhaltung der Mautpflicht muss natürlich auch kontrolliert werden, dazu stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung:
  • Stationäre Kontrollbrücken: 300 fest installierte Kontrollbrücken kontrollieren im fließenden Verkehr die Einhaltung der Mautpflicht. Sensoren auf der Brücke ermitteln, ob es sich bei einem passierenden Fahrzeug um einen mautpflichtigen Lkw handelt. Ist dies der Fall, werden durch eine Kamera ein digitales Übersichtsbild des Fahrzeuges und mehrere digitale Bilder seines Kennzeichens aufgenommen. Gleichzeitig wird festgestellt, ob das Fahrzeug mit einem Fahrzeuggerät ausgerüstet ist. Ist das Fahrzeug nicht mit einem Fahrzeuggerät ausgerüstet, wird das Kennzeichen aus dem digitalen Bild automatisch ermittelt und mit der Liste aller manuellen Einbuchungsdaten verglichen. Durch einen Vergleich der erfassten Kontrolldaten mit den Daten des Fahrzeuggerätes bzw. der manuellen Einbuchung wird ermittelt, ob das betreffende Fahrzeug ordnungsgemäß die Maut entsprechend der Achszahl und Schadstoffklasse des Fahrzeugs für die überprüfte Strecke entrichtet hat. Falls durch die stationäre Kontrolle keine ordnungsgemäße Mautentrichtung festgestellt wird, werden die ermittelten Daten zur manuellen Überprüfung in die Kontrollzentrale übermittelt. Sobald die ordnungsgemäße Entrichtung der Mautgebühr eindeutig festgestellt wurde, werden die ermittelten Daten gelöscht. Andernfalls werden die Daten gespeichert und dem BAG für die Ahndung eines Vergehens gegen die Mautpflicht zur Verfügung gestellt.
  • Standkontrollen: Standkontrollen werden auf ausgewählten Parkplätzen in der Nähe der Kontrollbrücken von Mitarbeitern des BAG durchgeführt. Über eine drahtlose Verbindung übermittelt die Kontrollbrücke Daten von Fahrzeugen, bei denen eine ordnungsgemäße Entrichtung der Mautgebühr nicht einwandfrei festgestellt werden konnte, spätestens 10 Sekunden nach deren Durchfahrt an die Ausleitkontrolle. Diese übernimmt dann die manuelle Ausleitung der Fahrzeuge und eine genauere Überprüfung der Erfüllung der Mautpflicht. Wurde die Maut nicht entrichtet, wird von ausländischen LKW-Fahrern eine Sicherheitsleistung im Umfang des voraussichtlichen Bußgeldes erhoben.
  • Mobile Kontrollen durch Kontrollfahrzeuge: Die Standkontrollen werden durch mobile Kontrollen von 535 Mautkontrolleuren in ca. 300 Kontrollfahrzeugen des BAG unterstützt, die flexibel eingesetzt werden können. Die Besatzung des Kontrollfahrzeuges ermittelt bei vorbeifahrenden Lkw, ob eine automatische Einbuchung vorliegt und überprüft die ordnungsgemäße Angabe der Fahrzeugdaten. Außerdem ermöglicht ein im Fahrzeug installierter PC, der über Mobilfunk mit der Toll Collect Zentrale verbunden ist, die Überprüfung der manuellen Einbuchungsdaten. Stellt das BAG fest, dass die Maut nicht ordnungsgemäß entrichtet wurde, so kann es unverzüglich die Ausleitung vornehmen. Wurde die Maut nicht entrichtet, wird von ausländischen LKW-Fahrern wiederum eine Sicherheitsleistung im Umfang des voraussichtlichen Bußgeldes erhoben.
  • Betriebskontrollen: Stichprobenweise führen die Mitarbeiter des BAG in den Speditionen Betriebskontrollen durch. Bei diesen wird überprüft, ob die Maut ordnungsgemäß entrichtet wurde.



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig, Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003/2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 20.04.2011