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Europa
Infoblatt Die sozialistische Stadt
Aufbau, Struktur und Funktion der sozialistischen Stadt
Jena-Lobeda (Bricks)
Der sozialistische Stadttyp kommt ausschließlich in den (ehemaligen) sozialistischen/ kommunistischen Gesellschaften vor. Begonnen hat die Beeinflussung der Stadtentwicklung durch Partei und Staat seit der russischen Oktoberrevolution und nach dem Zweiten Weltkrieg im gesamten ehemaligen Ostblock.
Spezifische Merkmale zur Beschreibung von diesem Stadtmodell sind allerdings nicht genau zu fassen; eine exakt dem Modell des sozialistischen Städtetyps entsprechende Stadt gibt es nicht. Vielmehr existieren drei Haupttypen der sozialistischen Stadt.
Typen der sozialistischen Stadt
- Überformung bereits bestehender Städte
- Stadtneugründung
- Stadterweiterung
Der zweite Typ der sozialistischen Stadt stellt die Stadtneugründung dar. Im Zusammenhang mit großen Industriekomplexen wurden die neuen Städte nach sozialistischen Idealen erbaut. Es wurden nur wenige Städte wie z. B. Eisenhüttenstadt in der ehemaligen DDR neu gegründet.
Häufiger wurden bestehende Städte durch Großwohnsiedlungen erweitert, wie beispielsweise Berlin-Marzahn oder eine "neue" Stadt unmittelbar neben der "alten" Stadt errichtet, so wie z. B. Halle-Neustadt.
Rahmenbedingungen und Ideologie
Voraussetzung für den Um- und Neubau von Städten waren nicht nur die politischen Ideologien, sondern auch das Aussetzen des privaten Bodenpreises. Durch die Verstaatlichung von Grund und Boden gab es quasi unbeschränkte Planungsfreiheit der Behörden. Die Städte sollten letztlich als Hauptform der Ansiedlung des Menschen im Sozialismus dienen. Neben der Schaffung optimaler räumlicher Beziehungen zwischen Wohn- und Arbeitsstätten, sollte ein modernes System des Verkehrs und der technischen Infrastruktur erreicht werden. Jede sozialistische Stadt sollte ihr eigenes, unverwechselbares Antlitz erhalten. Als charakteristisch für die künftige Stadtstruktur wurde die soziale Ausgeglichenheit angesehen. Auch die Wohnstätten sollten einen städtischen Charakter aufweisen. Wesentliche Punkte waren auch die Entwicklung des öffentlichen Nahverkehrs, die Erschließung von Erholungsflächen und der Umweltschutz. Der Umsetzung dieser Vorgaben waren allerdings wirtschaftliche Grenzen gesetzt, was unter anderem an den verschiedenen Phasen des sozialistischen Städtebaus deutlich wird.
Phasen des sozialistischen Städtebaus
Die Vorgaben für den sozialistischen Städtebau wurden im Laufe der Zeit verändert und deshalb können drei wesentliche Phasen ausgemacht werden:
- die stalinzeitliche Phase (Mitte der 1930er bis Mitte der 1950er Jahre)
- die moderne sozialistische Stadt (1960er und 1970er Jahre)
- die sozialistische Stadt in den 1980er Jahren
Deshalb begann mit der zweiten Phase des sozialistischen Städtebaus ein Umdenken. Die Magistrale wurde zur wichtigen Hauptader eines leistungsfähigen Verkehrssystems. Außerdem war die Monumentalität der neuen Gebäude nicht mehr vordergründig. Der zentrale Platz besaß jedoch weiter seine propagandistische Funktion. Es wurden zunehmend Fußgängerzonen nach westlichem Vorbild errichtet. Besonders gravierend waren die Neuerungen im Wohnungsbau. Der Ausbau der Städte erfolgte mit der Errichtung einfacher und standardisierter Wohneinrichtungen in industrieller Plattenbauweise. Konzipiert wurden die Großwohnanlagen nach einem hierarchischen Prinzip. Der Mikrorayon bildete das unterste Glied der Kette. Das waren selbstständige städtebaulichen Einheiten von 8.000 - 12.000 Einwohnern mit eigenen Versorgungseinrichtungen. Mit diesen Maßnahmen sollte der massive Wohnraummangel behoben werden.
Spätestens in der dritten Phase des sozialistischen Städtebaus in den 1980er Jahren wirkten sich die wirtschaftlichen Defizite unmittelbar auf den industriellen Wohnungsbau aus. Die historischen Altstädte verfielen aufgrund von Baustoffmangel und politischem Desinteresse zusehends. Aus Kostengründen wurden bestehende Wohngebiete nachverdichtet. Im Gegensatz zum Gedanken des kollektiven Wohnens und Lebens in den Großwohnsiedlungen entwickelten sich im Umland der Städte zahlreiche Ferienhaussiedlungen. Der Bau solcher „Datschen“ (Gartenhäuschen) stellte für viele Großsiedlungsbewohner ein Stück Individualität dar.
Nach den politischen Veränderungen in Europa haben die prägenden Großwohnsiedlungen stark an Bedeutung verloren. Der Wunsch vieler Plattenbaubewohner nach individuellem Wohnen und massive Abwanderungsbewegungen nach der politischen Wende hatten zur Folge, dass viele Großwohnanlagen nun von massiven Leerständen geprägt sind, was besonders im Gebiet der ehemaligen DDR gravierend ist. Mit entsprechenden Stadtumbauprogrammen sollen diese Großwohnsiedlungen wieder aufgewertet werden. Maßnahmen hierfür sind z. B. Sanierung oder Abriss bestehender Wohneinheiten und Neugestaltung des Wohnumfeldes.
Typische Merkmale der sozialistischen Stadt
- Aussetzen des Bodenpreises, dadurch (fast) uneingeschränkte Planungsfreiheit
- prägende städtebauliche Elemente wie Magistralen, Großbauten, zentrale Plätze
- Wohnungsbau durch standardisierte und industrialisierte Plattenbauweise
- Bungalowsiedlungen im Stadt-Umlandbereich
Literatur
KARGER, A. & F. WERNER (1982): Die sozialistische Stadt. In: Geographische Rundschau 34, H. 11, 519-528.
LICHTENBERGER, E (1998): Stadtgeographie 1.- Stuttgart.
Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012