Infoblatt Offshore-Windenergie in der Nordsee


Gegenwärtiger Stand und Ausblick der Offshore-Windenergie vor der deutschen Küste

Für die Nordsee als eine der windreichsten Regionen der Erde besteht im Bereich der Offshore-Windenergie ein enormes Potenzial. Aufgrund der höheren Windgeschwindigkeiten auf See kann die Leistung der Anlagen im Vergleich zu Standorten auf Land um bis zu 70 % gesteigert werden.


Planungen vor der deutschen Küste

Die Errichtung von Offshore-Windenergieparks begann bereits 1991 mit dem Windpark Vineby vor der dänischen Küste, gefolgt von Anlagen vor Schweden und den Niederlanden. Derzeit sind im Bereich der Nordsee Offshore-Windkraftanlagen mit mehreren 100 Megawatt Leistung installiert. In Deutschland verhinderten aufwändige Genehmigungsverfahren und hohe Umweltauflagen eine frühe Teilnahme an dieser Entwicklung, doch existieren mittlerweile auch hier verschiedene Pilotanlagen. Ferner bestehen Planungen für die Installation von Windparks in der deutschen 12-Meilen-Zone sowie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) mit einer Gesamtleistung von ca. 10.000 Megawatt bis 2020 und 25.000 Megawatt bis 2030. Konkrete Pläne der Bundesregierung sehen mittlerweile die Installation von insgesamt 40 Offshore-Parks vor (30 in der Nord-, 10 in der Ostsee), die allerdings zur Gänze jenseits der Zwölf-Meilen-Zone entstehen sollen.
Im Juli 2011 lockerte die rot-grüne Landesregierung mit einem neuen 'Windenergieerlass' Bestimmungen, die bis dahin den Ausbau der Windenergie gebremst hatten.
Bis Mai 2012 sind in der deutschen AWZ vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 29 Offshore-Windpark-Projekte mit insgesamt 2.081 Windenergieanlagen (WEA) genehmigt worden, davon 26 in der Nordsee und drei in der Ostsee; zwei Anträge für die Ostsee wurden abgelehnt. Das entspricht nach Fertigstellung der Anlagen einer potenziellen Energieleistung von etwa 9 Gigawatt. Für die deutsche AWZ in Nord- und Ostsee laufen weitere Anträge für insgesamt 97 Vorhaben (80 Nordsee, 17 Ostsee).
Im Juni 2011 zögerten viele Banken bei der Kreditvergabe an Betreiber und Werften noch.
Seit der Energiewende bzw. dem Atomausstieg wird der Ausbau der Windenergie verstärkt betrieben. Anlässlich einer Novellierung des EEG wurde auch öffentlich bewusster, dass Windenergie von See teurer ist als „an Land“ erzeugte Windenergie.


Laufende Projekte

Trotz des umfangreichen planerischen Aufwands und der Vorbehalte der Bevölkerung sowie der Umweltverbände wurden seit Mitte 2009 die Anlagen für den ersten deutschen Offshore-Windpark "Alpha Ventus" in der Nordsee installiert. Ende April 2010 gingen sämtliche Anlagen des Windparks offiziell ans Netz. Die Anlagen dienen jedoch nicht kommerziellen Zwecken, sondern ausschließlich der Erforschung der Technik. Es handelt sich um zwölf Windräder mit einer Leistung von 60 Megawatt, die bis zu 50.000 Haushalte mit Strom versorgen können. Experten sehen in den Arbeiten allerdings eine Initialzündung für die kommerzielle Nutzung der Windkraft in Nord- und Ostsee und erwarten einen Boom bei Offshore-Anlagen. Insgesamt liegen derzeit (April 2010) Genehmigungen des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrografie für die Bebauung von 22 Flächen in der Nord- und weitere drei Flächen in der Ostsee vor. Entsprechend der prognostizierten Entwicklung fiel Anfang September 2009 der Startschuss für die kommerzielle Nutzung von Windenergie im Offshore-Bereich. 90 Kilometer nordwestlich von Borkum haben die Arbeiten für "Bard Offshore I" begonnen, das 80 Windkraftanlagen umfasst und mit einer Produktionsleistung von 1,6 Terawattstunden/Jahr etwa 400.000 Haushalte versorgen soll. Das Investitionsvolumen des Projekts liegt bei ca. 1,5 Mrd. Euro.
Zusätzlich ist in der Ostsee vor allem das Vorhaben für den Offshore-Windpark "Baltic I" mit 21 Windrädern und einer Gesamtleistung von 53 Megawatt vor der Küste von Fischland-Darß-Zingst sehr weit fortgeschritten.


Kritik und Vorbehalte

Einer zügigen Ausdehnung der Windparks im Offshore-Bereich steht jedoch die kritische Haltung der deutschen Küstenanrainer entgegen. So haben z. B. Vertreter der Inseln Borkum und Wangerooge bereits Klagen gegen die Windparks Riffgat (Borkum, 44 Anlagen, 14 km Entfernung zur Küste) und Nordergründe (Wangerooge, 18 Anlagen, 13 km Entfernung zur Küste) geführt, da sie negative Auswirkungen auf den Tourismus befürchten. Als Gründe werden die Verbauung des bisher unverstellten Blicks aufs Meer sowie die Gefahr von Schiffskollisionen und dadurch verursachte Ölverschmutzungen gesehen. Das Verwaltungsgericht Oldenburg wies die Klagen jedoch als unzulässig ab. Gleiches gilt für die Klagen der Berufsfischer, die um ihre Fanggründe in den betroffenen Gebieten fürchten.


Quelle: www.klett.de
Autor: Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 15.06.2012