Infoblatt Schienenverkehrswege in Deutschland


Bedeutung, Strecken, Entwicklungstendenzen

Die im 19. Jahrhundert entstandenen ersten großen Privatbahnen wurden noch im selben Jahrhundert verstaatlicht und zu Ländereisenbahnen zusammengefasst. Als Organisationsform wurde damals die staatliche Behörde gewählt, welche lange Zeit Bestand haben sollte. Im Jahre 1920 gingen die Ländereisenbahnen schließlich in der Deutschen Reichsbahn auf. Noch immer besaß die Eisenbahn eine monopolartige Stellung gegenüber anderen Transportalternativen. Nach der Teilung Deutschlands wurde das Eisenbahnwesen von der Reichsbahn in der ehemaligen DDR fortgeführt und auf westdeutscher Seite von der Deutschen Bundesbahn. Selbst nach der Einigung beider deutschen Staaten und deren Schienenverkehrswegen änderte sich zunächst an der Organisationsform wenig. Aber die Rahmenbedingungen haben sich mittlerweile grundlegend verändert. Im Zuge der technischen Entwicklung bekam der Schienenverkehr in Deutschland durch flexiblere Verkehrsträger wie Kraftfahrzeuge, Flugzeuge und sogar durch die Binnenschifffahrt massiv Konkurrenz. Der akute Handlungsbedarf und die Vorgaben der Europäischen Union zur Gleichstellung mit anderen Verkehrsträgern führten zur sog. Bahnreform, die 1993 startete. Sie hat zum Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen und den Bundeshaushalt zu entlasten.


Aufbau der Schienenverkehrswege in Deutschland

Zunächst wurden Reichs- und Bundesbahn zu einer privatrechtlichen organisierten Deutschen Bahn AG im Jahre 1994 zusammengeführt. Fünf Jahre später wurde die Deutsche Bahn AG in mehrere Einzelunternehmen aufgegliedert. Es entstanden voneinander unabhängige Unternehmen und Unternehmensbereiche:
  • Mobility - Personenverkehr (z.B. DB Bahn Regio, DB Bahn Fernverkehr, DB Arriva)
  • Logistics - Transport und Logistik (z.B. DB Schenker Logistics, DB Schenker Rail)
  • Networks - Infrastruktur und Dienstleistung (z.B. DB Netze Fahrweg, DB Netze Personenbahnhöfe, DB Netze Energie, DB Dienstleistungen)
Diese Aufspaltung soll u. a. zu mehr Wettbewerb auf den Schienenverkehrswegen führen. Der schienengebundene Personenverkehr wird nun auf zwei Ebenen der Verantwortlichkeit betreut. Dabei soll der Personenfernverkehr eine Anbindung der Ballungszentren Deutschlands untereinander und an das transeuropäische Hochgeschwindigkeitsverkehrssystem ermöglichen. Einheitliche europäische Standards und Richtlinien sollen einen verbesserten Transport von Gütern per Schiene über Staatsgrenzen hinweg ermöglichen. Zahlreiche Neu- und Ausbaustrecken waren bzw. sind notwendig, um ein transeuropäisches Hochgeschwindigkeitsnetz zu schaffen. Schwerpunkte der Investitionen waren in den vergangenen Jahren die Neubaustrecken Frankfurt - Köln (Fertigstellung 2002) und Nürnberg - Ingolstadt - München (Fertigstellung 2006) sowie die Knotenprojekte in Berlin. Weitere Neu- und Ausbaustrecken des Fernverkehrs werden im Rahmen der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit (VDE) geplant und finanziert. Die EU stellt ebenfalls finanzielle Mittel zur Verfügung, um eine Anbindung an das transeuropäische Schienennetz zu fördern.
Die Eisenbahnstrecken auf regionaler Ebene werden durch den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) betrieben. Zuständig für die Aufgaben und Ausgaben der Bahnleistungen sind die Bundesländer. Im Rahmen des regionalisierten Nahverkehrs sind bereits deutliche Verbesserungen feststellbar. Häufig wird dieser in Verkehrsverbünden organisiert, welches z. B. eine Absprache der Fahrzeiten mit anderen Verkehrsträgern ermöglicht. Im SPNV und im Bereich des Güterverkehrs hat die Deutsche Bahn AG bereits durch private Unternehmen Konkurrenz bekommen.

Doch welche Erfolge brachte die Bahnreform?
Bezüglich der Verkehrsleistung konnte von 1994 bis 2010 im Personenverkehr ein Mehrwert von 27,5 % (das entspricht 65,2 Mrd. pkm) und im Güterverkehr ein Plus von 51,8 % (107,3 Mrd. tkm) erzielt werden. Auch der Wettbewerb wurde angekurbelt, mittlerweile gibt es mehr als 340 Wettbewerbsbahnen auf dem Netz der DB. Selbst die Belastung des Bundeshaushaltes konnte im Vergleich zu 1994 real um 35 % gesenkt werden. Die unternehmerische Bilanz fällt ebenfalls positiv aus. Insgesamt kann die Bahnreform von 1993 also als großer Erfolg angesehen werden.


Neubaustrecke Köln - Frankfurt

Ein Nadelöhr im Streckennetz der Deutschen Bahn AG war die Strecke entlang des Rheins zwischen Köln - Frankfurt und Köln - Wiesbaden. Trotz der Zweigleisigkeit beiderseits des Rheins sind diese Strecken an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gekommen. Aufgrund der topographischen Lage des Rheins mit zahlreichen Kurven und den beengten Platzverhältnissen kam für die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Köln und Frankfurt nur ein Neubau mit völlig anderer Streckenführung in Frage. Diese Neubaustrecke soll die Verkehrsbeziehungen zwischen Rhein / Ruhr und Rhein / Main / Neckar erheblich verbessern und die bestehenden Strecken entlasten, welches Auswirkungen auf das gesamte Schienennetz der Bundesrepublik Deutschland hat.
Begonnen wurde das bisher größte Neubauprojekt der Deutschen Bahn im Jahr 1995 bei Frankfurt. Freigegeben wurde die Strecke für den öffentlichen Personenverkehr im August 2002 und endgültig eingebunden in den regulären Fahrplan ab dem 15. Dezember 2002. Die Strecke zwischen Köln und Frankfurt verkürzte sich von 222 km auf 177 km, während sich die Fahrzeit fast halbierte. Möglich wird das durch die Auslegung der Strecke für eine in Deutschland bis dato unerreichte Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. 30 Tunnel und 18 Brücken wurden notwendig, um die Neubaustrecke zu realisieren. Drei ICE-Bahnhöfe wurden in Siegburg, Montabaur und Limburg neu errichtet, welches eine Verbesserung der Anbindung der Region bedeutet und zu einer Stärkung des dortigen SPNV führen kann. Als zentrale Nord-Süd-Achse gewinnt dieser Neubau Bedeutung für den transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr von Amsterdam bzw. Paris über die Schweiz bis nach Italien.


Verkehrsprojekte Deutsche Einheit

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands war eine der wichtigsten Aufgaben im Rahmen der Verkehrspolitik die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur. Für die Wiederherstellung und den Neubau der wichtigsten Verbindungen zwischen den neuen und den alten Bundesländern wurden 1991 17 Verkehrsprojekte beschlossen, wobei neun Projekte für den Neu- und Ausbau der Schienenwege zugeordnet wurden.
Beispielsweise soll mit dem Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 8 „Aus- und Neubau Nürnberg - Erfurt - Halle/Leipzig - Berlin“ (514 km) die Reisezeit zwischen Berlin und München fast halbiert werden. Die Fertigstellung wird nicht vor 2030 erwartet. Für den Aufbau des transeuropäischen Fernverkehrsnetzes kommt besonders dieser künftigen Nord-Süd-Transversale von Skandinavien über Berlin - München nach Oberitalien besondere Bedeutung zu. Das Projekt Nr. 2 "Ausbau Hamburg - Büchen - Berlin" (270 km) hingegen wurde bereits 2004 abgeschlossen. Durch den Streckenausbau konnte die Fahrzeit um fast die Hälfte auf 93 Minuten verkürzt werden und schafft somit eine leistungsfähige Verbindung der beiden größten deutschen Städte. Es verbessert die Anbindung der neuen Bundesländer sowie der Länder Ost- und Südosteuropas an die Nordseehäfen.


Weitere Aus- und Neubauprojekte - Beispiele

Seit 2006 wird Berlins größter Nahverkehrsknoten umgebaut, der Bahnhof Ostkreuz. Bis 2016 sollen elf Brücken errichtet und 15 km Schienen verlegt werden, um bessere Anschlüsse, mehr Komfort und leichtere Orientierung zu bieten. Da den Bahnhof Ostkreuz S-Bahnen, Regionalzüge, ICEs und internationale Züge durchfahren, kann er nur bei laufendem Betrieb in kleinen Etappen umgebaut werden.

Ein weiteres Projektbeispiel ist die Neubaustrecke Rhein/Main - Rhein/Neckar von Frankfurt nach Mannheim, welche das Schnellstreckennetz von Köln bis nach Stuttgart vervollständigen soll und somit auch das Transeuropäische Netz erweitert. Die 2011 begonnenen Bauarbeiten an der 85 km langen Strecke sollen 2017 abgeschlossen sein.

Ein noch in der Planungsphase befindliches Projekt ist die Fehmarnbeltquerung in Schleswig-Holstein. In Zusammenarbeit mit Dänemark soll 2020/2021 die Eröffnung einer festen Verbindung über den Fehmarnbelt möglich gemacht werden. Hierzu soll u.a. auf deutscher Seite die Bahnstrecke Lübeck-Puttgarden elektrifiziert werden.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 31.05.2012