Infoblatt Schattenwirtschaft


Arten und Messung der Schattenwirtschaft sowie deren volkswirtschaftlicher Schaden

"Eine Razzia wird bei einem Busunternehmen durchgeführt. Es besteht der Verdacht auf Schwarzarbeit in großem Stil." Solche oder ähnliche Schlagzeilen begegnen dem aufmerksamen Nutzer von Nachrichtenmedien fast täglich. Schwarzarbeit – ein Begriff, der in aller Munde ist. Aber was ist eigentlich Schwarzarbeit? Zunächst verbinden die meisten Menschen mit dem Begriff rein intuitiv das Verbotene, Schlechte oder Unheilvolle. Aber wirklich genau ist der Begriff Schwarzarbeit nicht umrissen. Im Zusammenhang mit Schwarzarbeit tauchen häufig auch die Bezeichnungen Schattenwirtschaft, Untergrund-, Sekundär- oder Parallelwirtschaft, illegale Beschäftigung oder informeller Sektor auf.


Was ist Schwarzarbeit?

Ursprünglich stammt der Begriff Schwarzarbeit aus der deutschen Handwerksordnung. Schwarzarbeit liegt vor, wenn ein Handwerker eine handwerkliche Tätigkeit ausführt, ohne dafür eine Zulassung zu besitzen und ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein. Heute denkt man bei Schwarzarbeit in erster Linie an Tätigkeiten, die unter Missachtung der gesetzlichen Melde- und Anzeigepflicht gegenüber dem Finanzamt und den Sozialversicherungen erbracht werden. Welche Tätigkeiten als Schwarzarbeit eingestuft werden, regelt das "Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit" vom 6. Februar 1995. Demnach geht es um die Ausübung von Dienst- oder Werkleistungen in erheblichem Umfang ohne
  • seiner Mitteilungspflicht gegenüber Arbeits- bzw. Sozialamt nachgekommen zu sein,
  • ein Gewerbe ohne Gewerbeanmeldung oder Reisegewerbekarte auszuüben oder
  • ein Handwerk auszuüben ohne in der Handwerksrolle eingetragen zu sein.
Ein besonderes Problem ist die organisierte Schwarzarbeit, weil hier auf Kosten der Solidargemeinschaft systematische Bereicherungen stattfinden. Zur Schwarzarbeit zählen aber auch Arbeiten, von denen das Funktionieren einer Gesellschaft wesentlich abhängen kann. Diese Tätigkeiten sind positiv zu bewerten, wie Hausarbeit, ehrenamtliche Tätigkeiten oder unentgeltliche Hilfen für Nachbarn. Der Begriff Schwarzarbeit bzw. Schattenwirtschaft bezeichnet also alle Tätigkeiten, die zur gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung beitragen, jedoch nicht in der offiziellen Wirtschaftsstatistik ausgewiesen werden.


Arten der Schattenwirtschaft

Die Schattenwirtschaft kann in der Regel in die Selbstversorgungswirtschaft und die Untergrundwirtschaft untergliedert werden. Hauswirtschaftliche und gemeinwirtschaftliche Selbstversorgung werden der Selbstversorgungswirtschaft zugerechnet. Dazu gehören beispielsweise die freiwilligen Feuerwehren, Nachbarschaftshilfe, häusliche Tätigkeiten, privater Gemüse- und Obstanbau und Selbsthilfegruppen. Diese Aktivitäten sind legal und werden in der Regel nicht versteuert. Wirtschaftlicher Schaden entsteht erst dann, wenn vorgeschriebene Abgaben wie Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge nicht entrichtet werden. Dies ist z. B. der Fall, wenn im Haus eine Haushaltshilfe beschäftigt wird und diese nicht angemeldet ist. Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 90 Prozent der Beschäftigungsverhältnisse von Haushaltshilfen nicht gemeldet werden und somit illegal sind. Zur Untergrundwirtschaft werden also die Schwarzarbeit, der Schwarzhandel und sogar strafbare Handlungen wie Unterschlagungen, Erpressung, illegales Glücksspiel oder Zuhälterei gezählt. Als Schwarzhandel werden die inoffiziellen Märkte bezeichnet, für die es eigentlich offizielle Märkte gibt. Diese Form des (Schwarz-)Handels hat seine Blüte vor allem in Kriegs- und Krisenzeiten, wenn der Staat versucht, die knappen Güter über die Ausgabe von Bezugsscheinen an die Bevölkerung zu verteilen. Im Alltag kann man diese Erfahrung machen, wenn für ein begehrtes Fußballspiel oder Konzert alle Karten ausverkauft sind und Schwarzhändler versuchen, überteuerte Eintrittskarten zu veräußern.


Messung der Schattenwirtschaft und volkswirtschaftlicher Schaden

Schwarzarbeit verursacht volkswirtschaftliche Schäden, da dem Staat und den Sozialkassen Einnahmen entzogen werden. Außerdem werden legale Beschäftigungsverhältnisse gefährdet, weil Schwarzarbeit preiswerter ist. Wie groß der volkswirtschaftliche Schaden der Schwarzarbeit ist, lässt sich nur äußerst schwer abschätzen. Legale Schwarzarbeit, wie z. B. Eigenleistungen am Hausbau, können durch Befragungen ermittelt werden. Da hohe Bußgelder drohen, werden die meisten illegalen Beschäftigungsverhältnisse aber geheim gehalten und die Erfassung wird umso schwieriger. Zur Ermittlung des Umfangs von Schwarzarbeit werden direkte und indirekte Messverfahren verwendet. Indirekte Messverfahren nutzen Indikatoren wie die Bargeldnachfrage. Ein Verfahren geht davon aus, dass nach Steuererhöhungen die Bargeldnachfrage steigt, weil dann bevorzugt legale Arbeit in illegale Beschäftigung überführt wird. Transaktionen in der Schattenwirtschaft werden meist in bar abgewickelt. So kann die geschätzte Bargeldnachfrage ohne Steuererhöhung mit der tatsächlichen Nachfrage verglichen werden. Durch Umrechnung lässt sich dann auf den Anteil der Schattenwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt schließen. Gemäß solcher Messverfahren und Modellrechnungen werden die Schäden der Schwarzarbeit berechnet und geschätzt, wie viel Mehreinnahmen der Staat hätte und wie viel zusätzliche reguläre Arbeitverhältnisse möglich wären. Oft werden dabei zusätzliche Steuereinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe genannt.
Für die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und Schwarzarbeit ist seit dem 1. Januar 2004 in Deutschland die Finanzkontrolle Schwarzarbeit zuständig. Problematisch bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit sind die immensen Kosten des Fahndungsapparates und der Finanzverwaltung. Aufwand und Nutzen sollten in einem geeigneten Verhältnis stehen. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass eine Überführung illegaler Beschäftigungen in reguläre Arbeit zur Folge hätte, dass manche Aktivitäten für den Einzelnen nicht mehr möglich wären. Schließlich hat die Schwarzarbeit durchaus auch positive Effekte für den offiziellen Wirtschaftskreislauf. Wenn ein Hausherr etwa sein Dach neu decken möchte, so muss er hohe Summen für Handwerker und das Material aufbringen. Reichen die zur Verfügung stehenden Finanzmittel aber nur für das Baumaterial, so hat er die Wahl, sein Dach entweder nicht zu erneuern oder Freunde und Nachbarn zu fragen, ob diese mithelfen. Dadurch entgehen dem Staat zwar Steuereinnahmen und Sozialabgaben der möglicherweise eingesetzten Handwerker, aber der Bauherr kann wenigstens neues Baumaterial erstehen. Davon profitieren wiederum der örtliche Einzelhandel und auch der Staat durch die Einnahme von Mehrwertsteuer.


Der informelle Sektor

In den Entwicklungsländern trägt die Schwarzarbeit zu einem wesentlichen Teil den informellen Sektor. Der informelle Sektor ist der alternative Beschäftigungssektor von überwiegend marginalisierten Bevölkerungsteilen (Randgruppen), hauptsächlich in gering und mittel entwickelten Ländern. Er unterscheidet sich von den durchorganisierten und reglementierten Formen wirtschaftlicher Betätigung im formellen Sektor. Es gibt kaum formalisierte Beschäftigungsverhältnisse, was in der Praxis keinen Mindestlohn, Sozialversicherungen oder hinreichenden Arbeitsschutz bedeutet. Die meist kleinen Produktionseinheiten entziehen sich nahezu völlig der staatlichen Kontrolle. Häufig werden Familienmitglieder beschäftigt. Weitere Merkmale sind geringe oder gar nicht vorhandene Qualifikation der Arbeitskräfte, arbeitsintensive Produktion und geringer Technologie- und Kapitaleinsatz. In den Entwicklungsländern sind die häufigsten Betätigungsfelder informelle Dienstleistungen wie Schuhe putzen, Transport (z. B. mit der Rikscha) sowie Herstellung und Verkauf eigener Produkte auf örtlichen Märkten. Ein Großteil der Bevölkerung in gering entwickelten Ländern ernährt sich vollständig durch Tätigkeiten im informellen Sektor. Somit wird der Schwarzarbeit in diesen Ländern eine andere Bedeutung als in beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland beigemessen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 01.05.2012