Infoblatt Webers optimale Standortwahl
Industriestandorttheorie von Alfred Weber
Alfred Weber (1868 - 1958) erarbeitete 1909 die erste systematische Darstellung einer Industriestandorttheorie. Er ermittelt darin den optimalen Standort eines industriellen Einzelbetriebes.
Weber unterstellte dabei folgende vereinfachende Annahmen:
- Die Standorte der Rohmaterialen sind bekannt und gegeben
- Die räumliche Verteilung des Konsums ist bekannt und gegeben
- Die Arbeitskräfte sind immobil, aber unbegrenzt verfügbar
- Die Lohnhöhe ist konstant, aber räumlich differenziert
- Die Transportkosten sind einheitlich und eine Funktion von Gewicht und Entfernung
- Das wirtschaftliche, kulturelle und politische System ist homogen
1. Transportkosten
Eine zentrale Stellung in Webers Theorie der optimalen Standortwahl nehmen die Transportkosten ein. Der optimale Produktionsstandort eines Industriebetriebes ist der Ort mit den niedrigsten Transportkosten (= Transportkostenminimalpunkt). Die Transportkosten sind abhängig vom Gewicht des Ausgangsmaterials eines Produkts und des Fertigprodukts sowie von der räumlichen Verteilung des Materials und der Konsumorte.
Folgende Materialarten werden unterschieden:
- Lokalisiertes Material
Material, dessen Gewinnung an bestimmte Fundorte gebunden ist. Lokalisiertes Material wird unterschieden in Reingewichtsmaterial und Gewichtsverlustmaterial. Reingewichtsmaterialien, z. B. Edelmetalle wie Gold, gehen mit dem gesamten Gewicht in das Endprodukt ein, während Gewichtsverlustmaterialien, z. B. Kohle oder Eisenerz, nur zum Teil im Endprodukt enthalten sind. - Ubiquitäten
Materialien, deren Gewinnung nicht an bestimmte Orte gebunden ist. Ubiquitäten sind überall frei verfügbar (z. B. Luft).
MLM geteilt durch MP = Materialindex
MLM = Gewicht lokalisierten Materials
MP = Gewicht des Endproduktes
MLM + MP = Standortgewicht
In Abhängigkeit von der Art der Materialien ergeben sich für ein bestimmtes Endprodukt unterschiedliche optimale Produktionsstandorte. Wird ein Endprodukt beispielsweise aus Ubiquitäten hergestellt, ist der optimale Produktionsstandort der Konsumort, da hier die Transportkosten am geringsten sind. Wird ein Endprodukt hingegen aus Reingewichtsmaterial hergestellt, ist der optimale Produktionsstandort der Konsumort. Je größer der Gewichtsverlust der Materialien bei der Produktion desto näher liegt der Produktionsstandort am Fundort der Materialien. Ein hoher Materialindex, der sich gegen 1 bewegt, hat einen materialorientierten Standort zur Folge. Ein niedriger Materialindex, der sich gegen 0 bewegt, eine konsumorientierte Standortwahl. Vereinfachend dargestellt liegen die Fundorte der Materialien (M 1 und M 2) und die Konsumorte (K) an Eckpunkten von geometrischen Standortfiguren (Dreiecke oder Polygone).
2. Arbeitskosten
Der transportkostengünstigste Produktionsstandort eines Industriebetriebes kann aufgrund geringerer Arbeitskosten an einen anderen Standort verlegt werden. Dies ist dann der Fall, wenn die Arbeitskostenersparnis größer als der Transportkostenaufwand ist.
3. Agglomerationswirkungen
Durch die räumliche Konzentration mehrerer Betriebe an einem Standort entstehen Agglomerationsvorteile. Auch diese können zu einer Verlagerung eines Standortes führen. Eine Verlagerung erfolgt aber nur dann, wenn die durch die Agglomerationsvorteile eingesparten Kosten höher sind als die Transportkosten. Treten umgekehrt im Falle einer gemeinsamen Ansiedlung mehrerer Betriebe Kostennachteile auf, so können diese zu einer räumlichen Streuung der Betriebe führen.
Kritik
Die Kritik an Webers Theorie der optimalen Standortwahl stützt sich besonders auf die einschränkenden Annahmen in Bezug auf die Transportkosten, die Arbeitskosten und die Agglomerationswirkungen. So sind Transportkosten nicht ausschließlich vom Gewicht der Rohstoffe und des Endprodukts oder der Entfernung zum Markt abhängig. Transportkosten können bspw. abhängig sein von Frachttarifen. Frachttarife nehmen mit steigender Entfernung des Produktionsstandortes vom Konsumort ab und werden häufig nach Massen und Stückgütern unterschieden. Arbeitskräfte sind darüber hinaus nicht unbegrenzt verfügbar. Das quantitative und qualitative Arbeitskräftepotenzial beeinflusst unternehmerische Standortentscheidungen erheblich.
Zentrale Einflussgrößen unternehmerischer Standortentscheidungen werden nicht berücksichtigt. Betrachtet wird nur die Kostenseite, nicht aber die Gewinnseite. Die Aspekte Absatz und Konkurrenz werden vernachlässigt. Der optimale Produktionsstandort wird lediglich als kostenminimaler Ort, nicht aber als gewinnmaximierender Ort definiert. Darüber hinaus werden Einflussgrößen wie Infrastruktur und Umweltfaktoren nicht berücksichtigt. Trotz der Kritikpunkte dient die Theorie von Weber bei empirischen Untersuchungen oftmals als Erklärungsansatz für die Standortwahl materialorientierter, transportkostenintensiver Industriezweige, z. B. im Bergbau und seinen Verarbeitungsstufen. Die meisten Industriezweige sind aber heute relativ unempfindlich gegenüber Transportkosten, d. h. diese machen nur einen geringen Anteil am Umsatz aus und spielen daher bei der Standortwahl nur eine untergeordnete Rolle.
Literatur
BATHELT, H. & J. GLÜCKLER (2002): Wirtschaftsgeographie - Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive. Stuttgart.
SCHÄTZL, L. (1993): Wirtschaftsgeographie I. München.
Quelle: Geographie Infothek
Autor: Jutta Henke
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012
Autor: Jutta Henke
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012