Infoblatt EU-Regionalpolitik


Ziele, Grundsätze und Instrumente der EU-Regionalpolitik

Die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen den Ländern der Europäischen Union sind erheblich. Deutlich wird das Wohlstandsgefälle etwa durch regionale Einkommensunterschiede, Beschäftigungsprobleme und dem unterschiedlichen Leistungsniveau der jeweiligen Volkswirtschaft. Die Ursachen für die Einkommensunterschiede und Arbeitslosigkeit sind vielschichtig. Einzelne Gründe wie periphere Lage, niedriges Qualifikationsniveau der Bevölkerung, unzureichende infrastrukturelle Ausstattung und eine ungünstige strukturelle Ausrichtung der regionalen Wirtschaft (z. B. mit großem Gewicht auf die Landwirtschaft) spielen im Wesentlichen zusammen. Zu den strukturschwachen Regionen gehören z. B. Griechenland, Portugal, Teile von Spanien, Süditalien, Korsika und die neuen deutschen Bundesländer. Neben den relativ rückständigen Gebieten gibt es aber auch Regionen, die einst wohlhabend waren und nun immense wirtschaftliche Probleme haben. Betroffen sind vor allem Gebiete mit Industrien, die in Europa vom Niedergang gekennzeichnet sind: Kohlenbergbau, Textilindustrie, Stahlindustrie und Schiffbau. In diesem Transformationsprozess befinden sich z. B. die alten Industrieregionen in Großbritannien, Nordfrankreich, Nordspanien, Teile in Westdeutschland und die neuen Bundesländer.


Ziele und Grundsätze

Die EU-Regionalpolitik hat die Aufgabe, diese regionalen und strukturellen Defizite zu minimieren und gleichwertige Lebensverhältnisse für die Bevölkerung der EU zu schaffen. Häufig wird diese Politik auch als Struktur- oder Kohäsionspolitik bezeichnet. Im weiteren Sinne gehören ferner die Verkehrs-, Umwelt-, Bildungs- und Handelspolitik dazu. Die wichtigsten Ziele der EU-Regionalpolitik konzentrieren sich auf die Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts in der EU. Die verschiedenen regional-, struktur- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen basieren auf dem Prinzip der finanziellen Solidarität. Für den Zeitraum von 2007 - 2013 stehen insgesamt 347,41 Milliarden Euro zur Verfügung, das Gros im Topf der Strukturfonds, der Rest steht dem Kohäsionsfonds zur Verfügung. Die Fonds sind auf genau definierte Ziele ausgerichtet:
  • Ziel 1: Konvergenz - Annäherung unterentwickelter Regionen (Maßstab ist das BIP) an den EU-Durchschnitt
  • Ziel 2: Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung (die früheren Gemeinschaftsinitiativen Urban II und Equal wurden hier aufgenommen)
  • Ziel 3: Europäische territoriale Zusammenarbeit (entstanden aus der Gemeinschaftsinitiative INTERREG)
Schon gleich nach Beginn der Förderperiode 2007-2013 leitete die Europäische Kommission am 30. Mai 2007 mit der Vorlage des vierten Berichts über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt die Diskussion über die Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik nach 2013 ein. Im Oktober 2011 stellte die EU-Kommission ihre Vorschläge für die Regionalpolitik ab 2014 vor (Förderperiode 2014 – 2020). Regionalförderung und Mittelvergabe aus dem Sozialfonds sollen sich in Zukunft weniger an inhaltlichen Prioritäten sondern mehr an konkreten Zielvorgaben orientieren.


Instrumente

Für eine Vergabe von Finanzmitteln in strukturschwache Gebiete ist eine Einstufung als Fördergebiet Voraussetzung. Für eine Ausweisung als Fördergebiet wiederum müssen bestimmte Kriterien erfüllt werden, wie z. B. hohe Arbeitslosigkeit. Festgelegt werden diese Kriterien von der EU, aber die Fördergebiete selbst werden vom jeweiligen Mitgliedsland bestimmt. Werden die krisenbetroffenen Gebiete als Fördergebiet anerkannt, so können finanzielle Beihilfen beantragt werden. Damit kein Missbrauch betrieben werden kann, müssen für die beantragten Gelder bestimmte Beträge aus nationalen Mitteln stammen, was auch als Kofinanzierung bezeichnet wird. Finanzielle Beihilfen können dabei direkt oder indirekt vergeben werden. Indirekt kann einer Region durch den Ausbau der örtlichen Infrastruktur zu besseren Wettbewerbschancen verholfen werden. Dagegen werden direkte Fördermittel als Zuschüsse für Unternehmen gewährt, die aber gewissen Auflagen erfüllen müssen, z. B. dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Die Höhe der Beihilfen richtet sich nach der jeweiligen Einstufung der Region als Fördergebiet. Mit den finanziellen Mittel sollen mögliche Wettbewerbsnachteile der betroffenen Regionen ausgeglichen werden. Damit keine Wettbewerbsverzerrungen durch die Vergabe von finanziellen Anreizen auftreten, werden verstärkt Kontrollen durchgeführt.
Das Kernstück der Finanzierungen der Regionalpolitik bilden die Strukturfonds und der Kohäsionsfond, mit denen die drei Ziele und die Gemeinschaftsinitiativen finanziert werden:
  • Europäische Fonds für regionale Entwicklung (EFRE):
  • Europäische Sozialfonds (ESF):
  • Solidaritätsfonds der Europäischen Union (EUSF)
  • Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit (EVTZ)
  • Instrument für Heranführungshilfe (IPA)
  • Jaspers (Joint Assistance in Supporting Projects in European Regions), Jeremie (Joint European Resources for Micro to Medium Enterprises), Jessica (Joint European Support for Sustainable Investment in City Areas), Jasmine (Joint Action to Support Micro-finance Institutions in Europe)
  • Kohäsionsfonds
Der Kohäsionsfonds wurde 1993 mit dem Ziel installiert, wirtschaftsschwache Mitgliedsstaaten zu unterstützen und die Voraussetzungen zur Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen. Bestandteil ist beispielsweise der umfangreiche Ausbau der europäischen Verkehrsnetze.


Grenzen der EU-Regionalpolitik

Durch den Einsatz der Subventionen werden einige Branchen (Schiffbau, Kohlenindustrie etc.) teilweise dem Wettbewerb entzogen. Häufig werden Maßnahmen, die den wirtschaftlichen Niedergang und die sozialen Härten eigentlich nur abfedern sollten, zu dauerhaften konservierenden Beihilfen. Dies geht zu Lasten von zukunftsträchtigeren Branchen, denen das Geld indirekt entzogen wird. Weitere Probleme ergeben sich aus dem Zusammenspiel der EU-Regionalpolitik und nationaler Strukturpolitik. Teilweise klaffen die Leitlinien der EU-Regionalpolitik und die Vorstellungen der nationalen Regionalpolitik auseinander. Vielfach sind aber dann die Vorgaben der EU maßgeblich. Oft werden auch die Vielzahl von Finanzierungsquellen, mangelnde Transparenz und die aufwendigen Verfahren zur Fördermittelvergabe kritisiert. Erste Schritte für eine effizientere Regionalpolitik wurden bereits unternommen. Die Förderziele wurden reduziert, Verfahren gestrafft, Mittel konzentriert und Verantwortung dezentralisiert. Denn ein Grundsatz ist die Ausgestaltung der Finanzmittel als Hilfe zur Selbsthilfe vor Ort.
Erfolge der EU-Regional- und Strukturpolitik zeigen sich bereits in einigen Teilen Portugals und Irlands. Diese haben durch die Unterstützung der Gemeinschaft wirtschaftlich so aufgeholt, dass die Gebiete über die Förderschwelle hinaus gewachsen sind. Im Hinblick auf die EU-Osterweiterung gab es ebenfalls einen Fonds zur Vorbereitung auf den Beitritt. Seit dem Beitritt der Länder Ost- und Mitteleuropas gelten modifizierte Regeln und Kriterien zur Vergabe von Fördermitteln. Die Schwerpunkte der EU-Regionalpolitik werden durch den Beitritt neu ausgerichtet.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 15.06.2012