Infoblatt Alpentourismus


Bedeutung, Entwicklung und Probleme des Alpentourismus



(Butz)

Die Alpen gelten als das weltweit größte Skigebiet der Welt und als Touristenmagnet in Europa. Der Fremdenverkehr hat in den Alpen zu umfassenden struktur- und naturräumlichen Veränderungen geführt. Die Auswirkungen und Folgen werden einerseits als Segen, andererseits als Fluch für Mensch und Umwelt wahrgenommen.


Bedeutung des Tourismus im Alpenraum

Der Fremdenverkehr und die damit verbundene Freizeitwirtschaft haben für viele Alpenregionen eine zentrale Bedeutung für Einkommen und Beschäftigung. In den ländlichen und hochalpinen Gebieten ist der Tourismus gar existenziell geworden. Wo einst die Landwirtschaft die einzige Einkommensquelle war und ganze Landstriche von Abwanderungen geprägt waren, hat der Tourismus die Arbeits- und Lebensbedingungen nachhaltig gewandelt. In einer Vielzahl von Berggemeinden hat der Fremdenverkehr Wohlstand gebracht und ist gegenwärtig der wichtigste Wirtschaftszweig. Diese monotouristische Entwicklung hat jedoch zur ökonomischen Abhängigkeit geführt, wobei alternative Entwicklungsmöglichkeiten kaum Potenzial besitzen. Ergänzt von Landwirtschaft, der Nutzung als Wasserreservoir und Transitkorridor, sind die Alpen, ökonomisch betrachtet, als Freizeitraum umfunktioniert worden. In vielen Alpen-Gemeinden liegt der Anteil des Fremdenverkehrs an der wirtschaftlichen Gesamtwertschöpfung bei über 80 %. Einige Regionen sind dadurch von einer verstärkten Verstädterung gekennzeichnet, während andere Gebiete gar veröden und sich entleeren. Gründe für diese gegenläufige Entwicklung sind teilweise historisch bedingt.


Die Geschichte des Alpentourismus

Die touristische Eroberung der Alpen begann mit den erfolgreichen Erstbesteigungen einiger Alpengipfel bereits im 14. Jahrhundert. Im ausgehenden 18. Jahrhundert erreichte der Alpinismus seine erste Blütezeit durch die literarisch-wissenschaftliche Beschreibung der Besteigung des Mont Blanc. Erholung und Abenteuerlust lockten fortan zunehmend vor allem die damalige akademische und finanzielle Oberschicht an. Die Alpen galten in elitären Kreisen als Ort des Jagdvergnügens, der Erholung und Sommerfrische. Spätestens mit der Erschließung der Alpen durch Stich- und Transitbahnen verbesserte sich die Erreichbarkeit der Alpen für breite Schichten der Bevölkerung. Es wurden die ersten Bergsteigervereine gegründet und um die Jahrhundertwende wurde das Skilaufen zunehmend populärer. Zunächst blieb der Tourismus auf die wenigen gut erschlossenen Orte beschränkt.
Ab Mitte der 1950er Jahre entwickelte sich der Fremdenverkehr in den Alpen zunehmend zum Massentourismus, wobei anfangs der Sommerurlaub gegenüber dem Winterurlaub noch dominierte. Mit dem fortschreitenden Ausbau der Verkehrswege und der touristischen Infrastruktur (z. B. Skilifte, Hotels etc.) erlebten die Alpen einen bis dato unbekannten Ansturm von Touristen. Besonders der Anteil der Wintersportler stieg enorm, dies wurde vorwiegend durch die Entstehung von riesigen Wintersportzentren gefördert. Das Reisen entwickelte sich während dieser Zeit für viele Europäer vom Luxusbedürfnis zum Grundbedürfnis. Bis in die 1970er Jahre hielt das ungebremste Wachstum der touristischen Kennzahlen an, danach folgte ein Jahrzehnt der Stagnation.


Der touristische Strukturwandel seit 1980

Ab den 1980er Jahre zeigen sich die ersten Probleme mit der Stagnation bzw. auch Rückgang des Alpentourismus, denn die Angebote von Kultur und Natur reichen nicht mehr aus, um die Besucherzahlen zu halten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Es besteht der Trend zu einer immer kürzer werdenden Aufenthaltsdauer der Gäste bei gleichzeitig sinkenden Ankünften. Die Alpen als Fremdenverkehrsregion bekommen zudem Konkurrenz durch andere Ferienziele wie z. B. Süd- und Osteuropa. Das Freizeitverhalten der Menschen verändert sich, was durch eine Diversifizierung der Sportarten und Urlaubsarten deutlich wird. Außerdem altert das klassische Klientel des Bergwandertourismus. So ist die Mehrheit der Alpenreisenden über 50 Jahre. Weiterhin wirken sich die Einschnitte im deutschen Gesundheitswesen aus, hiervon wird hauptsächlich das Kurwesen berührt. Demnach ist vorwiegend der sommerliche Erholungstourismus vom Abwärtstrend betroffen.
Viele Fremdenverkehrsorte und die Tourismuspolitik reagieren auf diese Entwicklung und stellen sich auf die veränderten Ansprüche und Trends ihrer Gäste ein. Hinsichtlich der neuen Aktiv- und Trendsportarten werden die Infrastrukturen ausgebaut und neue Marketingstrategien eingesetzt. Dadurch soll das Image verbessert und die Wahrnehmung von einzelnen Alpenregionen als touristische Marke ermöglicht werden. Um diese Ziele zu erreichen werden beispielsweise Gästekarten und Skipässe eingesetzt, die ferner als Symbole der temporären regionalen Identität dienen sollen. Von den touristischen Strukturproblemen sind jedoch nicht alle Alpenregionen gleichermaßen betroffen. Besonders in den traditionell kleinbetrieblich strukturierten Fremdenverkehrsorten in Bayern, Westösterreich und Südtirol herrscht der allergrößte Handlungsbedarf und Problemdruck. Hier werden oftmals die Beherbergungsstätten noch als Zuerwerb geführt und dezentral vermarktet. Demgegenüber stehen die Feriengebiete in den französischen Alpen, die frühzeitig und konsequent ihre touristischen Angebote professionalisierten und weitgehend von einem Wirtschaftsakteur kontrolliert werden. Dem Touristen stehen hier gut ausgebaute Skiarenen mit integrierten Fun-Parks, Bars und Restaurants zur Verfügung. Kleinere Skigebiete, die diesen Erfordernissen nicht genügen und im Wettbewerb nicht bestehen können, fallen auf eine rein regionale Bedeutung zurück oder werden gar geschlossen.


Folgen des Tourismus für die Umwelt

Die Intensivierung des Tourismus im Alpenraum hat nachhaltig die Wirtschaft, Besiedlung und Kultur verändert. Aber besonders schwerwiegend sind die Auswirkungen auf den alpinen Naturraum über die Grenzen der ökologischen Belastbarkeit hinaus. Gerade weil das alpine Ökosystem hoch empfindlich ist, sind die negativen Effekte der Touristifizierung mittlerweile unübersehbar. Die Liste der ökologischen Schäden ist lang und oft haben wenige Eingriffe bereits fatale Folgen für Mensch und Umwelt. So werden beim Bau neuer Hotels, Straßen, Parkplätze und Skipisten Flächen versiegelt, Bergwälder abgeholzt und die vor Hangrutschungen schützenden Grasnarben zerstört. Mit dem steigenden Verkehr erhöhen sich die Lärm- und Abgasemissionen um ein Vielfaches. Durch die fortlaufende Erschließung, Versiegelung und Zersiedelung der Landschaften steigt außerdem die Gefahr von Überschwemmungen, Muren und Lawinen, welche die neuen und auch alten Bebauungen in Mitleidenschaft reißen können. Durch Skiraupen und Kunstschnee wird der Boden verdichtet und die Vegetationsdecke zerstört. In wärmeren und schneeärmeren Wintern wird der Einsatz von Schneekanonen zur Produktion von künstlichem Schnee zunehmend erforderlich. Dadurch erhöht sich wiederum der Wasser- und Energiebedarf. Die Ausweitung der eigentlichen Schneezeit verzögert nicht nur das Auftauen der Böden im Frühjahr, sondern auch die Tierwelt wird in ihrem natürlichen Verhalten durch die Wintersportler gestört. Letzte Ruheplätze der Natur werden durch das Heli-Skiing erschlossen. Bei dieser neuen Sportart werden die Urlauber direkt auf höhere, nur mit dem Helikopter erreichbare Gebirgsbereiche geflogen, um von dort aus ihre Abfahrt zu starten. Die negativen Auswirkungen des Wintertourismus auf das alpine Ökosystem werden besonders im Sommer offensichtlich. An manchen Orten sind die Schäden so stark, das er ein Grund für den Rückgang des Sommertourismus ist.


Schutzmaßnahmen und Lösungsansätze

Vielerorts wurde erkannt, dass die alpinen Naturräume sehr stark durch den intensiven Fremdenverkehr beeinflusst und Schritt für Schritt zerstört werden. Bereits im Jahr 1972 wurde im Alpenplan, der Teil des Landesentwicklungsprogramms Bayern war, der Schutz von weitläufigen Alpengebieten festgelegt. Hier soll die Umwelt intakt gehalten und die Interessen der ansässigen Bevölkerung und lokalen Kultur berücksichtigt werden. Durch die Vielzahl der Anrainerstaaten im Alpenraum (Deutschland, Frankreich, Italien, Lichtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Slowenien) bestehen unterschiedliche Interessen- und Gesetzeslagen. Beispielsweise konkurrieren die Alpenregionen wirtschaftlich untereinander, was die Zusammenarbeit im Bereich der Schutzmaßnahmen zusätzlich erschwert. 1995 wurde deshalb ein europäisches Übereinkommen zum Schutz der Alpen vereinbart: die Alpenkonvention. Erst 1999 ratifizierte Italien als letzter Anrainerstaat den Vertrag. Ziel ist eine Erhaltung des Naturraumes Alpen mit umweltpolitischen und raumplanerischen Mitteln auf einer grenzüberschreitenden Ebene. Allerdings ist der Erfolg der Alpenkonvention von deren konsequenten Umsetzung abhängig. Als weitere Schutzgebiete wurden und werden im Alpenraum Flächen nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie von 1992 ausgewiesen. Ziel ist ein europäisches Biotopverbundsystem.
Oft versuchen ganze Tourismusregionen gemeinsam nachhaltige Fremdenverkehrskonzepte zu entwickeln. Mögliche Maßnahmen sind die Absperrung und Rekultivierung von stark geschädigten Bereichen für eine touristische Nutzung. Ein Wandel beim Urlauber selbst kann durch gezielte Umweltbildung im Rahmen des sanften Tourismus und Hinweise auf ökologische Konzepte und entstandene Schäden erfolgen. Ferner soll die Verlegung von Skipisten an ökologisch weniger gefährliche Standorte, Einstellung des Skibetriebes ab einer bestimmten, zu niedrigen Schneehöhe und Verbot von Kunstschnee, Förderung von Bus- und Bahn verbunden mit verkehrsberuhigenden Maßnahmen und Strafen bei Missachtungen dem Schutz der Alpen dienen. Die Schaffung von Nationalparks oder Biosphärenreservaten fördern den Gedanken der Erhaltung und sind geeignete Werkzeuge um Naturbereiche zu schützen.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 26.05.2012