Infoblatt Fremdenverkehrswirtschaft


Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor



(Butz)

Unter Fremdenverkehr werden alle Erscheinungen und (Aus-)Wirkungen von Reisen durch Personen an Orte verstanden, die nicht ihr Wohn-, Arbeits- oder Versorgungsort sind. Einst wurden die Reisenden nur dem Tourismus zugeordnet, wenn sie länger als 24 Stunden an dem jeweiligen Reiseziel verweilten. Mittlerweile werden aber alle Personen, auch Tagestouristen und Geschäftsreisende, als Touristen wahrgenommen und dem Fremdenverkehrsgewerbe zugeordnet. Als eigentliche Fremdenverkehrsorte werden jedoch nur die Gemeinden und Gebiete bezeichnet, die häufig und zahlreich von Gästen aufgesucht werden. Viele dieser Orte sind auf die Touristen angewiesen. So hat sich der Tourismus in einigen Regionen Deutschlands und weltweit zum wichtigsten Wirtschaftsfaktor entwickelt. Allein im Jahr 2011 waren global 980 Millionen ausländische Touristen auf Reisen. Besonders für Regionen, die fern von Industrie- und Dienstleistungszentren liegen, kommt den Einnahmen aus dem Fremdenverkehr eine große Bedeutung zu. Vor Ort profitiert nicht nur das Gaststätten- und Beherbergungswesen von den Touristen, sondern indirekt werden auch viele Dienstleistungsbranchen (wie z. B. der Einzelhandel) unterstützt.


Tourismusarten

Zweifelsohne nimmt das Reisen in der persönlichen Werteskala der Bundesbürger einen hohen Rang ein. Eine beliebte Methode der Beschreibung von Tourismus ist die Kategorisierung der verschiedenen Reisearten. Abgegrenzt werden kann dabei nach verschiedenen Kriterien, wie beispielsweise Dauer, Ziel(-ort), Zweck, Mitreisenden und Wahl des Verkehrsmittels. Als Grundbedarf wird die jährliche Urlaubsreise angesehen und auch immer häufiger gehören Kurzreisen dazu. Die einen wollen lieber Städte besuchen, während es andere in die Berge oder an den Strand zieht. Manche setzen sich das Kennenlernen von Land und Leuten zum Ziel, andere wieder den organisierten Cluburlaub an der Küste. Einige bevorzugen den Wellness-Urlaub im All-Inclusive-Hotel, andere die Survival-Tour durch ferne Regionen. Je nach Distanz zum Wohnort wird von einer Nah-, Mittel- oder Fernreise gesprochen. Als Fortbewegungsmittel kommen alle Möglichkeiten in Frage, bevorzugt werden Auto, Flugzeug, Bahn und Fahrrad. Ob nun Single- oder Gruppenreise oder Familienurlaub, auch durch die Anzahl der Mitreisenden kann die Reiseart bestimmt werden.
Die Vielfalt der Kriterien und die unterschiedlichen Perspektiven erschweren die Einordnung der Reisearten. Von den Reiseveranstaltern werden heute zahlreiche Möglichkeiten angeboten, die beste Zeit des Jahres nach individuellen Maßstäben zu genießen. Der standardisierte Urlaub "von der Stange" verliert zunehmend an Beliebtheit, während thematische Spezialreisen (z. B. Kreuzfahrten, Sprach- und Städtereisen) und individuelle Angebote verstärkt nachgefragt werden.


Reiseziele

Als Reiseziel kommt de facto fast jeder Ort der Erde in Frage. Als beliebte Fremdenverkehrsgebiete haben sich aber einige Regionen welt- und europaweit etabliert. Diese Gebiete sind meist touristisch voll erschlossen – mit den jeweiligen Vor- und auch Nachteilen für Mensch und Umwelt vor Ort. Die beliebtesten Reiseziele liegen traditionell vorwiegend im mediterranen Raum, wie vor allem Spanien einschließlich der Balearen und Kanaren, Italien, Griechenland und die Türkei. Aber auch osteuropäische Ziele wie etwa Kroatien und Bulgarien werden stark frequentiert. In Afrika sind besonders Ägypten, Tunesien und Südafrika bei den Touristen beliebt, allerdings dämpfen die politischen und gesellschaftlichen Unruhen (der sog. arabische Frühling) aktuell die touristische Nachfrage. Einen regelrechten Boom erleben momentan Fernreiseziele. Besonders gefragt (aus eurozentrischer Sicht) sind vor allem USA, die Karibik und Südost-Asien sowie Australien. Neuseeland, Thailand, Mexiko, die Malediven und Malaysia sind besonders stark in der Nachfrage gestiegen (Stand 2012). In Deutschland konzentriert sich der Tourismus auf bestimmte Städte (z. B. Berlin, Hamburg, München, Heidelberg), die Alpen, einige Mittelgebirgsregionen und die Küstengebiete der Nord- und Ostsee.


Der Fremdenverkehr als Wirtschaftsfaktor

Die Fremdenverkehrswirtschaft zählt zu den größten Wirtschaftszweigen der Bundesrepublik. Eine 2012 veröffentlichte Studie (vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie und vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft) legt dar, dass die Tourismusbranche im Jahr 2010 rund 97 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Unter Berücksichtigung auch indirekter Effekte des Tourismus beträgt der Anteil an der wirtschaftlichen Gesamtleistung Deutschlands sogar rund 214 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass 9,7 % des Bruttoinlandsproduktes auf die Nachfrage des Tourismus zurückgeführt werden können. So haben ca. 4,9 Millionen Menschen (direkt oder indirekt) durch den Fremdenverkehr in Deutschland ein Einkommen, das sind 12 % aller Erwerbstätigen. In den Reiseverkehrsbilanzen wird zwischen den Ausgaben der Deutschen im Ausland und den Ausgaben ausländischer Gäste in der Bundesrepublik unterschieden. Die Zahlungsbilanz ist dabei traditionell in einem starken Maße unausgeglichen. Als Reiseweltmeister mit über 85 Millionen Auslandsreisen pro Jahr geben die Deutschen im Ausland etwa 59,7 Mrd. Euro aus, während die deutsche Tourismuswirtschaft allein von ausländischen Touristen ca. 36,6 Mrd. Euro einnimmt.
Ein wichtiger Anbieter touristischer Leistungen ist das Gastgewerbe. Darunter werden alle Einrichtungen des Beherbergungswesens (z. B. Hotels, Jugendherbergen, Pensionen, Campingplätze) zusammengefasst. Weiterhin zählen auch das Gaststättengewerbe sowie Kantinen und Caterer dazu. Kennzeichen dieser Wirtschaftsbereiche ist eine hohe Personalintensität. Weil Tourismus oft von der Jahreszeit abhängig ist, werden viele Mitarbeiter nur saisonal oder auf Teilzeit-Basis beschäftigt. Das inländische Gast- und Beherbergungswesen ist immer noch sehr stark geprägt durch kleine und mittlere Unternehmen. Vom Wirtschaftszweig Tourismus profitieren weiterhin die Verkehrsträger (Straße, Schiene, Flugverkehr), die Reiseveranstalter und Reisebüros, der Einzelhandel, der Freizeit- und Kulturbereich sowie weitere Teile des Dienstleistungssektors.


Der Outgoing-Tourismus

Aber nicht nur die deutschen Fremdenverkehrsgebiete bieten Arbeitsplätze in der Tourismusbranche, sondern auch durch den Outgoing-Tourismus werden viele Menschen hierzulande beschäftigt. Unter Outgoing-Tourismus werden die Reisen der Bundesbürger ins Ausland zusammengefasst. Dieser wird häufig von Reiseveranstaltern und Reisebüros sowie angeschlossenen Wirtschaftsbereichen organisiert. Der Reiseveranstalter erstellt die touristischen Produkte und verkauft diese dann über die Reisebüros. Die Grenze zwischen Reiseveranstalter und Reisebüro ist inzwischen jedoch fließend. Idealtypisch stellt der Reiseveranstalter seine Produkte aus verschiedenen Komponenten zusammen. Bei Fluggesellschaften werden Flugplätze, bei Hotels Zimmer und bei einer Incoming-Agentur (also dann im Ausland) der Bus für den Transfer vom Flughafen zum Hotel eingekauft und sinnvoll gebündelt. Weil das touristische Produkt mehr oder weniger standardisiert ist, wird dies auch als Pauschaltourismus bezeichnet. Von einer Pauschalreise wird aber erst gesprochen, wenn die verschiedenen Reiseleistungen einen erheblichen Charakter besitzen. Ein Produkt "Unterkunft und Verpflegung" (wie z. B. bei einer einfachen Hotelübernachtung) ist zwar ein pauschales Angebot, aber keine Pauschalreise. Die klassische Pauschalreise besteht aus Charterflug, Unterkunft, Verpflegung und Transfer. Vor allem hinsichtlich haftungs- und steuerrechtlicher Aspekte ist die Abgrenzung häufig umstritten.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 23.04.2012