Infoblatt Offshoring


Auswirkungen und Trends bei der Auslagerung von bestimmten Funktionen eines Unternehmens in das Ausland


Was wird unter Offshoring verstanden?

Das Wort Offshoring setzt sich aus den Bestandteilen "Offshore" (Ausland) und "Outsourcing" (Auslagern) zusammen. Das Offshoring bezeichnet eine neue Variante des schon älteren Outsourcing-Phänomens. Unternehmen (meist multinationale Konzerne) verlagern bestimmte Funktionen ins Ausland mit im Vergleich niedrigerem Lohnniveau. Dadurch soll vor allem bei den Kosten gespart werden.


Betroffene Wirtschaftszweige

Im verarbeitenden Gewerbe wird seit Jahrzehnten im Ausland gefertigt (z. B. Textilien). Die aktuelle Variante trifft nun aber auch den Dienstleistungssektor. Im Wesentlichen sind drei Branchen betroffen. Dazu gehören die IT-Dienstleistungen, insbesondere Programmierung und Codierung. Weiterhin sind Transaktionsabwicklungen betroffen, die viele Firmen schon heute nicht mehr selbst betreiben, wie beispielsweise die Buchhaltung und andere Finanzdienstleistungen. Als dritte Branche schließlich die Call-Center. Hiervon ist überwiegend der angelsächsische Raum betroffen. Ruft z. B. ein Kunde das Call-Center eines Unternehmens in den USA an, so wird er immer häufiger mit einem Call-Center verbunden, welches in Indien liegt. Gut ausgebildete und englischsprachige Mitarbeiter in Indien machen diese Verlagerungen möglich.
Ein Trugschluss ist aber, dass deutsche Telefonistenstellen immun gegen diesen Trend seien. In Polen und Tschechien gibt es auch deutschsprachige potenzielle Mitarbeiter, die für einen deutlich geringeren Lohn arbeiten. So wandert die Buchhaltung nach Prag, das Call-Center gen Polen. Der Trend zum Offshoring wird maßgeblich durch die drastisch gesunkenen Telefontarife und hervorragenden Fremdsprachenkenntnisse im Ausland begünstigt. Unternehmen aus Ländern (z. B. Frankreich, Spanien, Großbritannien) mit ehemaligen Kolonien können aufgrund der fehlenden Sprachbarriere die Jobs noch einfacher verlagern. Unterstützt wird die Entwicklung aber auch durch die Osterweiterung der EU im Mai 2004, die eine vermehrte Arbeitsteilung über Grenzen hinweg begünstigt. Dieser Export von Arbeitsplätzen weckt Ängste bei den betroffenen Arbeitnehmern.


Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt

Das Offshoring lässt natürlich Auswirkungen auf dem inländischen Arbeitsmarkt erkennen. Schätzungen gehen davon aus, dass in den USA ungefähr drei Prozent der Dienstleistungsjobs bis 2010 "offshorable" sind. Das klingt zunächst wenig, aber es handelt sich trotzdem um mehr als fünf Millionen Stellen, die verlagert werden könnten. Vor allem die personalintensiven sog. "Weiße-Kragen-Jobs" von Ingenieuren, Beratern oder Programmierern sind von den Verlagerungen betroffen. Befürworter meinen, dass durch das Offshoring Ersparnisse und damit Kostenvorteile für inländische Unternehmen erzeugt werden. Dadurch können weitere Arbeitsplätze auch im Inland entstehen oder zumindest erhalten werden. Außerdem steigt die Nachfrage nach hochwertigen Investitionsgütern der Herkunftsländer, wenn die Jobs ins Ausland verlagert werden. Wenn in Indien z. B. ein Call-Center eines US-Unternehmens entsteht, dann wird meist amerikanische Technik verwendet. Kritiker erwidern allerdings, dass international tätige Unternehmen die benötigte Technik vor allem dort einkaufen, wo diese am preiswertesten produziert wird. Somit führen die in das Ausland verlagerten Arbeitsplätze nicht zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage nach hochwertigen inländischen Gütern. Die Befürworter betrachten den unflexiblen Arbeitsmarkt in der Bundesrepublik Deutschland als ein weiteres Problem. Starre Lohnvorgaben oder rigider Kündigungsschutz verhindern, dass durch Offshoring arbeitslos Gewordene schnell wieder einen Job finden können. Offshoring wird also sowohl als Chance als auch als Bedrohung wahrgenommen.


Chancen und Risiken für Unternehmen

Nicht jede Service-Tätigkeit kann ins preiswertere Ausland verlagert werden. Lediglich bestimmte Unternehmensfunktionen eignen sich hierfür. Oftmals gibt es auch übertriebene Erwartungen und die anvisierten Ziele werden nicht erreicht. Außerdem sollte die Zusammenarbeit auf Dauer angelegt sein, denn erst nach einer Anlaufphase von ca. einem halben Jahr werden die Vorteile spürbar. Als problematisch haben sich in einigen Fällen die Sprachkenntnisse und die hohe Fluktuation von Mitarbeitern bei den Drittunternehmen erwiesen. Deshalb ist es manchmal besser, wenn die Funktionen ins Ausland verlagert werden, aber innerhalb der eigenen Firma verbleiben. Die Frage ist zudem, wie lange der Kostenvorteil der Offshore-Standorte erhalten bleibt. Fachleuten bewerten die Kostenunterschiede als mittelfristig stabil. Selbst wenn sich die Kosten in Indien für einen Programmierer in den nächsten zehn Jahren verdreifachen würden, so wäre das Niveau noch immer unter dem ohnehin schon günstigen Osteuropa. Zusätzlich entstehen neue, noch kostengünstigere Standorte beispielsweise in China. Das Offshoring bietet aber nicht nur eine Perspektive für multinationale Konzerne, sondern auch der Mittelstand kann durchaus von den Leistungen bereits erfahrener Offshore-Unternehmen profitieren. So kann dem Kunden eines mittelständischen Unternehmens etwa eine preiswerte 24-Stunden-Hotline angeboten werden.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 16.05.2012