Infoblatt Entwicklungsstufen der Unternehmensorganisation


Überblick über die verschiedenen Entwicklungsstufen und Wachstumsphasen eines Unternehmens

Ein Unternehmen ist eine rechtlich und organisatorisch selbstständige Wirtschaftseinheit. Hier werden die Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit in einem marktwirtschaftlichen System zusammengefasst. In einem Unternehmen können mehrere Betriebe integriert sein. Bei einem Betrieb handelt es sich in der Regel um eine reine Produktionsstätte, die Sachgüter oder Dienstleistungen erstellt, wie beispielsweise ein Gebäude mit Maschinen. Kommt zu diesem Betrieb auch noch eine Rechtsform (z. B. GmbH, AG etc.) und das zugehörige Kapital in Form von Betriebsmitteln, Gebäuden, Geld, Aktien etc. hinzu, so ist es ein Unternehmen. Als selbstständige Wirtschaftseinheit sind Unternehmen aber nicht örtlich gebunden. So können die jeweiligen wirtschaftlichen Aktivitäten auf mehrere Betriebe aufgespalten werden. Oftmals befinden sich die Betriebe an unterschiedlichen Standorten. Viele Unternehmen trennen beispielsweise Produktion und Verwaltung voneinander.


Entwicklungsstufen

Mit dem Wachstum eines Unternehmens verändert sich mit der Zeit auch die unternehmensinterne Organisation. Ein vereinfachtes Modell unterscheidet hierbei in drei Entwicklungsstufen, die durch eine steigende Komplexität und eine zunehmende Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Entwicklungsebenen gekennzeichnet sind:
  • Ein-Produkt-Ein-Betriebs-Unternehmen
  • Ein-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen
  • Mehr-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen
Die erste Stufe ist das Ein-Produkt-Ein-Betriebs-Unternehmen. Diese Form ist charakteristisch für Neugründungen. Die Leistungsstruktur ist sehr einfach und meist an eine oder wenige Personen gebunden. Es gibt keine klare Trennung zwischen strategischer, administrativer und operativer Leistungsebene. Durch zunehmende Unternehmensgröße und räumliche Expansion entsteht das Ein-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen. Die unternehmensinterne Arbeitsteilung wird verfeinert. Es gibt eigenständige Abteilungen mit dezentralen Leitungsfunktionen für die jeweiligen Funktionsbereiche wie z. B. Produktion, Marketing und Forschung. Außerdem gibt es ein höheres Maß an zentraler Kontrolle, die in einer übergeordneten Entscheidungsebene einer Unternehmenszentrale (engl.: headquarter) angesiedelt ist. In der dritten Entwicklungsphase entsteht durch Diversifikation (vielfältige Ausrichtung der Produktpalette) das Mehr-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen. Anstelle funktionaler Abteilungen (z. B. Produktion, Marketing, Forschung) gibt es dann produktspezifische Geschäftsfelder. Beispielsweise hat der Chemiekonzern Bayer AG seine Geschäftsfelder auf Bayer HealthCare (Medizin), Bayer CropScience (Pflanzenschutz) und Bayer MaterialScience (Materialforschung für Polymere) ausgerichtet. Oftmals entwickelt sich eine dreistufige Hierarchie der Leistungsstufen. Auf der unteren Ebene wird die operative Leistungsfunktion in den einzelnen Geschäftsfeldern wahrgenommen. Koordinierende und administrative Funktionen werden auf der mittleren Ebene installiert. Auf der obersten Entscheidungsebene werden alle Entscheidungen getroffen, die das Gesamtsystem betreffen. Außerdem werden die strategischen Unternehmensziele vorgegeben und überwacht. Mit der Unternehmensexpansion verändert sich nicht nur die Organisation der Wirtschaftseinheiten, sondern auch die Unternehmensstrategie. Durch die Wahl der Strategie versucht ein Unternehmen seine erreichten Vorteile auszuweiten und seine Macht zu vergrößern.


Entwicklungs- und Wachstumsphasen im Raum

In einem idealisierten Modell der Unternehmensexpansion und Raumdurchdringung gibt es die besagten Entwicklungs- und Wachstumsphasen von einem regionalen Ein-Betriebs- zu einem multiregionalen Mehrbetriebsunternehmen. Durch die Neugründung erfolgt der Markteintritt eines Unternehmens. In der Regel handelt es sich um ein Einbetriebsunternehmen als Stammbetrieb mit eigener Produktentwicklung. Die Absatzmärkte beschränken sich meist auf den regionalen Wirtschaftsraum. Außerdem bestehen eventuell schon hilfreiche Netzwerke und die Spielregeln des regionalen Wirtschaftsmilieus sind bekannt. Bei der ersten Wachstumsphase erfolgt eine Marktdurchdringung. Ein nationales Vertriebsnetz wird errichtet. Zur Überwindung von Produktionsengpässen werden am alten Standort gegebenenfalls auch (mehrere) Zweigwerke gegründet. Die Phase der Marktausweitung ist durch die Erweiterung der Produktion (Massenproduktion) und durch eine Verdichtung des Verkaufsnetzes im Inland gekennzeichnet. Zunehmend wird mit einem internationalen Vertrieb und Export der Produkte begonnen, da die heimischen Absatzmärkte verstärkt gesättigt sind. Zunächst erfolgt diese Form der Marktausweitung in Zusammenarbeit mit Verkaufsorganisationen im Ausland. Ausländische Firmen werden als externe Verkaufsagenturen zwischengeschaltet. Um weitere Marktanteile zu gewinnen, beginnen die Unternehmen in der nächsten Stufe mit der Produktionsausweitung im Inland (z. B. Montage importierter Teile) und Errichtung eigener Verkaufsniederlassungen. Weiteres Wachstum des Unternehmens erfolgt durch den Aufbau eigener Produktionsstätten im Ausland, welches die nächste Phase kennzeichnet. Zunächst konzentriert sich das Unternehmen auf die Industrieländer und dann zunehmend auf die Schwellenländer. Anfangs handelt es sich oft um kleinere Betriebe für die Endmontage oder schwächere Konkurrenzunternehmen werden aufgekauft, um vorhandene Vertriebswege zu nutzen. Weitere Argumente für die Auslandsinvestitionen sind Senkung der Transportkosten, Umgehung von Zöllen und Importbeschränkungen und anderen Hindernissen. So werden beispielsweise von japanischen Unternehmen Produktionsstätten in den USA oder Großbritannien gegründet. Solche Betriebe werden auch als Transplants bezeichnet.
In einer weiteren Phase der Unternehmensexpansion erfolgt eine verstärkte vertikale Integration durch Angliederung von Zuliefererbetrieben, Rohstoffproduzenten und Vermarktungsunternehmen. Die konzernbezogenen Produktfelder werden diversifiziert (vielfältiger) und oftmals wird das Unternehmen auch sektoral und regional neugegliedert. Gemeinhin wird dies auch als neue internationale Arbeitsteilung bezeichnet. Vor allem Mehr-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen können die verschiedenartigen Bedarfsstrukturen der drei Entscheidungsebenen an den jeweiligen optimalen Standorten konzentrieren. So werden die Abteilungen der Forschung dementsprechend in Regionen mit einem großen Potenzial an hochqualifizierten Arbeitskräften, Forschungseinrichtungen wie Universitäten, einer hohen kulturellen Qualität und hochwertigen Lebensbedingungen angesiedelt. Montagezweigwerke der Produktion benötigen meist Standortfaktoren wie großes Potenzial an ungelernten Arbeitskräften und geringes Lohnniveau. Die strategische Kontrolle verbleibt meistens aber am Stammsitz des Unternehmens im Ursprungsland. Die Unternehmenszentrale stellt hohe Anforderungen an flexible und qualitativ hochwertige Kommunikations- und Informationsnetze, die vorrangig in Metropolen der Industrieländer zu finden sind. Den spezifischen Standorteigenschaften entsprechende Metropolen, z. B. New York, werden deshalb von vielen Mehr-Produkt-Mehr-Betriebs-Unternehmen als Headquarter-Standort ausgewählt. Durch eine Konzentration solcher bedeutenden Unternehmen bildet sich ein weltweites System von Global-Cities (sog. Weltstädte) heraus. Vertreter dieser Sichtweise sehen in der räumlich-funktionalen Standorttrennung eine Effizienzsteigerung innerhalb des Produktionsablaufs. Kritiker meinen jedoch, dass die Bedeutung der Kostenersparnis durch die internationale Arbeitsteilung überschätzt wird. In jedem Fall wirken sich die unterschiedlichen Strategien in räumlicher Hinsicht aus, wie beispielsweise bei Standortverlagerungen.


Literatur

BATHELT, H. & J. GLÜCKLER (2002): Wirtschaftsgeographie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 25.05.2012