Infoblatt Chemische Industrie


Geschichte und wirtschaftliche Bedeutung der Chemischen Industrie



Chemiestandorte in Deutschland (Klett)

Die chemische Industrie ist ein Wirtschaftszweig des Verarbeitenden Gewerbes. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich der Wirtschaftszweig zu einer eigenständigen Industrie. Besonders in der Bundesrepublik Deutschland hat die chemische Industrie einen hohen Stellenwert, was sich durch die beträchtliche Zahl an Beschäftigten und Höhe der Umsätze ablesen lässt. So gehören BASF und Bayer nach Umsätzen zu den vier größten Chemieunternehmen weltweit. BASF führt die Rangliste sogar an (Stand 2010).


Meilensteine der Chemie - Die Geschichte der chemischen Industrie

Angefangen hat die Entwicklung zur chemischen Großindustrie durch die Entwicklung von Soda im Jahr 1771 durch Nicolas Leblanc. Das nach ihm benannte Leblanc-Verfahren ermöglichte fortan die künstliche Herstellung von Soda, welches bislang auf natürliche Weise aus Soda-Seen sowie aus der Asche (Pottasche) von Strandpflanzen gewonnen wurde. Der große Bedarf an Soda erforderte bereits im 18. Jahrhundert neue Wege der Produktion. Weitere wichtige Meilensteine der Chemie ermöglichten die Herstellung von Produkten, die uns heute im Alltag längst selbstverständlich erscheinen. In den einzelnen Sparten der chemischen Industrie waren zahllose Innovationen maßgeblich. Hier eine kleine Auswahl der chemischen Bereiche mit bedeutenden Entdeckungen bzw. Erfindungen (mit Jahreszahl):

Chemiefasern:
  • Kunstseide / Viskose (1884)
  • Nylon (1935/1940)
  • Microfasern (1980)
Farben und Lacke:
  • Indigo-Blau (1883)
  • Acrylharzlacke (1935)
  • Wasserbasis und -klarlacke (1987/1992)
Klebstoffe:
  • Phenolharze (1909)
  • UV-vernetzbare Klebstoffrohre (1970)
  • Lösungsmittelfreie Klebstoffe (1981)
Kommunikation:
  • Farbfilm (1907)
  • Solarzelle (1954)
  • Flüssigkristalle (1968)
Kunststoffe:
  • Synthetischer Kautschuk (1909)
  • Teflon (1938)
  • Styropor (1951)
Landwirtschaft:
  • Haber-Bosch-Verfahren (für Düngemittelherstellung) (1909)
  • Gentechnik im Pflanzenschutz (1980er Jahre)
  • Intelligente Dünger (Ende der 1980er Jahre)
Pharma:
  • Aspirin (1899)
  • Antibaby-Pille (1961)
  • Erster Proteasehemmer gegen AIDS (1996)
Textilhygiene:
  • Biologisch abbaubare Tenside (1960)
  • Phosphatfreies Waschmittel (1987)
  • Flüssigwaschmittel und Tabs (1987/2001)



Wirtschaftliche Bedeutung der chemischen Industrie in Deutschland

Der traditionsreiche Chemie-Standort Deutschland besteht nicht nur aus Global Playern und großen Unternehmen. Insgesamt gibt es in Deutschland rund 2.000 Chemieunternehmen, in denen ungefähr 420.000 Beschäftigte arbeiten. Der Anteil kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) mit weniger als 500 Beschäftigten liegt bei über 90 Prozent. Innerhalb des Verarbeitenden Gewerbes nimmt die chemische Industrie eine herausragende Stellung ein. Gemäß des Anteils am Umsatz des Verarbeitenden Gewerbes belegt die chemische Industrie hier den vierten Rang. Während der Anteil des Umsatzes rund 10,3 Prozent beträgt, liegt der Anteil der in der Chemie Beschäftigten nur bei ca. 7,2 Prozent. Das resultiert aus dem allgemein höheren Bedarf an Kapitalinvestitionen und einen geringeren Personalbedarf in der chemischen Industrie als bei vergleichbaren Produktionsbetrieben mit ähnlichem Umsatz. Insgesamt zeichnet sich die chemische Industrie durch einen hohen Automationsgrad, eine hohe Wertsteigerung der verarbeiteten Rohstoffe, eine sehr teure Forschung, eine aufwändige Verfahrenstechnik sowie eine große Anzahl hergestellter Produkte aus. Während die Großbetriebe vor allem die Grundchemikalien produzieren, stellen die KMU hauptsächlich die Endprodukte her. Die bundesweit höchsten Umsätze in der chemischen Industrie werden in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Rheinland-Pfalz erzielt. Der Rhein bildet quasi das Rückgrat für den chemischen Industriezweig. Ein weiteres traditionelles Zentrum der Chemie ist das Chemiedreieck Mitteldeutschland in Sachsen-Anhalt.
Die deutsche Chemieindustrie besitzt nicht nur nationale Bedeutung, immerhin gehört Deutschland hinter den USA, Japan und China zu den vier größten Chemieproduzenten der Welt (Stand 2008). Mit einem Volumen von 140 Mrd. € (2008) ist die Bundesrepublik Deutschland auch einer der größten Exporteure im Bereich chemischer Produkte. Die Hauptabnehmer sind der Konsumgüterbereich (z. B. Medikamente, Waschmittel) und Bereiche der Industrie (z. B. Automobilindustrie, Baugewerbe) und die Landwirtschaft (z. B. Dünger). Die bedeutendesten Exportmärkte deutscher Chemieprodukte sind die EU, die anderen europäischen Länder, Ostasien und die Länder der NAFTA. Im Rahmen der globalen Arbeitsteilung nahmen auch die Importe nach Deutschland zu. In den internationalen Produktionsnetzwerken arbeiten in- und ausländische Standorte Hand in Hand und sichern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebsstätten am Standort Deutschland. Die internationale Arbeitsteilung ist im chemischen Sektor besonders weit fortgeschritten. Für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit des Chemie-Standortes Deutschland haben die großen Unternehmen bereits in den 1990er Jahren mit Restrukturierungsmaßnahmen begonnen. Im Rahmen ihrer Neuausrichtung bauten sie ihr Kerngeschäfte aus und gaben Randaktivitäten ab. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen stärker auf wenige Geschäftsfelder (z. B. die Pharmabranche) spezialisiert haben.


Die chemische Industrie und die Umwelt

Ein weiterer wichtiger Aspekt der chemischen Industrie ist die Problematik der Belastungen beim Produktionsprozess durch Emissionen jeglicher Art. Im Unterschied zu anderen Industriezweigen sind die Umweltverschmutzungen nicht nur mengenmäßig höher, sondern es gibt auch eine Vielzahl emittierter Stoffe. Typische Luftschadstoffe entstehen beispielsweise bei der großtechnischen Produktion wichtiger Chemikalien wie Schwefelsäure, Chlor und Ammoniak. Auch die Abwassermengen durch die chemische Industrie sind erheblich. Seit Ende der 1970er Jahre besitzen alle großen Unternehmen der chemischen Industrie Großkläranlagen mit mechanischen, biologischen und zum Teil auch chemischen Reinigungsstufen (Abwasserreinigung). Weiterhin sind noch die hochgiftigen Schlämme aus den Kläranlagen problematisch. Deshalb tragen die Chemie-Unternehmen eine besondere Verantwortung für die Umwelt und ihre Mitarbeiter. Im Vordergrund steht hier das Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung. Mit anderen Worten die ökologischen, ökonomischen und sozialen Ziele sollen gleichrangig behandelt werden.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2005/2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.11.2011