Infoblatt Aquakultur


Bedeutung, ausgewählte Beispiele, Aquaculture Stewardship Council (ASC)



Lachsfarm (Uthoff)

Bei der Aquakultur findet eine vollständige Kontrolle der Produktion statt. Man lässt die Brut aus dem Laich ausschlüpfen und gibt sie in Becken, in denen man sie füttert oder setzt sie in künstlich angelegten Teichen aus, wo sie sich natürlich ernähren. Handelt es sich um Zuchtanlagen im Meer, spricht man auch von Marikultur. Die Zucht erstreckt sich dabei auf Seefische, Süßwasserfische, Muscheln und Schalentiere, Krustentiere sowie Algen, ferner aber auch auf Reptilien und Amphibien.

Seit den 1970er Jahren wird die Fischzucht bzw. Aquakultur forciert und zählt mittlerweile insbesondere bei Fisch zu einem wesentlichen Bestandteil, um die steigende Nachfrage zu bedienen. So stiegen die Produktionsmengen aus Aquakultur in der Binnenfischerei von 1990 8,2 Mio. t auf 35,0 Mio. t in 2009 (zum Vergleich Fischfang 1990 6,6 Mio. t; 2009 10,1 Mio. t) und in der Meeresfischerei von 1990 5,0 Mio. t auf 20,1 Mio. t in 2009 (zum Vergleich Fischfang 1990 79,3 Mio. t; 2009 79,9 Mio. t). Das Wachstum der verfügbaren Fangmenge ist somit in den vergangenen 20 Jahren zu einem großen Teil auf die Aquakultur zurückzuführen.
Einen wesentlichen Anteil an der Aquakultur haben die Entwicklungs- und Schwellenländer, die ca. 90 % der Gesamtproduktion auf sich vereinen. China nimmt hier mit etwa 32,7 Mio. t unangefochten die Spitzenposition ein, gefolgt von Indien (ca. 3,5 Mio. t) und Vietnam (ca. 2,5 Mio. t) (alle 2008). Neben zahlreichen Arbeitsplätzen, die auf diese Weise in den produzierenden Ländern entstanden sind, kann die Zucht von einheimischen Fischen in vielen Entwicklungsländern wirksamer und billiger Protein liefern als der Fang frei lebender Fische.


Beispiel Lachszucht in Norwegen

Norwegen ist laut FAO der mit Abstand größte Produzent von Zuchtlachs, in 2010 belief sich die Produktionsmenge auf 900.000 t.
Die Lachse werden auf dem Land gezüchtet und bis zu einer geringen Größe in Wannen aufgezogen. Danach gibt man sie in Netzkäfige, die zumeist in norwegischen Fjorden verankert sind. Die Fische werden sechs bis acht Monate mit Trockenfutter gefüttert, bis sie die Schlachtreife erreichen, gefangen und verarbeitet werden.
Die Lachszucht steht dabei vor verschiedenen Herausforderungen. Hohe Besatzzahlen in den Netzen bieten Parasiten und Krankheitserregern ideale Bedingungen, sodass mit Medikamenten gegengesteuert werden muss. Zusätzlich sind die die Fischfarmen umgebenden Gewässer der Verschmutzung durch Futterreste und Fischexkrementen ausgesetzt. Ferner können Zuchtlachse entkommen, wodurch sich eine Bedrohung für freilebende Lachse ergibt, da diese den mit ihnen konkurrierenden Artgenossen aus den Zuchtanlagen unterlegen sind.
Aus den oben genannten Gründen steht die Produktion von Zuchtlachs insbesondere von Seiten der Umweltverbände und -organisationen in der Kritik. Daher arbeiten die Unternehmen in Kooperation mit verschiedenen Forschungseinrichtungen beständig an der Verbesserung der Zuchtbedingungen. So lassen sich Lachse durchaus auf ökologische Art und Weise züchten. Dazu dürfen in einem Kubikmeter Wasser nur 10 kg Lachse schwimmen. Die Fische dürfen kein extra gezüchtetes Futter erhalten, sondern nur welches aus den Abfällen der Fischverarbeitung. Bei dem vom Anbauverband Naturland zertifizierten Lachs werden beispielsweise ausschließlich Bio-Getreide und Reste aus der nachhaltigen Fischerei gefüttert. Zur Bekämpfung von Parasiten, etwa der Lachslaus, werden sog. Putzerfische eingesetzt, diese befreien die Lachse von eventuell anhaftenden Schädlingen.
Vielversprechend sind außerdem isoliert arbeitende Kreislaufanlagen. Die Fische werden auf dem Festland in Bassins bis zur Schlachtreife gehalten. Das notwendige Futter wird ebenfalls in einem geschlossenen Kreislauf produziert. Die Anlagen arbeiten unabhängig vom Meer, das verbrauchte Wasser wird mit Biofiltern gereinigt. Auch verringert sich die Parasiten- und Krankheitsgefahr durch das autarke System immens, der Einsatz von Medikamenten wird minimiert. Der Nachteil besteht allerdings in sehr hohen Kosten für diese Zuchtform.


Beispiel Garnelenzucht

Die kommerziell bedeutende Aufzucht von Garnelen gelang erstmals in den 1930er Jahren und verzeichnet insbesondere seit den 1980er Jahren aufgrund einer stark steigenden Nachfrage hohe Wachstumszahlen. In etwa 50 Staaten, vor allem in Asien, produzieren heutzutage schätzungsweise 300.000 - 400.000 Betriebe ca. 3,4 Mio. t Zuchtgarnelen. Die vorrangig zum Einsatz kommenden Arten sind Western White, Black Tiger und Süßwassergarnelen.
Die notwendigen Larven werden in speziellen Stationen gezogen und danach an die Zuchtbetriebe verkauft. Hier wachsen die Tiere binnen 90 Tagen in etwa 1 m tiefen Zuchtbecken bis zur Verarbeitungsreife, d. h. zu einer Größe von 7 - 12 cm, heran. Unterschieden wird dabei zwischen der Intensität der Zucht, d. h. zwischen den Besatzzahlen der Becken. Bei intensiver Bewirtschaftung kommen auf einen Hektar Fläche über 300.000 Tiere, bei der semi-intensiven Zucht sind es 100.000 - 300.000 Tiere pro Hektar. Die geringste Besatzdichte hat die extensive Zucht.
Auch die Garnelenzucht sieht sich mit mehreren Problemen und damit einhergehend mit scharfer Kritik seitens der Umweltverbände konfrontiert. Insbesondere bei hoher Besatzdichte sind Krankheiten eine latente Gefahr für einen Totalverlust des Bestandes, sodass Herbizide, Pestizide und Medikamente eingesetzt werden müssen. Die Tiere stellen hohe Ansprüche an die Wasserqualität der Becken, die in konventionell arbeitenden Farmen mit großen Mengen Frischwasser aufrecht erhalten werden muss. Ebenso häufig ist eine zusätzliche Fütterung mit Fischmehl notwendig, um den Bestand mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Das schwerwiegendste Problem ist jedoch der enorme Flächenverbrauch bei unsachgemäßer Bewirtschaftung durch die Farmer, der häufig zu Lasten der Mangrovenwälder in den Produktionsländern geht. In einem solchen Fall ist die Lebensdauer der Garnelenfarmen auf wenige Jahre begrenzt, dann ist der Boden zu stark verseucht und die Farm muss auf neue Flächen ausweichen.
Seit Ende der 1990er hat jedoch ein Umdenken eingesetzt. Zwar bestehen die oben aufgeführten Probleme weiterhin, doch reagieren immer mehr Farmer und Produktionsländer auf die Kritik von Umweltschützern und Verbrauchern. So wird mittlerweile in speziellen Bassins Seegras angebaut, welches das Wasser der Garnelenbecken auf natürliche Weise filtert und so die Wasserqualität schützt. Ferner stellen Betriebe beispielsweise in Thailand und Bangladesch auf die Produktion von Bio-Garnelen um. Auch hier vergibt der Anbauverband Naturland neben anderen Akteuren entsprechende Zertifikate. Pro Quadratmeter bewirtschafteter Fläche dürfen nur 15 Garnelen eingesetzt werden, zusätzlich muss das Futter der Tiere nach Bio-Standards hergestellt werden, der Einsatz von Kunstdünger ist untersagt. Auch Antibiotika und Pestizide sind nach den Richtlinien verboten.


Beispiel Teichwirtschaft

Deutschland ist mit 10.500 Tonnen Fisch pro Jahr der wichtigste Karpfenproduzent in der Europäischen Union. Nur Forellen werden in der Bundesrepublik wie auch in Österreich häufiger gehalten. Karpfen sind relativ anspruchslos und lassen sich selbst in warmen, sauerstoffarmen Gewässern halten. Sie ernähren sich vorwiegend vegetarisch, ihre Nahrung wächst zum größten Teil vor Ort.
Regenbogenforellen stammen aus Nordamerika und haben die heimischen Bachforellen als Zuchtfisch fast verdrängt. Auch hier sorgen hohe Besatzmengen für gesundheitliche und Parasitenprobleme. Die Qualität der Aufzucht schwankt jedoch von Betrieb zu Betrieb. Aus hygienischen Gründen dürfen die Tiere nicht mit Schlachtabfällen gefüttert werden, das Futter stammt zumeist aus der Industriefischerei.
Auch hier ist alternativ die ökologische Zucht möglich. Vor allem Karpfen bieten sich hierfür durch ihre Anspruchslosigkeit an. Dabei muss mindestens die Hälfte ihrer Nahrung im Teich selbst wachsen, der Rest kann mit Getreide ergänzt werden – Karpfen lassen sich rein vegetarisch ernähren.
Regenbogen- und Bachforellen dürfen bei der ökologischen Teichwirtschaft nur in Naturteichen gezüchtet und ausschließlich mit Abfällen aus der Speisefischherstellung gefüttert werden. Der Teichbesatz richtet sich nach dem Sauerstoffgehalt des Gewässers, die Gewässergüte darf durch die Fäkalien nicht verschlechtert werden, dafür sorgen regelmäßige Kontrollen.


Anteil von Bio-Ware

Nach Statistiken der Stiftung Ökologie & Landbau wirtschafteten in 2009 weltweit knapp 250 Aquakulturbetriebe nach ökologischen Gesichtspunkten. Das Gros davon lag in Europa, entsprechend kamen etwa 50 % der Weltproduktion des bio-zertifizierten Fisches von hier. Der asiatische Anteil lag bei 36 %. Nach einer Naturland-Studie aus dem Jahr 2010 lagen die Verbraucherausgaben für Fisch und Krustentiere aus Aquakulturen bei 60 Mrd. Euro, der Anteil der Bioprodukte jedoch lediglich bei etwa einem Prozent.


Aquaculture Stewardship Council (ASC)

In Anlehnung an das Marine Stewardship Council (MSC) für nachhaltigen Fischfang liegt der Fokus des Aquaculture Stewardship Council (ASC) auf einer Fisch- und Meeresfrüchteproduktion aus nachhaltiger Aquakultur. Auch hier können sich Betriebe, die die vom ASC formulierten Mindestanforderungen erfüllen, mit dem entsprechenden Siegel zertifizieren lassen. Für den Verbraucher würde sich so eine eindeutige Kennzeichnung für Produkte aus einer nachhaltigen Bewirtschaftung ergeben.
Das ASC-Siegel soll gewisse ökologische und soziale Standards der Betriebe garantieren, die derzeit von Akteuren aus Zucht, Umweltschutz, Regierungen und weiteren Organisationen entwickelt werden. Mit der Einführung des Siegels wird in naher Zukunft gerechnet.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig, Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003/2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 23.08.2011