Infoblatt Dorfformen


Erläuterung der verschiedenen Dorfformen



Dorfformen

Die siedlungsgeschichtliche Forschung bezeichnet heute mit "Dorf" eine mehr oder minder geschlossene, zahlreiche Wohnstätten umschließende Siedlung. Von ihren Bewohnern und von außen wird diese als Lebens- und Wirtschaftsgemeinde empfunden. Die Beschäftigung mit den historischen Siedlungsgrundrissen von Dörfern gehört zu den traditionellen Forschungsfeldern der Geographie. Dabei wird meist die Grundrissform des Dorfes betrachtet, eine Typologisierung gebildet und die Dörfer dann gemäß ihrer Siedlungsform eingeordnet. Je nach Kulturlandschaft haben sich die unterschiedlichsten Dorfformen herausgebildet. In Mitteleuropa existieren zwei hauptsächliche Dorfformen. Einerseits gibt es die organisch gewachsenen Weiler und Haufendörfer und andererseits die auf regelhafter Grundrissplanung beruhenden Formen wie etwa die Straßen- und Angerdörfer.


Dorfformen

Einzel- und Streusiedlungen bestehen oft aus landwirtschaftlichen Hofstellen, Forsthäuser, Gasthäuser, Kleinbahnhöfe oder Mühlen. Als Streusiedlung werden Einzelsiedlungen und kleine Gruppensiedlungen bezeichnet, wenn diese als Mischung auftreten. Diese Dorfform ist in Mitteleuropa jedoch keine häufige Siedlungsform.

Weiler sind kleine ländliche Gruppensiedlungen mit wenigen oder auch mehreren Wohnstätten. Je nach Verdichtung können Weiler locker oder eng bebaut sein. Weiler sind in Mitteleuropa relative häufig zu finden, wobei die lockeren Weiler vorwiegend in Norddeutschland zu finden sind.

Haufendörfer werden meist als Endglied der Reihe Einzelhof - Weiler - Haufendorf gedeutet. Diese Dorfform kann ebenfalls locker oder geschlossen bebaut vorkommen. Der Siedlungsraum ist in der Regel nicht gleichförmig, sondern unregelmäßig und haufenartig bebaut. Haufendörfer sind in den Altsiedlungsgebieten Mitteleuropas weit verbreitet.

Platzkerndörfer und Rundlinge haben, wie der Name schon sagt, einen runden bis hufeisenförmigen Platz als geometrischen Mittelpunkt. Um diesen sind einzelne Gehöfte vieleckig oder radial gruppiert. Ursprünglich gab es meist nur eine Straßenzufahrt. Das Verbreitungsgebiet der Platzkerndörfer ist im ehemaligen deutsch-slawischen Grenzraum.

Angerdörfer sind planmäßig angelegte Platzdörfer. Die Gehöfte umschließen einen großen Platz, den Anger. Dieser kann lanzettförmig, rechteckig, dreieckig oder eine andersartige Gestalt aufweisen, ist aber meist durch die Erweiterung der Dorfstraße entstanden. Der Anger diente den Bedürfnissen der Dorfbevölkerung beispielsweise als Kommunikationsstätte, Gemeindeweide und Gerichtsplatz. Angerdörfer sind ein charakteristischer Siedlungstyp der deutschen Ostkolonisation im Mittelalter.

Straßendorf ist eine Sammelbezeichnung für lineare Grundrissformen. Bestimmt wird diese Dorfform durch innerörtliche Wege, an denen die Gehöfte und Häuser zweizeilig wie um eine Achse aufgereiht sind. Ist die zentrale Straße nur kurz und schmal, so wird auch die Bezeichnung Gassen- oder Sackgassendorf verwendet. Straßendörfer sind die häufigste Dorfform in der Bundesrepublik, treten aber vor allem in den Mittelgebirgen auf.

Zeilendörfer sind einreihige Siedlungen ohne einen Dorfinnenraum, quasi halbierte Anger- und Straßendörfer. Die Siedlung besteht lediglich aus einer Zeile, z. B. entlang eines Weges oder Gewässers. Zeilendörfer kommen nahezu ausschließlich in den Gebieten der deutschen Ostkolonisation vor.

Reihendörfer sind im Gegensatz zu den Zeilendörfern in ihrem Grundriss locker angelegt und können mitunter kilometerlang sein. Als Leitelemente dieser Ortsform dienen Deiche, Uferdämme, Kanäle und Wege, die der Dorfform dann die Bezeichnung verleihen. Waldhufensiedlungen sind beispielsweise eine typische Sieldungsform der Waldrodung. Diese Siedlungsform ist in allen deutschen Mittelgebirgen anzutreffen.

Dagegen ist das Verbreitungsgebiet der Marschhufendörfer in Nordwestdeutschland. Angelegt wurden diese Dörfer im Schutz der Deiche und Uferdämme von Seen und Flüssen. Die Moorhufendörfer entstanden als Siedlungen der Moorkultivierungen entlang von geradlinigen Wegen und Kanälen. Zu finden ist dieser Typ in den ehemaligen Moorgebieten Norddeutschlands.

Seit dem zweiten Weltkrieg haben sich die traditionellen ländlichen Siedlungsformen so stark verändert, dass diese typischen Formen häufig nicht mehr zu erkennen sind. Überprägt werden die historischen Siedlungs- und Flurformen durch Dorferneuerung und Funktionswandel. Die Landwirtschaft ist nur noch für wenige Bewohner rentabel, stattdessen dienen die Dörfer als reiner Wohnort oder für den Fremdenverkehr.


Literatur

HENKEL, G. (1995): Der Ländliche Raum.- Teubner Studienbücher, Stuttgart.
LIENAU, C. (2000): Die Siedlungen des ländlichen Raumes.- Das geographische Seminar, Westermann, Braunschweig.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2011
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.11.2011