Infoblatt Entwicklungsländer


Merkmale von Entwicklungsländern und Entwicklungstheorien



Frauen an der öffentlichen Wasserstelle (Deutsche Welthungerhilfe)

Mit dem Begriff "Entwicklungsländer" werden Staaten bezeichnet, die einen erheblichen Rückstand gegenüber den westlichen Industrienationen aufweisen. Dieser Rückstand spiegelt sich nicht nur in der wirtschaftlichen Leistungskraft, sondern auch in ihrer gesellschaftlichen Entwicklung wider. Bis heute existiert jedoch keine einheitliche Definition für diesen Begriff. Im Wesentlichen verwenden UN, Weltbank und OECD dieselben Kriterien, diese werden jedoch unterschiedlich bewertet. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) berechnet aus einer Vielzahl von Indikatoren den Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index - HDI). Demnach werden 2011 ca. 92 von den 187 im HDI erfassten Ländern als Länder mit geringer oder mittlerer Entwicklung eingestuft. Der HDI berücksichtigt nicht nur die durchschnittliche Kaufkraft der Einwohner (Pro-Kopf-Einkommen) eines Landes, sondern ebenso die Lebenserwartung und den Bildungsgrad bzw. die Alphabetisierungsrate der Bewohner.


Merkmale

Entwicklungsländer werden anhand verschiedener Merkmale charakterisiert. Dazu gehören:
  • niedriges Volkseinkommen
  • ungleiche Einkommensverteilung
  • unzureichende Nahrungsmittelproduktion
  • allgemeine Unterernährung und schlechter Gesundheitszustand der Bevölkerung
  • überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum
  • hohe Arbeitslosigkeit
  • mangelhafte staatliche Infrastruktur (Verkehr, Kommunikation, Bildung, Gesundheit)
  • wirtschaftliche Dominanz des primären Sektors
  • veraltete Produktionsmethoden
  • defizitäre Handelsbilanz



Länder

Das Statistische Bundesamt Deutschland weist Entwicklungsländer gemäß der sog. DAC-Liste aus. Diese enthält die Empfängerländer von Leistungen im Bereich der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit, festgelegt durch die OECD.
Nach Definition des Statistischen Bundesamtes Deutschland zählen zu den Entwicklungsländern (Berichtsjahre 2011 - 2013)
  • die Länder Afrikas,
  • in Amerika: alle Länder außer den Vereinigten Staaten und Kanada,
  • in Asien: alle Länder außer Bahrain, Brunei Darussalam, Israel, Japan, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Singapur, Südkorea, Taiwan, die Vereinigten Arabischen Emirate
  • in Europa: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Republik Moldau, Montenegro, Serbien, Türkei, Ukraine und Weißrussland
  • die Länder Ozeaniens
Außer den bereits genannten Ländern zählen nicht zu den Entwicklungsländern: Australien und Neuseeland. Die als Entwicklungsländer bezeichneten Staaten verbindet außer dem gemeinsamen Titel wenig. Sie differenzieren sich weiter in Schwellenländer, Öl exportierende Staaten, ehemalige Ostblockstaaten und am wenigsten entwickelte Länder.


Kritik des Begriffes

Der Begriff "Entwicklungsland" entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals wurden zahlreiche ehemalige Kolonien selbstständig. Von den Industrienationen wurde der Standpunkt vertreten, dass sich diese Länder nun erst einmal wirtschaftlich und gesellschaftlich entwickeln müssten. Der Begriff impliziert, dass es die Menschen in den entwickelten Ländern "besser haben" als in den weniger oder unterentwickelten Ländern. Nun leitet sich das Wohlbefinden jedoch längst nicht ausschließlich von statistisch messbaren Faktoren ab, sondern stellt eine subtile Melange aus allen Umständen der menschlichen Existenz dar. Unterentwicklung lässt sich also kaum objektiv bewerten. Allerdings steht zweifelsfrei fest, dass die meisten Bewohner sog. "unterentwickelter" Länder an den Errungenschaften höher entwickelter Länder teilhaben wollen. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Begriff "Entwicklungsland" etwas suggeriert, was in manchen Ländern gar nicht stattfindet – Entwicklung. Vielleicht kommt die Definition der UN der Begriffsproblematik etwas näher: Sie unterscheidet zwischen gering, mittel und hoch entwickelten Ländern. Die Länder mit den größten Problemen werden als am wenigsten entwickelte Länder bezeichnet.


Entwicklungstheorien

Nach der Modernisierungstheorie können sich Entwicklungsländer nur weiterentwickeln, wenn sie in allen Bereichen zur "Modernisierung" bereit sind. Dies bedeutet, dass die Entwicklungshemmnisse abgeschafft werden müssen, um den Staat zu modernisieren. Hinter diesem Begriff können sich Traditionen, Religionen oder Weltanschauungen verbergen. Der Grund für die Unterentwicklung liegt also in den inneren Verhältnissen des Landes selbst. Die Unterentwicklung wird nicht als dauerhafter Zustand, sondern nur als eine frühe Stufe in der Entwicklung zur Industriegesellschaft gesehen. Die gesellschaftliche Entwicklung soll von einer agrarisch geprägten, staatlich und religiös beeinflussten Ordnung zu einer industriell bestimmten, dynamischen und weitgehend verweltlichten Gesellschaftsordnung verlaufen. Die Modernisierungstheorie ist somit stark imperialistisch geprägt und verbindet Fortschritt mit der Angleichung an die westlichen Industriestaaten.
Die Dependenztheorie betont hingegen die Existenz hierarchischer Abhängigkeiten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. Demnach gelingt es den Industriestaaten durch Machtausübung die unterentwickelten Länder auch weiterhin arm zu halten. Als wesentlich für das Funktionieren dieser Theorie werden ungleiche Handelsbedingungen (terms of trade) angeführt:
  • Niedrige Löhne in Entwicklungsländern
  • Technologieexporte aus Industrie- in Entwicklungsländer
  • Rohstoffexporte aus Entwicklungs- in Industrieländer
  • Transfer der in Entwicklungsländern erzielten Gewinne durch Unternehmen aus Industrieländern in Industrieländer
Die Ursachen für Unterentwicklung liegen nach der Dependenztheorie also in den Außenhandelsbedingungen, nicht in den internen Gegebenheiten der Entwicklungsländer. Mit Hilfe der Dependenztheorie wurde versucht, die anhaltende Unterentwicklung des afrikanischen und lateinamerikanischen Raumes im Vergleich zu den Industrieregionen zu erklären. Der nachhaltige Erfolg vieler Schwellenländer widerspricht aber der angenommenen zwangsläufigen Auseinanderentwicklung der Industrie- und Entwicklungsländer.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 22.08.2013