Infoblatt Modell des demographischen Übergangs


Das Fünf-Phasen-Modell des demographischen Übergangs im Überblick




(Klett)

Die Ausgangssituation der traditionellen Gesellschaft war geprägt von hohen Geburten- und Sterberaten. Als Endstadium gilt die moderne Gesellschaft mit niedrigen Geburten- und Sterberaten. Der Transformationsprozess zwischen diesen beiden Phasen wird als demographischer Übergang bezeichnet.


Historischer Rückblick

In der vormodernen Gesellschaft bis zum demographischen Übergang waren die Geburten und die Sterbefälle weitgehend im Gleichgewicht. Es gab Phasen mit einem größeren Geburtenüberschuss, aber dann auch wieder Phasen erhöhter Sterblichkeit (z. B. infolge von Seuchen). Charakteristisch für die traditionelle bäuerliche Gesellschaft waren Familien mit 5 - 8 Kindern, wobei häufig nur die Hälfte der Geborenen ihre Kindheit und Jugend überlebten. Es gab zwar eine hohe Geburtenrate, aber die Bevölkerung wurde durch die hohe Kindersterblichkeit, Seuchen und Kriege immer wieder dezimiert. Über längere Zeiträume hinweg gerechnet, gab es zwischen 10000 v. Chr. und 1750 ein Bevölkerungswachstum von rund 0,2 % pro Jahr. Mit einsetzender Industrialisierung veränderten sich die demographischen Strukturen grundlegend, wobei sich diese Entwicklung in den einzelnen Regionen der Welt nicht synchron vollzogen hat.


Das Fünf-Phasen-Modell

Aus heutiger Sicht kann die demographische Transformation mit einem idealtypischen Fünf-Phasen-Modell beschrieben werden. Es gibt Modelle mit 4- oder 5-Phasen, sowie variable Modelle

Das Fünf-Phasen-Modell verläuft wie folgt:

1. Prätransformative Phase (Vorbereitung): In der vorindustriellen Gesellschaft waren die Geburten- und Sterbeziffern hoch. Die Sterblichkeit schwankte, teilweise gab es sogar Schrumpfungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung war niedrig.

2. Prätransformative Phase (Einleitung): Mit Einsetzen der gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse sank die Sterblichkeit. Die durchschnittliche Lebenserwartung stieg an. Weiterhin hohe Geburtenzahlen sorgten für ein Bevölkerungswachstum.

3. Mitteltransformative Phase (Umschwung): Die Hochphase des Bevölkerungswachstums ist geprägt von einem weiteren Rückgang der Sterblichkeit und einer erstmalig sinkenden Geburtenrate. Familien reagieren auf die rückläufige Kindersterblichkeit mit Beschränkung ihrer Kinderzahl.

4. Spättransformative Phase (Einlenken): Die Geburtenzahlen gehen in dieser Phase rapide zurück. Durch die kaum noch sinkende Sterbeziffer wächst die Bevölkerung nur gering. Im Idealfall stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Fruchtbarkeit und Sterblichkeit ein.

5. Posttransformative Phase (Ausklingen): In einigen Industrieländern sind die Geburtenzahlen mittlerweile unter die Sterbeziffern gefallen. Durchschnittlich gibt es immer weniger Kinder pro geburtenfähiger Frau. Die Folge ist eine sinkende Bevölkerungszahl, die langfristig, wenn überhaupt, nur durch stärkere Zuwanderung ausgeglichen werden kann.


Verlauf des demographischen Übergangs in den Industriestaaten

Alle Länder waren in derselben Phase, bevor die demographische Transformation einsetzte. Mit beginnender Industrialisierung ging in Europa die Sterblichkeit zurück. Da aber die Industrialisierungsprozesse auch in Europa nicht gleichzeitig stattfanden, begann der demographische Übergang dort, wo auch die gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse zuerst einsetzten. Je später die Industrialisierung begann, umso schneller vollzog sich der demographische Übergang. Die Sterblichkeit sank im 19. Jahrhundert zuerst in Frankreich, später in Großbritannien, Deutschland und Österreich-Ungarn, im frühen 20. Jahrhundert schließlich auch in Süd- und Osteuropa. Gründe für die geringere Sterblichkeit waren die verbesserten hygienischen Bedingungen und Wohnverhältnisse, die Fortschritte der Medizin, die Verbesserung der Ernährungsbasis und Verteilung von Lebensmitteln (z. B. durch die Bahn). In den Industriestaaten wie in Europa, Nordamerika, UdSSR/Russland, Japan und Australien wuchs die Bevölkerung deutlich rascher als in den anderen Ländern der Erde. Nach 1950 fällt das Bevölkerungswachstum nur noch bescheiden aus. Bereits seit den 1930er ist die Familienplanung nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Immer mehr Menschen bleiben ehe- und kinderlos, was sich wiederum auf die nachfolgenden Generationen auswirkt. In der Bevölkerungspyramide wirkt sich zudem die Einführung des Verhütungsmittels Pille aus, was auch als "Pillenknick" bezeichnet wird. Alle Industrienationen befinden sich in der vierten oder fünften Phase. In Zukunft werden die einheimischen Bevölkerungen einiger Industriestaaten sogar schrumpfen, was schon jetzt in Teilen Ostmittel- und Osteuropas beobachtet werden kann.


Verlauf des demographischen Übergangs in den Entwicklungsstaaten

Der reale Verlauf des demographischen Übergangs weicht in einigen Ländern von dem Modell ab. In Europa, den USA und Japan kam der demographische Übergang durch die Entstehung von modernen, städtischen Industriegesellschaften quasi "von selbst" in Gang. In vielen Entwicklungsländern war und ist dies nicht der Fall. Begonnen hat hier die demographische Transformation in wenigen Fällen Ende des 19. Jahrhunderts, aber oft erst Mitte des 20. Jahrhunderts. Die medizinischen Errungenschaften der Industrienationen wurden importiert und haben zu einer massiven Abnahme der Kindersterblichkeit und wirksamen Bekämpfung von Seuchen und Epidemien geführt. Der Einsatz chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel verbesserte die Versorgungssituation mit Nahrungsmitteln. Viele Frauen in den Entwicklungsländern bringen im Laufe ihres Lebens immer noch 6 - 10 Kinder zur Welt. Ursachen hierfür sind fehlende Verhütungsmittel und Familienplanung, mangelhafte Aufklärung, aber oftmals dient der Nachwuchs noch zur Einkommenssicherung (Kinderarbeit) und als Versorger der Eltern im Rentenalter. Die Schere zwischen Geburten und Sterbefällen öffnet sich somit immer weiter, was zu einer erheblichen Zunahme der Bevölkerung führt. Diese Steigerung ist deutlich höher als in vergleichbaren Phasen des demographischen Übergangs der Industrieländer. In diesem Zusammenhang wird auch oft von Bevölkerungsexplosion gesprochen. Die meisten Entwicklungsländer befinden sich in der dritten, teilweise auch in der vierten, in einigen Teilen Afrikas möglicherweise erst in der zweiten Phase des demographischen Übergangs. Afrika verzeichnete in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts das höchste Bevölkerungswachstum in der Geschichte der Menschheit. Die bevölkerungsreichsten Länder der Erde sind jedoch China und Indien mit jeweils mehr als 1 Milliarde Einwohner. China wird durch seine restriktive Familienplanung (1-Kind-Familie) vermutlich ca. 2020 die vierte Phase erreichen.


Literatur

BÄHR, J. (1997): Bevölkerungsgeographie. Stuttgart.
KULS, W. (1993): Bevölkerungsgeographie. Stuttgart.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2006
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012