Infoblatt Weltbevölkerungsentwicklung


Infoblatt zu Aspekten wie Fertilität, Wanderungen und Perspektiven der Weltbevölkerungsentwicklung



Entwicklung der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 (Eckenfelder)


Einleitung

Die Weltbevölkerung wächst und wächst: Auch wenn die Zeiten des enormen Zuwachses der 1960er Jahre dank eines weltweiten Geburtenrückgangs glücklicherweise vorbei sind, so wächst die Bevölkerung nach wie vor, und zwar fast ausschließlich in den Entwicklungsländern. Hier beträgt das jährliche natürliche Wachstum etwa 1,7 % (ohne China), in den Industrieländern liegt es bei gerade einmal 0,2 %.
Besonders deutlich verläuft diese Entwicklung in den Städten: Seit 2008 leben erstmals in der Geschichte mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Die städtische Bevölkerung wächst dabei mit 1,8 % weiterhin schneller als die gesamte Weltbevölkerung, die Dynamik hat sich aber etwas abgeschwächt.
Derzeit leben etwa 7 Milliarden Menschen auf der Erde, davon etwa 5,7 Milliarden in den Entwicklungsländern. Der mit Abstand größte Teil der Menschheit lebt in Asien (4,2 Milliarden Menschen). Seit den 1960er-Jahren sank die Wachstumsrate von ihrem Höchststand (2,1 %) auf momentan 1,2 %, was einer jährlichen Zunahme von knapp 78 Millionen entspricht. Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen sagt nach ihrer im Mai 2011 veröffentlichten mittleren Wachstumsprognose einen Anstieg der Weltbevölkerung bis 2050 auf 9,3 Milliarden Menschen voraus.


Fertilität

Die Zahl der Kinder pro Frau (Total Fertility Rate = TFR) liegt derzeit im weltweiten Durchschnitt um 0,4 über dem Erhaltungsniveau von etwa 2,1. Noch 1960 hatte jede Frau durchschnittlich sechs Kinder. Der Rückgang ist ein beachtlicher Erfolg der Bemühungen um Familienplanung.
In den am wenigsten entwickelten Staaten ist diese Zahl mit 4,2 jedoch nach wie vor hoch. In einigen Ländern hingegen hat die TFR einen Tiefstand erreicht, vor allem in Süd- und Osteuropa einschließlich Russlands mit 1,5 oder weniger. Auch innerhalb einzelner Länder ergeben sich erhebliche Unterschiede in der Kinderzahl (z. B. Stadt-Land-Gegensatz).
Trotz weltweit sinkender Geburtenraten wird aufgrund der großen Zahl von Kindern und Jugendlichen in den Entwicklungsländern, welche dort die zukünftige Elterngeneration bilden, die Zahl der Menschen noch jahrzehntelang anwachsen, und zwar selbst dann, wenn die TFR ab sofort nur noch auf dem Erhaltungsniveau läge. Die Geburtenzahl wird voraussichtlich mit jährlich etwa 136 Mio. Neugeborenen ihr Maximum zwischen 2010 und 2015 erreichen. Dieses sog. demographische Momentum kann auch negativ ausgeprägt sein: In Deutschland würde selbst bei sofortigem Anstieg der TFR auf 2,1 Kinder pro Frau die Bevölkerung weitere 70 Jahre lang schrumpfen.
Als demographische Falle, Armutsfalle oder demographisch-ökonomisches Paradoxon bezeichnet man das Phänomen, dass das Sinken des Lebensstandards eine Erhöhung der Fertilität nach sich zieht. Anders formuliert: Je weniger Kinder sich eine Gesellschaft leisten kann, desto mehr bekommt sie. Armut ist damit sowohl Ursache als auch Folge des Bevölkerungswachstums. Der Umkehrschluss lässt sich auf die Industrieländer anwenden: Trotz des Wohlstandes ist die Geburtenzahl etwa in Deutschland weit unter das Erhaltungsniveau gesunken.


Sterblichkeit

Die hoch entwickelten Länder weisen seit langem sinkende Sterblichkeitsraten auf. Diese Beobachtungen flossen mit der Entwicklung der Geburtenrate in das Modell des demographischen Übergangs ein. Heute zeigt sich, dass dieses Modell nur begrenzt auf Entwicklungsländer übertragbar ist. In vielen dieser Länder konnte zwar in den vergangenen Jahrzehnten ein enormer Anstieg der Lebenserwartung erreicht werden, die nach wie vor hohen Geburtenraten führten jedoch zu einem derart starken Wachstum, dass unter dem Bevölkerungsdruck die wirtschaftlichen und sozialen Systeme an den Rand des Zusammenbruchs gerieten. Diese Entwicklung kann zu einem erneuten Anstieg der Sterblichkeitsrate führen.
In einigen Staaten vor allem im südlichen Afrika hat HIV/AIDS die Entwicklungsfortschritte der letzten Jahrzehnte im Hinblick auf die Lebenserwartung der Bevölkerung fast völlig zunichte gemacht. Aufgrund der hohen Kinderzahlen pro Frau wächst die Bevölkerung dieser Länder dennoch weiterhin.


Alterung

Der Rückgang von Sterblichkeitsrate und Geburtenrate führt zu einer deutlichen Alterung der Weltbevölkerung. Dieser Prozess wird sich in Zukunft weiter beschleunigen. Sind derzeit etwa 11 % der Weltbevölkerung über 60 Jahre alt, so werden es im Jahr 2050 bereits 21,8 % sein. Diese Alterung findet ihren Ausdruck im wachsenden Medianalter der Weltbevölkerung: Das derzeitige Durchschnittsalter von 29 Jahren wird bis 2050 auf fast 38 Jahre ansteigen.
Der Alterungsprozess wird die Gesellschaften sowohl der Industrie- als auch der Entwicklungsländer vor große Herausforderungen stellen, wenn es darum geht, einen immer größeren, außerhalb des Erwerbslebens stehenden Bevölkerungsteil zu versorgen.


Wanderungen

Eine besondere Bedeutung für die Bevölkerungsentwicklung in einzelnen Regionen haben Wanderungsgewinne und -verluste: Zwar ist das natürliche Wachstum Hauptkomponente der schnellen Bevölkerungszunahme in weiten Teilen der Welt. Kleinräumig aber spielen Wanderungsbewegungen eine wichtige Rolle: In Sonderfällen ergeben sich durch Flüchtlingsströme und spätere Rückführung extreme Bevölkerungsverschiebungen innerhalb kürzester Zeit. Derzeit wird in den meisten westeuropäischen Staaten das negative natürliche Wachstum durch Wanderungsgewinne mehr als kompensiert. Sämtliche Entwicklungskontinente hingegen weisen negative Wanderungssalden auf. Da der natürliche Zuwachs sehr hoch ist, hat dies allerdings kaum Einfluss auf die Wachstumsrate.


Perspektiven

In den hoch entwickelten Staaten kommt es zu einer Schrumpfung der Bevölkerung bei gleichzeitiger Überalterung. Die Aufrechterhaltung der gemeinschaftlichen sozialen Versorgungssysteme und des Wirtschaftssystems wird zunehmend schwieriger. Um den heutigen Lebensstandard zu halten, ist eine Zuwanderung in großem Ausmaß erforderlich. In den weniger entwickelten und stark wachsenden Ländern vergrößern sich die erwerbsfähigen mittleren Altersgruppen, das Fehlen von Kapital und Know-how verhindert es aber, von diesem "demographischen Bonus" zu profitieren. Der Erwerb des Lebensunterhalts wird damit zunehmend schwieriger, wodurch räumliche Ausgleichsbewegungen angestoßen werden.


Ökologische Folgen

Das rasche Bevölkerungswachstum in den Entwicklungsländern erschwert oder verhindert die Sicherung der Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Bildung, Gesundheitsversorgung) und bedroht die ökologische Tragfähigkeit in vielen Regionen.
Auch global betrachtet ist der Druck der Bevölkerung auf Ressourcen wie Süßwasser, Ackerland, Wälder, Fischereizonen und die Atmosphäre so groß wie nie zuvor. Das Wachstum hat negative Auswirkungen auf die Umwelt durch eine zunehmende Verschmutzung und Übernutzung von endlichen Ressourcen. Produktivitätszuwächse der letzten Jahrzehnte, z. B. in der Nahrungsmittelproduktion, verringern sich, da die natürlichen Grenzen erreicht werden.
Trotz einer beginnenden Verlangsamung des Wachstums wird die Weltbevölkerung noch jahrzehntelang weiter zunehmen. Ob die Erde das verkraften kann oder ob damit ihre Tragfähigkeit überfordert ist, hängt entscheidend vom Konsumverhalten der Menschen ab - vor allem bei uns im Norden.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert, Christian Neuhaus
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2005
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 23.01.2012