Infoblatt Hinduismus


Entstehungsgeschichte, Leitfigur und religiöse Praxis



Hindupilger beim rituellen Bad im Ganges (Rother)


Begriff und Geschichte

Der Hinduismus ist eine der bedeutendsten Weltreligionen und stammt ursprünglich aus Indien. Der Begriff Hindu kommt von den Persern, die so die am anderen Ufer des Indus lebenden Menschen beschrieben. Moderne Hindus ziehen den Begriff Sanatana Dharma ("Ewiges Leben") zur Beschreibung ihrer Religion vor.
80 % der indischen Bevölkerung gehören dem Hinduismus an. Der Hinduismus hat keinen Gründer, die Religion entstand durch zahlreiche Seher und Weise, die lediglich ihre Visionen und Erkenntnisse offenbarten.


Glauben

Die Hindus glauben an bis zu 330 Millionen Götter, die für die täglichen Handlungen des Lebens verantwortlich sind. Andere Hindus glauben an einen einzigen wahrhaftigen Gott, jedoch gibt es auch Hindus, die die Gottesvorstellung strikt ablehnen. Die indische Dreifaltigkeit setzt sich zum Beispiel aus den Göttern Brahma (gilt als Schöpfer), Vishnu (gilt als Erhalter) und Shiva (gilt als Zerstörer allen Lebens) zusammen. Neben diesen Göttern gibt es noch folgende bekannte Götter: Krishna (Liebesgott), Ganesha (Elefantengott, überall in Indien beliebt), Kali (Gott des Krieges und der Seuchen) und Kama (ebenfalls ein Liebesgott).
Mit Polytheismus (Vielgötterei) hat der Glauben jedoch nichts zu tun, da jeder Gott vielmehr Ausdruck einer einzigen göttlichen Einheit, Ausdruck für das Absolute und Unerklärbare sein soll. Jede Gottesfigur wird an speziellen Feiertagen und Kultstätten verehrt.


Heilige Schrift

Es gibt in der hinduistischen Kultur vier Heilige Schriften namens "Veden" (heilige Wasser). Die erste der vier Veden, die Rigveda, entstand im Nordwesten von Indien zwischen 1300 und 1000 v. Chr. und ist die älteste Schrift. Die Rigveda wurde durch zwei weitere Veden, den Jadschurveda (Opferbuch) und den Samaveda (Liederbuch), ergänzt. Die jüngste Vede ist der Atharveda (eine Sammlung von Zaubersprüchen), welche wahrscheinlich um 900 v. Chr. entstand.
Neben den Veden gibt es noch das Mahabharata, das von dem Krieg der Pandavabrüder erzählt. Außerdem gibt es ferner die Puranas, die zum Beispiel die Kindheit Krishnas beschreiben.
Die Hindus glauben an Reinkarnation und Wiedergeburt: "Jede Seele erfährt die Früchte der guten oder schlechten Taten, die in einem früheren Leben vollbracht wurden." Dies erklärt die Ungleichheit und Umstände, in denen die Menschen aufwachsen und leben. Ebenso ist es möglich, dass man als Ratte wiedergeboren wird, wenn man im vorausgegangenen Leben ungehorsam war. Das höchste Ziel jeder Seele ist es, Vollkommenheit zu erlangen. Jede Seele erlebt viele Geburten und Tode, bevor sie dieses Ziel erreicht.


Leitfigur

Ein bedeutender Zeitgenosse der Hinduisten war Mahatma Gandhi. Er wurde 1869 in Indien geboren und übte den Beruf eines Juristen aus. Später wurde er zu einem Vertreter der Revolutionäre in Indien. Er setzte sich für die Rechte der Unberührbaren und für die Unabhängigkeit Indiens von England ein. Diese politischen Ziele setzte er mit passivem Widerstand durch. 1948 wurde Mahatma Gandhi von einem Attentäter ermordet.


Religiöse Praxis

Im Gegensatz zu anderen Weltreligionen gibt es im Hinduismus keinen gemeinsamen Gottesdienst. Der religiöse Alltag der Hindus besteht aus Gebeten, Meditationen, Anbetung von Götterbildern und Opferungen von Naturprodukten. Weiterhin soll der Hindu jeden Morgen in Richtung Osten sitzen und Wasser schlürfend sein Morgengebet sprechen. Mehrmals im Leben pilgert jeder Hindu an den Ganges oder an Wallfahrtsorte mit bekannten Tempeln. Der Ganges wird in Indien als heiliger Fluss verehrt. Hindus pilgern nicht nur nach Varanasi, um im Ganges ihr Reinigungsbad (um seine Sünden abzuwaschen) zu nehmen, sondern auch um dort zu sterben. Die Leichen werden nach Eintreten des Todes vom Ehepartner oder dem ältesten Sohn auf einem Scheiterhaufen verbrannt. Bei der Verbrennung ist darauf zu achten, dass erst mit dem Knacken des Schädels, der bei der Geburt eingeführte Geist wieder heraussteigt.
Außerdem findet im November eines jeden Jahres ein Lichtfest am Ganges statt. An diesem Fest schicken Frauen, deren Männer spurlos verschwunden sind schwimmende Lichter den Ganges hinunter. Diese Lichter sollen dem Mann symbolisieren, dass er zurückkommen möge oder als letzten Gruß dienen, falls er verstorben sei.


Besonderheiten

Neben der Befolgung der Religion ist die soziale Stellung in Indien sehr wichtig. Deshalb ist die Bevölkerung in sog. Kasten aufgeteilt. Es gibt insgesamt vier Kasten. Das Kastenwesen wurde vor etwa dreitausend Jahren von den Bramahnen, der obersten Priesterkaste, eingeführt. Nicht die Zugehörigkeit zu einer Religion, sondern die Zugehörigkeit zu einer Kaste macht einen Hindu erst zu einem Hindu. Sie bestimmt das gesamte Leben der Inder. Wenn man in einer höheren Kaste ist, hat man einen höheren Stellenwert.
Es werden folgende Kasten unterschieden:

1. Kaste Bramahnen (religiöse Lehrer, Priester)
2. Kaste Kshatyras (Krieger, Adelige, Fürsten, Könige)
3. Kaste Vaishyas (Bauern, Viehzüchter, Handwerker, Kaufleute)
4. Kaste Shudras (Arbeiter und Handwerker mit niedrigen Fähigkeiten)

Um 1000 v. Chr. wurde dieser 4-fachen Gliederung eine fünfte Gruppe hinzugefügt, nämlich die Menschen, die gezwungen wurden, die unreinen Tätigkeiten, wie das Gerben von Leder oder die Entfernung toter Tiere, auszuführen. Früher wurde diese fünfte Gruppe "die Unberührbaren" (Parias) genannt, im 20. Jahrhundert nannte der große Hindureformer Mahatma Ghandi sie "Kinder Gottes". Doch sie ziehen es heute vor, sich "Unterdrückte" zu nennen.
Im modernen Indien beruht die Handhabung der Kasten hauptsächlich auf dem vorher erwähnten Punkt der rituellen Reinheit. Hindus glauben, sie können durch Kontakt und von einem Mitglied einer unteren Kasten gekochtem Essen verunreinigt werden.
Heutzutage ist die Diskriminierung aufgrund von Unberührbarkeit seit 1950 illegal. Doch trotz der offiziellen Versuche, eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, bleibt die Kaste wichtig, besonders bezüglich der Ehe auf dem Land, wo diese Diskriminierung andauert.


Literatur

Fischer Weltalmanach 2004
Udo und Monika Tworuschka (Hrsg.): Religionen der Welt. Grundlagen, Entwicklung und Bedeutung in der Gegenwart. München 1992.
taz Verlags- und Vertriebs GmbH (Hrsg.): LE MONDE diplomatique. Atlas der Globalisierung. Berlin 2003.
Michael Kidron und Ronald Segal: Der Poltische Weltatlas. Bonn 1992.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Christine Reinke
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 26.05.2012