Infoblatt Erweiterungskandidaten


Status der Verhandlungen, Handlungsbedarfe und Hemmnisse


Beitretende Staaten

Mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union am 01. Januar 2007 wurde die fünfte EU-Erweiterungsrunde abgeschlossen. Die Vertragsunterzeichnung zwischen den beiden Staaten und den 25 EU-Mitgliedern fand im April 2005 statt. Die letzten Hürden wurden am 26. September 2006 durch die Empfehlung der Europäischen Kommission zum Beitritt sowie schließlich durch den Beschluss des entsprechenden Gesetzes im deutschen Bundesrat als letztes Parlament am 24. November 2006 genommen.

Die Aufnahme der beiden Staaten geschieht jedoch nicht vorbehaltlos. Vielmehr enthält der Vertrag eine Reihe von Sanktionsmöglichkeiten, falls notwendige Reformen nicht weiter vorangetrieben und somit bestimmte Kriterien nicht erfüllt werden. Sowohl für Bulgarien wie auch für Rumänien gilt dies insbesondere in den Bereichen Justiz und Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität. Ferner können, sofern die Verwaltungsstrukturen, d. h. die Einrichtung von Zahlstellen für Direktzahlungen an Landwirte und Wirtschaftsbeteiligte sowie speziell des Integrierten Verwaltungs- und Kontrollsystems (InVeKoS), nicht stetig verbessert werden, Subventionen aus dem EU-Agrarfonds zurückgehalten werden. Bulgarien wird außerdem ein großer Handlungsbedarf im Bereich der Flugsicherheit attestiert, sodass hier eine Zugangsbeschränkung zum internationalen Luftverkehr als mögliche Folge erwogen wird. Darüber hinaus bleibt der Export von Waren beider Länder in andere EU-Staaten weiterhin eingeschränkt.
Wie latent insbesondere das Problem der Korruption in den Staaten ist, zeigte sich in den Maßnahmen, die durch die EU Ende November 2008 ergriffen wurden. Erstmals strich die Gemeinschaft Finanzhilfen für ein Mitgliedsland, in diesem Fall Bulgarien. Dabei handelt es sich um Hilfen in Höhe von 220 Millionen Euro, die von dem Land aufgrund der grassierenden Korruption nun nicht mehr abgerufen werden können. Auch Rumänien erhielt für seine Untätigkeit in diesem Bereich einen Tadel, muss jedoch noch keine Abstriche bei den Finanzhilfen fürchten.


Beitrittskandidaten

Eine neue große Erweiterungsrunde wird es in absehbarer Zeit nicht geben. Dennoch haben momentan drei Länder den Bewerberstatus inne, Kroatien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und die Türkei. Sie befinden sich allerdings in unterschiedlichen Stadien der Zusammenarbeit bzw. der Verhandlungen mit der EU.
  • Island
    Nachdem Island 1970 der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) beitrat und drei Jahre später ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft schloss, wurde das Land 1994 als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) aufgenommen. Im Jahr 2000 folgte der Beitritt zum Schengen-Abkommen. Nachdem Island am 29. Juli 2009 den Beitrittsantrag bei der EU stellte, beschloss der Europäische Rat knapp ein Jahr später, am 17. Juni 2010, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der EU. Für die Mehrheit der isländischen Bürger besteht in einem EU-Beitritt die einzig mögliche Lösung, um die Folgen der Finanzkrise, die besonders für Island äußerst schwerwiegend sind, bewältigen zu können. Die Finanzkrise 2008 traf Island schwer. Eine Rezession, der Zusammenbruch des Bankensystems und die Abwertung der nationalen Währung waren die Folge. Inzwischen befindet sich das Land auch Dank internationaler Unterstützung aus dem IWF auf dem Weg aus der Krise. Im Gegensatz zu den baltischen Staaten ist Island ein Land mit tiefen demokratischen Wurzeln und traditionell guter Regierungsführung, hohen Sozial- und Umweltstandards und historisch engen Verbindungen mit vielen anderen europäischen Ländern.
  • Kroatien
    Im Vorfeld der Verhandlungen um einen EU-Beitritt Kroatiens wurde am 29. Oktober 2001 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) unterzeichnet, welches am 01. Februar 2005 in Kraft trat. In Verbindung mit weiteren Vereinbarungen, die die Zeit bis zum Inkrafttreten des SAA überbrückten, sollen so die notwendigen Voraussetzungen für einen Beitritt geschaffen werden. Die eigentlichen Verhandlungen begannen am 03. Oktober 2005. Das größte Hindernis diesbezüglich stellte die mangelhafte Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Bezug auf den ehemaligen General Ante Gotovina dar, dem schwere Kriegsverbrechen zur Last gelegt werden. Die Unstimmigkeiten in diesem Bereich wurden inzwischen beigelegt. Nachdem die EU-Mitgliedstaaten die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien im Juni 2011 abschlossen, ist der Beitritt nach der Ratifizierung in allen Mitgliedstaaten für den 01. Juli 2013 vorgesehen.
    Bis dahin sind jedoch noch zahlreiche Hemmnisse zu überwinden. Die schwerwiegendsten Defizite liegen in der Unabhängigkeit der Justiz, der Korruptionsbekämpfung sowie einem ausreichenden Schutz der Minderheiten im Land.
  • Mazedonien
    Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien stellte am 22. März 2004 einen Antrag zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Eine Woche später trat das im April 2001 unterzeichnete SAA in Kraft. Nachdem Mazedonien im Dezember 2005 durch den Europäischen Rat als Kandidatenland anerkannt wurde, erfolgte im Februar 2008 die Verabschiedung der Beitrittspartnerschaft.
    Handlungsbedarf besteht vor allem im Bereich der Polizeikräfte, der Justiz und der Korruptionsbekämpfung. Außerdem geht die Kommission in ihrer Stellungnahme vom 09. November 2005 davon aus, dass das Land wirtschaftlich mittelfristig nicht in der Lage sein wird, dem Wettbewerbsdruck innerhalb der EU standzuhalten. Dementsprechend muss eine Strukturreform zur Verbesserung der Marktwirtschaft und zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durchgeführt werden. Der größte Druck besteht jedoch im Bereich des Umweltschutzes, für den erhebliche Investitionsaufwendungen und eine Aufstockung der Verwaltungskapazitäten notwendig sind.
  • Montenegro
    Ein wesentlicher Schritt für den Ausbau der Beziehungen zwischen der EU und Montenegro war die Erklärung der Unabhängigkeit des Landes in Folge eines Referendums am 3. Juni 2006. Weitere wesentliche Schritte waren die Verabschiedung einer Europäischen Partnerschaft am 22. Januar 2007 und die Unterzeichnung des SAA im September desselben Jahres. Zwei Jahre, nachdem Montenegro Ende 2008 den Beitrag zum EU-Beitritt einreichte, wurde das Land am 17. Dezember 2010 als Kandidatenland bestätigt.
  • Serbien
    Als letztes der fünf Kandidatenländer wurde Serbien dieser Status am 01. März 2012 verliehen. Ähnlich wie bei den anderen Balkanländern wurde von Seiten der EU Ende der 1990er Jahre zunächst ein regionaler Ansatz verfolgt. Nachdem die SAA-Verhandlungen 2006 aufgrund mangelnder Fortschritte Serbiens in der Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ICTY) vorerst unterbrochen wurden, kam es im Juni 2007 zur Wiederaufnahme der Verhandlungen. Grund hierfür war die Festnahme des ehemaligen bosnisch-serbischen Generals Zdravko Tolimir durch die serbische Regierung zwei Wochen zuvor. Am 07. November 2007 wurde der Abschluss des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen eingeleitet. Im Zuge der serbischen Parlamentswahlen im Mai 2008 haben die Außenminister der EU die Unterzeichnung des SAA mit Belgrad beschlossen, um den pro-europäischen Kräften im Land ein Zeichen zu senden. Die Beantragung der EU-Mitgliedschaft erfolgte am 22. Dezember 2009.
  • Türkei
    Die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU reichen bis ins Jahr 1959 zurück, in dem die Türkei einen Antrag auf Assoziationsmitgliedschaft in der EWG stellte, dem 1963 ein entsprechendes Abkommen, das auch eine Beitrittsperspektive enthielt, folgte. Im Dezember 1999 wurde der Türkei der Status eines Beitrittskandidaten zugesprochen, die Verhandlungen begannen dann zeitgleich mit Kroatien am 03. Oktober 2005.
    Die Türkei hat mit zahlreichen Problemen in Bezug auf eine EU-Mitgliedschaft zu kämpfen. Seit Beginn der Verhandlungen stehen vor allem Menschenrechtsverletzungen, vereinzelte Fälle von Folter, Gewalt gegen Frauen, Einschränkungen der Meinungsfreiheit sowie Mängel beim Minderheitenschutz und bei der Religionsfreiheit für Nicht-Muslime im Vordergrund. Einen weiteren Schwerpunkt bildet das Verhältnis der Türkei zum griechischen Teil Zyperns. Maßgeblich ist hierbei die Weigerung der Türkei, dem Warenverkehr aus dem griechischsprachigen Süden Zyperns Zugang zu türkischen Häfen und Flughäfen zu gewähren. Als Folge wurden die Beitrittsverhandlungen im Dezember 2006 zunächst teilweise eingefroren. Ein Fortschritt in diesem Bereich hängt jedoch nicht nur von der Türkei, sondern auch von der Haltung der Republik Zypern ab, die seit 2004 Mitglied der EU und somit voll veto-berechtigt ist. Im März 2007 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen. Basierend auf dem 2007 veröffentlichten Fortschrittsbericht über die Vorbereitungen der Türkei auf eine Integration in die EU, wurde im Februar 2008 eine überarbeitete Version der Beitrittspartnerschaft für die Türkei verabschiedet.



Potenzielle Beitrittskandidaten

Unter den potenziellen Beitrittskandidaten befinden sich Albanien, Bosnien und Herzegowina sowie der Kosovo, d. h. ausschließlich Balkanstaaten. Um diese Länder auf ihrem Weg in die EU zu unterstützen, wurde im November 2000 das Vertragswerk zum Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess (SAP) unterzeichnet, das den Rahmen für die Zusammenarbeit der Staaten mit der EU setzt. Finanzielle Unterstützung wird durch das CARDS-Programm gewährt, einer speziellen Heranführungshilfe für den westlichen Balkan. Dieses ist jedoch wie alle anderen Programme im Jahr 2007 in dem neuen Instrument IPA (Instrument for Pre accession Assistance) aufgegangen.
Mit Albanien wurde bereits im Juni 2006 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) unterzeichnet. Im April 2009 hat Albanien offiziell die Aufnahme in die EU beantragt. Kritik seitens der EU wird jedoch nach wie vor an der Korruption und der Verbreitung der organisierten Kriminalität im Land geübt. Mit Bosnien und Herzegowina wurde das Abkommen 4. Dezember 2007 beschlossen.
Den genannten Vorbehalten zum Trotz verfolgt die EU einen strikten Kurs der Kooperation mit allen Staaten des westlichen Balkan mit dem Fernziel einer Mitgliedschaft, um die Stabilität und eine friedvolle Entwicklung in der Region zu garantieren.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Kristian Uhlenbrock, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2006
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012