"Aboriginal Tourism" im Outback Australiens


Mit Einnahmen von fast einer Billion US-Dollar gehört der internationale Tourismus zu den bedeutendsten Branchen der Weltwirtschaft, etwa vergleichbar mit der Automobil- und der Mineralölindustrie. Weltweit stellt er über 10 % aller Arbeitsplätze und sein Anteil am Weltwirtschaftsvolumen wird auf 10 bis 15 % geschätzt. Auch in Australien ist der Tourismus eine bedeutende wirtschaftliche Säule. Dies gilt nicht nur für die großen Städte wie Sydney oder Melbourne, sondern auch für periphere Problemregionen, wie das Outback bzw. den ariden Norden. In jüngerer Zeit gibt es hier Bemühungen, die Aborigines stärker in die Tourismuswirtschaft einzubinden. Mit Erfolg?



Uluru (Uhlenbrock)


Tourismusziel Australien

Für Australien ist der Tourismus inzwischen Devisenquelle Nummer eins. 2010 brachte er annähernd 24 Mrd. australische Dollar ins Land und beschäftigte etwa 500.000 Personen, das sind 4,5 Prozent aller Erwerbstätigen. Der Anteil des Tourismus am Bruttoinlandsprodukt wird von der amtlichen australischen statistischen Behörde für das Jahr 2010 mit 4,5 Prozent angegeben, die Zahl der Besucher mit 5,9 Mio.
Beachtlich sind die Wachstumsraten. Von 1987 bis 1997 stieg die Zahl der ausländischen Besucher von 1,7 Mio. auf annähernd 4,4 Mio. Einen ersten Rekord brachte das Olympiajahr 2000 mit 4,9 Mio. Besuchern. Aufgrund des Golfkrieges und der SARS-Epidemie waren die Zahlen in den Folgejahren teilweise rückläufig, stiegen dann aber wieder kontinuierlich an und sollen laut Prognose der australischen Statistikbehörde 2012 erstmals die 6 Millionenmarke überschreiten. Die steigende Bedeutung des Tourismus zeigt sich auch an seinem Anteil am Bruttoinlandsprodukt. Er war von 1997 (3,1 %) bis 2010 (2,6 %) zwar rückläufig, der absolute Wert stieg allerdings im gleichen Zeitraum von 18.560 auf 30.968 australische Dollar.
Unter den Tourismusdestinationen dominieren eindeutig die großen Städte, während das Outback noch unterrepräsentiert ist. Als Outback werden in Australien all diejenigen Regionen zusammengefasst, die "fernab der Zivilisation" liegen. Es umfasst ca. vier Fünftel des Kontinents und schließt sowohl das Northern Territory und Western Australia als auch Teile von Queensland, New South Wales und South Australia ein. Aufgrund der zumeist unzureichenden infrastrukturellen Erschließung und der z.T. extremen klimatischen Verhältnisse ist das Outback als Touristenziel weniger attraktiv, weist aber in jüngerer Zeit beachtliche Wachstumsraten auf, sodass der Fremdenverkehr auch hier in einzelnen Regionen inzwischen eine tragende wirtschaftliche Säule darstellt.


Schlüsselzahlen zum Tourismussektor (Quelle: Australian Government, Department of Resources, Energy and Tourism: Tourism Industry, Facts & Figures at a Glance, May 2011)


Tourism’s direct contribution to the Australian economy, 1997–98 to 2009–10

Direct contribution to the economy* 1997-98 2009–10 AAGR** (%)

Consumption of tourism goods and services ($m) 59.472 93.566 3,8
Tourism gross value added at basic prices ($m) 18.560 30.968 4,4
plus Net taxes on tourism products ($m) -218 2.919 n.a.
equals Tourism gross domestic product ($m) 18.342 33.886 5,2
Tourism employment (persons) 415.900 500.500 1,6
Tourism exports ($m) 13.408 22.826 4,5
Tourism imports ($m) 11.729 27.874 7,5
Tourism balance of trade ($m) 1.679 -5.048 n.a.
Tourism's share of total gross domestic product (%) 3,1 2,6 n.a.
Tourism's share of total employment (%) 4,9 4,5 n.a.
Tourism's share of total exports (%) 11,6 9,0 n.a.

Quelle der Daten: Australian Bureau of Statistics, Tourism Satellite Account (ABS cat. no. 5249.0)
Anmerkungen:
*Dollars in nominal terms.
**Average annual growth rate for the period 1997-98 to 2009-10.


Australiens Top 20 Tourismusregionen für internationale Besucher 2010

Rang Tourismusregion Ausgaben
(Mio. AU-$)

1 Sydney (NSW) 5,542
2 Melbourne (Vic.) 3,653
3 Experience Perth (WA) 1,678
4 Brisbane (Qld) 1,362
5 Gold Coast (Qld) 955
6 Tropical North Queensland (Qld) 795
7 Adelaide (SA) 638
8 Canberra (ACT) 284
9 Sunshine Coast (Qld) 240
10 Hunter (NSW) 177
11 Hobart and Surrounds (Tas.) 164
12 South Coast (NSW) 158
13 Nothern Rivers (NSW) 150
14 Darwin (NT) 140
15 Petermann (NT) 134
16 Whitsundays (Qld) 132
17 Nothern (Qld) 118
18 Australia’s South West (WA) 89
19 Australia’s North West (WA) 77
20 Geelong (Vic.) 59

Quelle der Daten: Tourism Research Australia, International Visitors in Australia, December Quarter 2010


Tourismus, eine Chance für die Aborigines?

Im Outback leben nur ca. 4 % der Bevölkerung Australiens. So gilt er zu Recht als "menschenleer" bzw. als "sparsely settled zone". Für viele Aborigines ist er allerdings nach wie vor der "angestammte" Lebensraum, in dem sie ihre kulturelle Identität – eben aufgrund der peripheren Lage – weitgehend erhalten konnten. Die Aborigines gehören in aller Regel zum ärmsten Teil der australischen Gesellschaft - mit einem geringen Bildungsstand, einer schlechten medizinischen Versorgung, hoher Kindersterblichkeit und einer geringen Lebenserwartung. Viele von ihnen leben in Reservaten und nur vergleichsweise wenige haben eine Arbeit, z.B. auf den Viehfarmen, gefunden. Entsprechend liegt die Arbeitslosenrate deutlich über der der weißen Bevölkerung.
Die Hauptprobleme der Aborigines liegen einerseits in der fehlenden wirtschaftlichen und sozialen Integration in die australische Gesellschaft und anderseits in der Gefahr, ihre traditionelle Kultur und damit ihre Identität durch den Kontakt mit der "Außenwelt" zu verlieren. Entsprechend wird der Tourismus von vielen Beobachtern sowohl als Chance wie auch als Gefahr für die Aborigines gewertet.
Ein anschauliches Beispiel liefert der Bundesstaat Northern Territory, auch als "Outback State" bezeichnet. Bei einer Fläche von 1,436 Mio. km² (ein Sechstel der Fläche Australiens) weist er knapp 224.800 Einwohner auf (2010). Das entspricht einer Bevölkerungsdichte von nur 0,16 Einwohnern pro km². 22 % (absolut ca. 50.000) der Einwohner sind Aborigines.
Das Nordterritorium gehört zu den trockensten Gebieten Australiens mit Niederschlagswerten weit unter der 500 mm-Grenze, bei einer Variabilität zwischen 30 und 40 %. Entsprechend war die extensive Rinderhaltung lange Zeit die einzige lukrative Wirtschaftsform. Umso größer sind die Hoffnungen, die man in jüngerer Zeit mit dem Tourismus verbindet, zumal gerade die Nordterritorien auf diesem Gebiet Vieles zu bieten haben. Erste touristische Anfänge zeichneten sich bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg ab. Bevorzugte Ziele waren Alice Springs sowie der Uluru, allgemein als Ayers Rocks bekannt. Der Uluru gilt als "Nationalheiligtum" der Aborigines, um den sich zahlreiche mythische Legenden ranken. Er liegt im 1.325 km² großen Uluru-Kata-Tjuta Nationalpark, heute UNESCO-Weltnatur- und Weltkulturerbe. Teile des Nationalparks wurden bereits 1920 zu einem Reservat für Aborigines ausgewiesen. Nach einer Gesetzesänderung 1976, dem Aboriginal Land Right Act, wurde das Land 1985 an die Aborigines übergeben.
"Mussten sich die traditionellen Bewohner anfänglich in der Regel damit begnügen, Anschauungsobjekt des Tourismus zu sein, so hat in dieser Hinsicht eine merkliche Änderung im Laufe der 1980er Jahre eingesetzt. In einigen Bereichen gelang es ihnen sogar, selbst aktiv zu werden und Einfluss in diesem Wirtschaftssektor zu gewinnen." (Erdmann). Das eigene Engagement konnte verstärkt jedoch erst mit einer weiteren Gesetzesänderung beginnen. 1992 erkannte das oberste australische Gericht im sogenannten "Mabo-Urteil" die Landrechte der Aborigines prinzipiell an. Daraufhin haben viele Aborigines-Gruppen das ihnen zurückgegebene Land an den Staat verpachtet. Sie verwalten es gemeinsam mit der "Nature Conservative Agency".
Im Prinzip geht es den Aborigines darum, das Verfügungsrecht über ihr angestammtes Land zu behalten, das Basis ihrer kulturellen Selbstbestimmung ist. Die Förderung eines naturnahen Tourismus ist ihnen dabei ein wichtiges Anliegen. Mittlerweile operieren landesweit mehrere hundert Aborigines-Unternehmen auf diesem Sektor. Viele sind allerdings noch in der Entwicklungsphase, zumal ihnen oft das notwenige Startkapital fehlt. Einige Aborigines arbeiten als Rangers im Auftrag weißer Tour-Operators, andere bieten selbstverantwortlich spezielle Veranstaltungen und Fahrten an, die die Elemente ihrer Kultur möglichst authentisch vermitteln sollen. Viele dieser Spezialausflüge führen durch das Land der jeweiligen Aborigines, das von Einzelreisenden ohne Genehmigung nicht betreten werden darf. In dieser Hinsicht unterscheiden sich die Unternehmungen vom üblichen Massentourismus, zumal die Teilnehmerzahl der Gruppen eng begrenzt ist. Nur so lassen sich auch die strengen Verbote wirkungsvoll einhalten, wie das Berühren von Felszeichnungen, der Konsum von Alkohol, das Jagen oder "wildes" Fotografieren. Besonders stark ist der Einfluss der Aborigines verständlicherweise in ihren Nationalparks. Da sie in den Verwaltungsräten inzwischen zumeist über die absolute Mehrheit verfügen, können sie Planungen und Durchführungen entscheidend mitbestimmen.
Zahlen belegen, dass das Interesse an diesen Tourismusformen nicht nur bei den Einheimischen selbst, sondern auch bei den Reisenden groß ist, zumal diese Unternehmungen mehr bieten als die üblichen Großveranstaltungen, wie Tänze, Speer- und Bumerangwerfen. Diese gibt es zweifelsohne auch, aber sie sind eine Ausnahme. Die bisherigen Erfahrungen sind jedenfalls vielversprechend. "Erstmals in der australisch-europäischen Geschichte gehen Nicht-Aborigines zu Aborigines, um sich auf deren Gebiet unmittelbar über ihre Kultur informieren zu lassen... Die eigenverantwortliche Aufgabe stärkt das Selbstbewusstsein der Aborigines und führt sie zudem einen Schritt weg von der Wohlfahrtsabhängigkeit." (Erdmann).


Literatur

  • Erdmann, Claudia: „Aboriginal Tourism“ im australischen Nordterritorium. In: Geographie und Schule, Heft 81, Februar 1993, S. 30 - 36
  • Hain, Birgit: Tourismus im australischen Outback – das Beispiel Uluru-Kata Tjuta National Park. In: Geographische Rundschau, Heft 2/2005, S. 42 - 48
  • Lamping, Heinrich: Australien. Perthes Länderprofile. Gotha und Stuttgart: Klett-Perthes 1999



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Norbert von der Ruhren
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 20.04.2012