Zerstörung der Lebensräume der Aborigines und ihr Kampf um Landrechte


Der lange Leidensweg der indigenen Bevölkerung Australiens, der Aborigines, begann mit der Landung von James Cook an der Ostküste Australiens am 28. April des Jahres 1770. Die englische Krone erklärte kurze Zeit später den Kontinent zur "terra nullius", d. h. zum unbewohnten Land. Damit wurde den Aborigines jegliches Recht auf ihr Land abgesprochen. Diese rechtliche Fiktion der terra-nullis-Doktrin hat sich bis in die 1990er Jahre gehalten. Vereinzelt ist sie auch noch heute ein Argument im Streit um Landrechte zwischen den Aborigines einerseits sowie den weißen Siedlern und den Regierungen einzelner Bundesstaaten andererseits.


Lebensräume und Landnutzung der Aborigines

Als James Cook die Ostküste Australiens 1770 entdeckte und mit der "First Fleet" 1788 die ersten Sträflinge den australischen Kontinent betraten, lebten die Aborigines noch als Jäger und Sammler - ohne privates veräußerliches Landeigentum und ohne staatliche Strukturen. Jede Sippe - je nach Ergiebigkeit des Naturraums bestand sie aus 20 bis 50 Personen - hatte allerdings ein Anrecht auf eine bestimmte Landfläche. Die Jagd war Aufgabe der Männer, während die Frauen Wurzeln, Beeren und Insekten sammelten. Eine Bodenbearbeitung nach unserem heutigen Verständnis kannten die Aborigines nicht. Sie legten auch keine Vorräte an, sondern zogen von ihren Lagerplätzen weiter, wenn dessen Nahrungsreserven erschöpft waren. Bot ein Gebiet ein günstiges Nahrungsangebot, so hielt man sich dort auch längere Zeit auf und legte einen geschützten Schlafplatz an. Zumeist bestand dieser aus einfachen Windschirmen aus Sträuchern und Blättern. Im niederschlagsreicheren Norden waren es auch festere Hütten, errichtet auf Stelzen, um darunter ein Feuer zur Abwehr von Moskitos zu halten.
"Die mächtigste Waffe der Ureinwohner war das Feuer. Es war so wirkungsvoll, dass man andere Techniken nicht entwickelte." (Lamping). Man nutzte das Feuer, um z.B. Tiere einzukreisen und diese dann mit den einfachen Waffen (Speer, Bumerang, Gleitschleuder, Keule) zu erledigen. Durch ein gezieltes Abbrennen verstand man es ferner, die Vegetation zu verjüngen und so mehr Tiere ins Jagdgebiet zu locken. Diese als fire-stick-farming bezeichnete Form der Landbewirtschaftung ist nach Meinung der Experten keineswegs Ausdruck von Unterentwicklung oder Unfähigkeit, sondern eine spontan in Australien entstandene Urform der Landwirtschaft. Sie wurde von den Aborigines offensichtlich so intensiv genutzt, dass James Cook Australien als "Kontinent des Rauchs" bezeichnete.
Das fire-stick-farming hatte allerdings einen nachhaltigen Einfluss auf das natürliche Ökosystem. Durch das Abrennen wurden die trockenen Regenwälder vernichtet und durch Eukalyptuswälder ersetzt. Das hatte seinerseits Auswirkungen auf das Klima. Es wurde trockener, was wiederum die natürlichen Feuer (z.B. durch Blitzeinschlag ausgelöste Brände) förderte. So fanden die Europäer, als sie den Kontinent betraten, eine in weiten Teilen offene, parkartige Landschaft mit Eukalyptuswäldern ohne Unterwuchs vor, die sie für die natürliche Vegetation hielten. In Wirklichkeit war sie jedoch eine Folge der von den Aborigines praktizierten Form der "Feuerwirtschaft". Die häufig zu lesende Behauptung, dass die Aborigines noch "im Einklang mit der Natur" lebten, ist also nur bedingt zutreffend. Sie hatten sich zwar optimal an die lebensfeindliche Umwelt angepasst, diese aber auch z.T. tiefgreifend verändert.


Zerstörung der Lebensräume der Aborigines

Über die Bevölkerungszahl der Ureinwohner zur Zeit der Ankunft der weißen Siedler gehen die Schätzungen weit auseinander. Sie liegen zwischen 300.000 und 1 Mio. Die meisten Aborigines lebten an der klimatisch bevorzugten Ostküste. Das trockene Zentrum war zwar nicht so dicht besiedelt, aber dennoch Heimat einer bedeutenden Anzahl von Gruppen. Einen ersten größeren Bevölkerungszustrom europäischer Einwanderer brachte - nach der Übersiedlung von Sträflingen aus den überfüllten englischen Gefängnissen und der Landvergabe an Offiziere der Wachmannschaften - der um die Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Goldboom. Zahlreiche Bergbausiedlungen entstanden, die durch Straßen und Eisenbahnlinien mit der Küste verbunden wurden. Diese durch den Goldbergbau entstandene Infrastruktur war wiederum Voraussetzung für umfangreiche landwirtschaftliche Erschließungsmaßnahmen. So wurden große Räume vor allem für die exportorientierte Schafzucht und für den Weizenanbau erschlossen. Ihrer traditionellen Lebens- und Wirtschaftsweise entsprechend betrachteten die Aborigines die Tiere und die Felder der neuen Siedler als Allgemeingut bzw. als ihr Sammel- und Jagdgebiet. So musste es unweigerlich zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen kommen, in deren Verlauf die Aborigines immer weiter in die lebensfeindlichen Binnenräume verdrängt wurden.
"Das Ordnungsgefüge der Urbevölkerung wurde im Kern getroffen, weil ihnen die Identität von Lebensordnung und Lebensraum genommen wurde." (Lamping). Als minderwertige Rasse angesehen, wurden die Aborigines von ihrem Land verjagt, getötet oder in Reservate abgedrängt. Nach der Vorstellung der britischen Regierung sollten sie dort sesshaft werden und Landwirtschaft betreiben, um sich selbst versorgen zu können. Da sie aber keinerlei agrarische Erfahrung hatten, blieben sie auf Nahrungsmittellieferungen der Regierung angewiesen.
Infolge kriegerischer Auseinandersetzungen mit den weißen Siedlern und dem australischen Militär sowie eingeschleppter Krankheiten, gegen die die Aborigines keine Abwehrkräfte hatten (Tuberkulose, Masern, Grippe, Pocken), ging ihre Zahl bis 1920 auf ca. 60.000 zurück. In Tasmanien starb die Urbevölkerung sogar ganz aus. Als ein besonders perfides rassistisches Instrument erwiesen sich die in einzelnen Bundesstaaten erlassenen Aboriginal Protection Acts. Um die Aborigines zu "domestizieren" und in die europäisch geprägte Gesellschaft zu integrieren, nahm man den Eingeborenen in den Reservaten die Kinder weg und gab sie zur Adoption in weiße Familien oder in Heime und Missionen. Dort sollten sie wie Weiße erzogen werden, um später ein Leben in der europäisch geprägten Gesellschaft führen zu können. Von diesem unter dem Begriff "gestohlene Gesellschaft" (stolen generation) bekannten unmenschlichen Vorgehen waren je nach Region und Zeitraum ein Drittel bis ein Zehntel aller Aborigines-Kinder betroffen.
Die fast 200 Jahre dauernde Phase der Diskriminierung, Verfolgung und Vernichtung endete erst 1967, als in einer Volksabstimmung den Aborigines per Gesetz die Gleichberechtigung eingeräumt wurde. Eine Gleichstellung der Ureinwohner ist aber bis heute noch nicht gewährleistet. Die größte Gruppe der Aborigines - ihre Gesamtzahl wird gegenwärtig mit 463.000 angegeben – lebt heute in den Städten, denn nur dort sehen sie eine Chance, Arbeit und Einkommen zu finden. Da sie jedoch in der Mehrzahl ungelernte Arbeiter sind, leben die meisten in Ghettos am Rande der Städte - abhängig von staatlicher Fürsorge. Ein kleiner Teil lebt auf Viehfarmen und ehemaligen Missionsstationen im Landesinnern oder nach wie vor als Jäger und Sammler in den Trockengebieten der Mitte und des Nordens.


Räumliche Verteilung der Aborigines

Gebiet Aborigines
Bevölkerungsanteil

New South Wales 140.000 2,1 %
Queensland 113.000 2,7 %
Western Australia 75.000 3,8 %
Northern Territory 64.000 31,5 %
South Australia 24.000 2,4 %
Victoria 28.000 0,6 %
Tasmanien 15.000 3,1 %
Australian Capital Territory 4.000 1,2 %

Quelle: Australian Bureau of Statistics: Census of Population and Housing 2006


Kampf um Landrechte

"Das Recht auf das angestammte Land hat zentrale Bedeutung für die Lebensweise und Vorstellungswelt der Aborigines, wobei sie nicht den persönlichen Besitz, sondern die Bindung an das Land betonen ("We belong to the land!")." (Lamping). Als die Aborigines im Jahre 1961 erstmals das Wahlrecht erhielten und ihnen sechs Jahre später die Bürgerrechte anerkannt wurden, begann auch ihr Kampf um ihr traditionelles Land. Seitdem gibt es einen fast undurchsichtigen Dschungel von Urteilen, Reformprogrammen, Gerichtsentscheiden, Gesetzen und Gesetzesänderungen zu Fragen der Landrechtsreform. Der Überblick wird noch dadurch komplizierter, dass die Abkommen sowohl auf staatlicher als auch auf regionaler und lokaler Ebene unterschiedlich getroffen bzw. durchgesetzt wurden - von der Zentralregierung, den Regierungen der Bundesstaaten und der Territorien sowie von privaten Gruppierungen.
Anfang der 1970er Jahre setzte die Labour Regierung eine Landrechtsreform im Northern Territory, einem unter Bundesverwaltung stehenden Landesteil, in Gang, die 1976 in den Aboriginal Land Rights Act mündete. Mit ihm wurde den Ureinwohnern erstmals die Möglichkeit eingeräumt, Landrechte zu beanspruchen. Neun Jahre später, 1985, legte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf vor, der den Aborigines das unveräußerliche Besitzrecht auf Nationalparks, unbebautes Land und frühere Reservate zugestand. Widerstand gegen den Entwurf kam jedoch prompt - nicht nur von den Regierungen einzelner Bundesstaaten, die ihre Landpolitik traditionsgemäß individuell gestalten können, sondern insbesondere von den Bergbaugesellschaften. Daraufhin wurde der Entwurf von der Regierung wieder zurückgezogen.
Den eigentlichen Durchbruch in der Landrechtsbewegung markiert das Jahr 1992. Im sogenannten "Mabo-Urteil" (benannt nach dem Torres-Strait-Insulaner Eddie Koiki Mabo, der sich stark für die Landrechte der indigenen Bevölkerung einsetzte) erkannte der Oberste Gerichtshof die spezifischen Besitzrechte der Aborigines für ganz Australien an. Damit wurde die terra-nullis-Doktrin von 1788 endgültig für nichtig erklärt. Mit Ausnahme von Western Australia, wo die Bergbaugesellschaften besonders stark vertreten sind, erkannten alle Bundesstaaten dieses Urteil an. Das Mabo-Urteil besagte, dass es den Aborigines und den indigenen Bewohnern der Inseln in der Torresstraße möglich sei, ihre Rechte am Grund und Boden geltend zu machen, sofern sie in der Lage sind, eine "enge und dauerhafte" Beziehung zum beanspruchten Gebiet nachzuweisen. Ein weiteres Urteil aus dem Jahre 1996, das sogenannte Wik-Urteil, erweiterte nochmals die Landrechte der Aborigines, indem es nicht nur Land im öffentlichen Besitz - so im Mabo-Urteil festgeschrieben -, sondern darüber hinaus grundsätzlich auch das Land von privaten Pächtern einbezog. Damit stand den Aborigines jetzt auch der Zugang zu den "heiligen Stätten" und zu den traditionellen Jagd- und Fischfanggründen zu. Damit unterliegen etwa 80 % Australiens de jure dem allgemeinen Recht der "Native Titles". Trotz des Grundsatzurteils von 1992 tun sich die Regierungen der Bundesstaaten mit der konsequenten Umsetzung der getroffenen Entscheidungen bis heute schwer, sodass der Kampf um die Landrechte noch lange nicht ausgefochten ist.


Literatur

  • Carstens, Margret: Kampf australischer Aborigines um Landrechte. In: Geographische Rundschau, Heft 5/2005, S. 50 - 53
  • Lamping, Heinrich: Australien. Perthes Länderprofile. Gotha und Stuttgart: Klett-Perthes 1999
  • Löffler, Ernst W.: Veränderung der australischen Umwelt durch 200 Jahre europäischer Besiedlung. In: Geographische Rundschau, Heft 5/2005, S. 22 – 30
  • Rathgeber, Theodor: Landrechte der Aborigines. In: progrom-bedrohte Völker 247 (2/2008); unter: www.gfbv.it/3dossier/austral/abor-land.html (Zugriff März 2012)



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Norbert von der Ruhren
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 30.03.2012