Die Landwirtschaft lernt von Dazhai


Eine Volkskommune soll die Probleme des Lösslandes lösen

Schon vor mehr als 2.000 Jahren entwickelte sich das Lössland zu einem der Kernräume des expandierenden chinesischen Reiches. Über mehrere hundert Jahre war Xi` am Südrand des Lössberglandes die Hauptstadt der chinesischen Kaiser. Hier wuchs die Bevölkerung schon sehr früh. Dies führte dazu, dass die traditionelle Viehwirtschaft immer mehr vom intensiveren Ackerbau abgelöst wurde, zumal auf Löss sehr fruchtbare Böden entstehen. Aber im Lössbergland, mit seiner bis 200 m mächtigen, jedoch relativ lockeren Lössauflage, ist der Ackerbau sehr problematisch. Im Nordteil des Lössberglandes wird im relativ trockenkalten Winter bei fehlender Pflanzendecke die oberste Bodenschicht durch die stürmischen Westwinde ausgeweht. Bis nach Beijing machen sich die berüchtigten Staubstürme bemerkbar. Noch bedrohender aber ist die Bodenerosion an den lössbedeckten Hängen. Da beim Ackerbau die Pflanzendecke nicht flächendeckend ist und ein dichtes Wurzelwerk fehlt (im Gegensatz zur Grasbedeckung), werden bei sommerlichen Starkniederschlägen große Mengen von Lössboden abgeschwemmt und durch den Huang-he abtransportiert.

Auch bei der noch nicht so hohen Bevölkerungsdichte in den vorigen Jahrhunderten waren die Landschaftsschäden schon riesig, was immer wieder Ernteausfälle zur Folge hatte. Trotzdem sollte auch diese Region unter Mao im Zeichen der Regionalautarkie ihre ständig wachsende Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln selbst versorgen. Man glaubte, dass die Volkskommunen die notwendigen Sicherungsaufgaben in diesem ökologisch so problematischen Raum durch ihre Gemeinschaftsarbeit leisten könnten. Um dies zu beweisen, wurde die Produktionsbrigade Dazhai aus der gleichnamigen Volkskommune im östlichen Lössbergland von der chinesischen Propaganda als Vorbild herausgestellt. "Die Landwirtschaft lernt von Dazhai" belehrten Plakate und Transparente die Bauern in jedem chinesischen Dorf. Diese Produktionsbrigade hatte angeblich ausschließlich aus eigener Kraft die natürlichen Schwierigkeiten überwunden und erzeugte die notwendigen Grundnahrungsmittel. Dazhai wurde eine regelrechte Wallfahrtsstätte.

Seit der Kulturrevolution versuchten die Volkskommunen, die für die Ernährung notwendigen Getreidemengen im Lössbergland zu erzeugen. Für den Ackerbau wurden immer weitere Neulandflächen erschlossen. Trotz Warnungen von ökologischer Seite wurde auch vor den von Erosion bedrohten Gebieten nicht haltgemacht.

Quelle: Heinz Weber: Fundamente Kursthemen "Der asiatisch-pazifische Raum". Gotha: Perthes 1998, S. 81-82

Die Lösshochebene mit einer Fläche von 200.000 km² und einer Bevölkerung von 24 Mio. Einwohnern umfasst 123 Kreise... Die bisherige Politik stand im Zeichen der Agrarentwicklung, doch der durchschnittliche Hektarertrag liegt heute bei lediglich 12,75 t/ha (Anm.: Gesamtchina: 27,8 t/ha). In einem relativ großen Teil dieses Gebietes liegt er gar nur bei 2,3 bis 3,8 t/ha, und das durchschnittliche Arbeitsentgelt der Bauern in Naturalien oder Bargeld pro Person ist sehr niedrig. Nach statistischen Angaben über 121 Kreise erhalten die Bauern in 45 Kreisen (37 %) pro Person weniger als 150 kg Getreide im Jahr (Anm.: Gesamtchina: 175 kg). In 69 Kreisen – das sind 57 % der erfassten Kreise – beträgt das jährliche Pro-Kopf-Einkommen der Bauern (Bargeld und Naturalien) weniger als 50 Yuan (Anm.: Gesamtchina 1977: 65 Yuan).

Besonders bedenklich ist, dass in nicht wenigen Gegenden das Produktions- und Lebensniveau der Bevölkerung heute niedriger ist als 1949 oder zur Zeit des chinesisch-japanischen Krieges (1937 - 1945). Beispielsweise galt der Kreis Guyuan in der Provinz Ningxia früher als Kornspeicher, Öltopf und Hochburg der Viehwirtschaft. 1949 wurden durchschnittlich 61,5 t/ha Getreide geerntet und heute sind es gerade noch 28,5 t/ha. 1956 konnte dieser Kreis auch 4.300 t Pflanzenöl verkaufen, doch 1976 nur noch etwas über 400 t. Und schließlich vermarktete er 1958 über 3.000 Rinder gegenüber nur noch 800 im Jahre 1977. Gegenwärtig erhält in diesem Kreis jeder Einwohner im Durchschnitt weniger als 100 kg Lebensmittelgetreide jährlich und das Pro-Kopf-Einkommen liegt bei bloß 29 Yuan...

Das Lösshochland war in früheren Zeiten mit dichten Wäldern und fruchtbaren Weiden bedeckt. Dass sich die natürlichen Bedingungen heute dermaßen verschlechtert haben, liegt im wesentlichen an einer Missachtung der Naturgesetze.

Quelle: Renmin Ribao (Volkszeitung) vom 26. 11. 1978

Produktionsbrigade Dazhai (um 1978) nach offiziellen chinesischen Darstellungen

  • Kreis Hsijang (Provinz Shanxi) im Osten der Lösshochebene
  • ca. 500 Einwohner (ein Dorf), davon 140 ständige Arbeitskräfte
  • Natur: 24 % der Fläche sind Lösshügel mit geringerer Mächtigkeit (~50 m), der Rest ist relativ eben
  • Nutzfläche: 56 ha (40 % mehr als 1949)
  • Anbau und Vieh: Winterweizen, Mais, Hirse, Bohnen, Obst, neuerdings sogar Reis, 80 Stück Großvieh, 200 Schweine
  • Ertragsentwicklung

    Getreideerträge (Durchschnitt pro ha) Gesamterträge

    1953 1.800 kg 101.640 kg
    1964 6.060 kg 285.445 kg
    1967 7.065 kg 317.043 kg
    1977 9.825 kg 420.000 kg

  • Einkommensentwicklung
    Einkommensanteile aus den Produktionszweigen
    Getreide (%) Nebenerwerb (%) (Mühle, Nudelfabrik Obstbau, Vieh- u. Fischzucht, Forstwirtschaft)

    1968
    1972
    1976
    82
    60
    48
    18
    40
    52


    Gesamteinkommen

    1953 17.672 Yuan
    1964 73.270 Yuan
    1974 194.859 Yuan
    1976 208.938 Yuan

    (1 Yuan = 100 Fen = DM 1,26 / März 1978 / Kaufkraft etwa DM 4,50)

  • In Eigeninitiative durchgeführte Maßnahmen
    • Entwicklung einer Schnellkompostierung (ergibt 5 kg Kompost je m² Ackerland pro Jahr)
    • Entwicklung eines Zwischenfruchtanbaus (klimatisch angepasst): Steigerung der Gesamtgetreideernte um 50 %
    • Intensivierung der Schweinezucht (Futter aus Fabrikabfällen, Nutzung des Düngers)
    • Moderne Agrartechnologie: Dry-farming und Tiefpflanzen: Erosionsschutz
    • Terrassierung und Zusammenlegung der Feldstücke (aus 4.700 wurden 1.500 Feldstücke)
    • Aufforstung der Hänge des Tigerkopfberges (ca. 30 ha): Erosionsschutz, Wasserhaushalt, Forstwirtschaft
    • Bau eines 20 km langen Bewässerungskanals: Fischzucht, Obstanbau, sogar ein wenig Reis
Daten und Informationen aus: Werner Irrgang, China - die kommende Weltmacht. Reihe Geographische Zeitfragen, H. 5. Frankfurt/Main: Hirschgraben-Verlag 1983, S. 41/42

Da auch Dazhai noch im klimatisch günstigen Randbereich des östlichen Lössberglandes liegt, waren natürlich nur wenige andere Volkskommunen in der Lage, ähnlich günstige Ergebnisse vorzuweisen.


Quelle: Geographie Infothek
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 17.05.2006