Infoblatt Hurrikan Katrina


Der folgenschwerste Sturm in der Geschichte New Orleans.



Hurrikan Katrina über der us-amerikanischen Golfküste (NASA)

Hurrikan "Katrina“ war der viertstärkste tropische Wirbelsturm, der jemals auf dem Atlantik beobachtet wurde. Als der folgenschwerste Sturm reiht er sich in eine ganze Anzahl von Wirbelstürmen der Hurrikansaison 2005 ein. Am 29. August 2005 traf er auf die US-Golfküste und verwüstete vor allem die südlichen Staaten Mississippi, Alabama und Louisiana. In New Orleans brachen die Dämme und die Stadt wurde größtenteils überschwemmt.


Verlauf

Am 23. August 2005 bildete sich eine Tropische Depression über den östlichen Bahamas. Unter entsprechend günstigen Wetterlagen konnte sich daraus am folgenden Tag der Wirbelsturm "Katrina“ entwickeln. Er zog in Richtung Nordwest und traf am 25. August 2005 mit Böen von 130 km/h Spitzengeschwindigkeit auf den dicht besiedelten Südosten des US-Staates Florida und überquerte Miami. Bereits dort verursachte er erhebliche Schäden: mindestens 7 Menschen starben, heftige Niederschläge verursachten Überschwemmungen. Anschließend bewegte sich der Hurrikan über den Golf von Mexiko. Über dem ca. 30 °C warmen Wasser nahm er viel Energie auf und entwickelte sich zu einem Hurrikan der Kategorie 5 mit mittleren Windgeschwindigkeiten bis etwa 280 km/h. Derart aufgeladen raste er auf die US-amerikanische Golfküste zu, New Orleans lag damit in der direkten Zugbahn des Hurrikans. Am 28. August wurde die Zwangsevakuierung von New Orleans angeordnet, am 29. August traf "Katrina" auf die Südküste der USA, wo der Hurrikan auf einem Küstenstreifen von etwa 161 km die Infrastruktur weitestgehend zerstörte. Beim Eintreffen in New Orleans hatte sich "Katrina" auf Kategorie 3 abgeschwächt. Das Auge zog knapp östlich an New Orleans vorbei, die "Eyewall" hingegen (Ring mit höchsten Windgeschwindigkeiten) lag einige Zeit über der Stadt. Große Teile der Stadt wurden überflutet und unbewohnbar. Es brach völliges Chaos in der Stadt aus. Über 1.300 Menschen starben, Hunderttausende wurden vertrieben.
Auf dem Landweg über die Bundesstaaten Alabama, Tennessee, Kentucky und Ohio verlor der Hurrikan rasch weiter an Energie und versiegte zum 31. August auf seinem Zug nach Nordost. Gebietsweise fielen größere Regenmengen, auch einzelne Tornados richteten Schäden an.


Auswirkungen des Hurrikans

Die Katastrophenregion nimmt mit 235.000 km² in etwa die Fläche Großbritanniens (ohne Nordirland) ein. Im Küstenbereich der Bundesstaaten Mississippi und Alabama entstanden vor allem Schäden durch Wind und die gewaltige Sturmflut, die stellenweise 6 bis 7 Meter hoch war. Betroffen sind unter anderem die Fischerei-, Tourismus- und Ölindustrie sowie Infrastruktureinrichtungen und Ökosysteme. Besonders katastrophal wirkte sich der Hurrikan jedoch in New Orleans aus.
Die gesamten unmittelbaren Schäden (Opferhilfe und Schadensbeseitigung) belaufen sich auf etwa 125 bis 150 Mrd. US-Dollar. Werden Wachstumseinbußen sowie Folgeschäden in Landwirtschaft, Infrastruktur und Umwelt sowie bei Menschen mit einbezogen, werden die Gesamtschäden auf 600 Mrd. Dollar geschätzt, knapp 5 % des Bruttosozialprodukts der USA.


New Orleans

Nach Deichbrüchen strömte das vom Meer in den Lake Pontchartrain gedrückte Wasser in weite Teile der Stadt und machte sie unbewohnbar. Der Wasserstand erreichte z. T. einen Pegel von mehreren Metern über Grund, ganze Stadtteile standen bis zu den Dächern im Wasser, 80 % der Stadtfläche waren geflutet. Teile von New Orleans und einige weitere Orte sind auf längere Zeit nicht bewohnbar. Zehntausende verbliebene Menschen waren trotz angeordneter Evakuierung eingeschlossen und es bahnte sich eine humanitäre Katastrophe an. Mehr als 1.300 Menschen kamen ums Leben, Tausende wurden auch Monate später noch vermisst. Viele Menschen starben an Trinkwasser- oder Nahrungsmangel, kollabierten in der Hitze oder starben an Schwäche oder Krankheit, weil die Vorräte bald erschöpft waren und Hilfe von außen nicht schnell genug geleistet wurde. Nach verschiedenen Angaben beläuft sich die Zahl der Vertriebenen auf 400.000 bis 500.000. Zurückgekehrt sind davon bisher (Stand 17.12.05) nur 75.000. Auch die Infrastruktur ist noch lange nicht wieder voll funktionstüchtig: Über 100 000 Häuser und Geschäfte können nicht genutzt werden; 5 Millionen Tonnen Schutt müssen geräumt werden; nur 10 % der städtischen Busse sind in Betrieb (Stand 17.12.05). New Orleans verlor knapp ein Drittel seiner Arbeitskräfte und von den ehemals 81.000 Kleinbetrieben haben gegenwärtig nur 20.260 wieder ihre Arbeit aufgenommen. Von ehemals 117 öffentlichen Schulen unterrichten zurzeit nur 18. Die Zahl der Krankenhausbetten ging von 4.083 auf 1.760 zurück. Von den vor "Katrina" knapp 4.000 Restaurants der New-Orleanser Innenstadt haben bislang nur knapp 800 wieder ihre Tische gedeckt. Von den für die Unterbringung von Obdachlosen angeforderten 65.000 Notunterkünften wurden bislang nur 19.300 aufgestellt, in denen noch immer Hunderttausende kampieren. (taz Nr. 7909 vom 28.2.2006, Seite 4, 29)


Fischerei und Tourismus

Die Fischereiindustrie an der Golfküste wurde stark geschädigt, wenn nicht gar zerstört. Damit ist auch der Tourismus, der nach der Ölindustrie wichtigste Wirtschaftssektor der Region, katastrophal betroffen, denn viele Touristen kamen wegen der berühmten Fischrestaurants mit ihren Regionalgerichten aus lokalen Meeresfrüchten. Etwa 35 % der Austern und 46 % der Krabben Nordamerikas stammen aus der ökologisch sehr sensiblen Sumpf- und Marschlandschaft rund um New Orleans, die nun geflutet, verwüstet und zudem ökologisch schwer geschädigt wurde.


Energieversorgung

Mehr als die Hälfte des US-Ölimports wird über Terminals an der US-Golfküste abgewickelt und etwa 50 % der gesamten Raffineriekapazitäten befinden sich im Golf von Mexiko. Einige Bohrinseln und -türme im Golf von Mexiko und ein Teil der Raffinerien an der Südküste wurden durch "Katrina" zerstört oder stark beschädigt, wodurch in den USA Versorgungsmängel an Erdöl und Treibstoff auftraten. Um den plötzlichen Öl- und Spritmangel zu kompensieren, kauften die Energiekonzerne am Weltmarkt, Erdöl und Treibstoff ein, was den Preis auch in Deutschland in kurzer Zeit auf neue Höchststände trieb.


Umweltschäden

Ausgelaufene Abwässer und Chemikalien verseuchten weite Gebiete im Umkreis von New Orleans und an der Golfküste. Experten warnten vor dem "toxic stew", einem giftigen Gemisch aus Benzin, Chemikalien und menschlichen Abfällen, angereichert mit Bakterien, die zum Ausbruch von Seuchen führen können. Nach dem Hurrikan wurde deshalb die vollständige Zwangsevakuierung New Orleans' angeordnet. Obwohl eine von Menschen entleerte Stadt das einstweilen beste "Rückhaltebecken" für die Giftbrühe böte, beschlossen die Behörden, das verseuchte Wasser in den Mississippi und den Lake Pontchartrain abzupumpen und damit großflächig zu verteilen. Umweltexperten sahen darin eine eklatante Fehlentscheidung mit weit reichenden Folgeschäden in der Zukunft.


Geographische Lage von New Orleans und ihr Gefahrenpotenzial

Warum war gerade New Orleans so außerordentlich betroffen? Hier scheinen sich die fatalen Auswirkungen der Naturkatastrophe zu konzentrieren.
Einerseits zählt New Orleans, wie der gesamte Bundesstaat Louisiana, aber auch die Bundesstaaten Texas, North Carolina und Florida zu den Gebieten, die am häufigsten von Hurrikanen betroffen sind. Mit hoher Wahrscheinlichkeit verlaufen die typischen Zugbahnen der Wirbelstürme über diese Zonen. Seit 1900 wurden mindestens 12 Hurrikane in Louisiana beobachtet, die als "Major Hurricane" eingestuft wurden (d. h. mindestens Kategorie 3 auf einer Skala von 1 bis 5). Ein Drittel davon richteten ernsthafte Schäden in New Orleans an. Darüber hinaus war die Stadt öfter mit schwächeren Hurrikanen oder Tropischen Stürmen konfrontiert. Obendrein ist New Orleans aufgrund seiner geomorphologischen Lage besonders überschwemmungsgefährdet. Die Stadt liegt zu großen Teilen unter Meeresniveau und ist von Wasser umgeben: im Norden der "Lake Pontchartrain", im Süden das Meer, durch die Stadt fließt im Süden und Westen der Mississippi, der über Kanäle mit dem See im Norden verbunden ist. Man könnte von einem "Badewanneneffekt" sprechen. Deiche in Höhen von vier bis sieben Meter umgeben die Stadt und halten das Wasser davon ab, in die Stadt zu dringen.


Teufelskreis Absenkung – Überflutung – Abpumpung

Die Deiche sind Schutz und Schaden der Stadt. Durch das Deichsystem trocknet der Boden aus und sinkt schneller ab, als er das natürlicherweise tun würde. Bis 2090 werde die Stadt verschwunden sein, warnten Experten der Universität von Louisiana LSU. Das durch die Deiche gefährdete Marschland, welches die Stadt umgibt, wirkt wie ein Schwamm. Mit dem Marschland um New Orleans verschwindet auch die Möglichkeit, Flutwellen abzuschwächen, bevor sie die Stadt treffen. Mit jedem Stück Land weniger verliert die Stadt einen Teil ihres natürlichen Stoßdämpfers. Immer schwächere Stürme sind so in der Lage, New Orleans unter Wasser zu setzen – doch die Hurrikans werden im Gegenteil immer stärker.
Außerdem muss die Stadt ständig Sicker- und Abwasser in den höher gelegenen Lake Pontchartrain abpumpen, damit die Senke nicht bei jedem Regen unter Wasser steht. Dadurch trocknet der Boden noch mehr aus, was die Absenkung wiederum beschleunigt. Ein Teufelskreis: Je mehr sich die Stadt absenkt, desto stärker wird sie überflutet. Als Gegenmaßnahme müssen die Deiche höher und stabiler gebaut werden und es muss umso mehr gepumpt werden, was die Austrocknung des Bodens und damit die Senkung der Stadt weiter befördert. Als Ursachen der Katastrophe von New Orleans müssen also auch die menschgemachten herausgestellt werden.


Krisenmanagement

Nach dem Zusammenbruch der Funktionsfähigkeit der Stadt brach unter den zunehmend Verzweifelten in New Orleans im September 2005 Gewalt und Anarchie aus. Obwohl das Kriegsrecht verhängt wurde, schafften es die Polizei und die Nationalgarde tagelang nicht, die Lage in den Griff zu bekommen. Unter den Augen der völlig überforderten und viel zu wenigen Schutz- und Hilfskräften waren Chaos, Mord, Plünderungen und Verbrechen an der Tagesordnung. Der ‚Kollaps einer Zivilgesellschaft in Rekordzeit’ erfuhr in den Medien viel Aufmerksamkeit.
Die Verwundbarkeit der Stadt bei Hurrikanen und Überflutungen war, wie oben beschrieben, vorherzusehen. Warum hat es trotzdem Tage gedauert, bis endlich Hilfe geleistet wurde? Warum war die Nothilfe so schlecht organisiert?


Mangelhafter Katastrophenschutz, trotz wissenschaftlicher Aufbereitung

Die Möglichkeit eines derartigen Katastrophenverlaufs wurde unter Katastrophenexperten seit Jahren erörtert und war auch den verantwortlichen Behörden bekannt. In Studien, Simulationen und Modellen hatten Wissenschaftler Szenarien entwickelt, die "Katrina" mit erschreckender Genauigkeit in die Realität umgesetzt hat.
Ebenso war bekannt, dass Deiche und Dämme nur für Hurrikane bis zur Kategorie 3 ausgelegt waren. Da die Wahrscheinlichkeit für stärkere Hurrikane im Großraum New Orleans jedoch für sehr gering gehalten wurde, unterblieben weitergehende vorbeugende Katastrophenschutzmaßnahmen.
Um den oben erwähnten Teufelskreis zu unterbrechen, hatten Forscher bereits in den 80er Jahren Projektideen entwickelt. Erst 1998 veröffentlichten Wissenschaftler, Ingenieure und Politiker gemeinsam einen Plan zur Regenerierung der Küstenlandschaft von Louisiana. Da die Kosten von 14 Milliarden Dollar zu hoch schienen, blieb es bei der Idee. Der US-Regierung wird nun vorgeworfen, an der falschen Stelle gespart zu haben. US-Präsident George W. Bush hatte in der Vergangenheit mehrfach beantragt, das Budget für Hochwasserschutz zu kürzen. Zwar hätte auch eine vollständige Finanzierung die Katastrophe wahrscheinlich nicht verhindern können, allerdings hätte das Wasser schneller abgepumpt werden können.


Rassismus-Vorwurf

Die Hauptbetroffenen der durch "Katrina" ausgelösten Katastrophe an der Golfküste der USA waren fast ausschließlich Schwarze. Nachdem wirksame Hilfe von außen tagelang unterblieb, wurde der Rassismus-Vorwurf unter den Betroffenen immer lauter: Wären mehr Weiße von der Katastrophe betroffen gewesen, hätten die Verantwortlichen schnell und effektiv gehandelt. Als Beleg für diesen Verdacht wurde auch der Umstand gesehen, dass führende Mitglieder der US-Regierung die Katastrophe erst nach Tagen ernsthaft zur Kenntnis nahmen: Präsident George W. Bush beendete erst am 3. Tag nach Beginn der Katastrophe zögernd seinen Urlaub und flog erst nach 5 Tagen in das Krisengebiet. Vizepräsident Cheney erholte sich in Wyoming und trat auch danach tagelang nicht in Erscheinung. Ebenso Außenministerin Condolezza Rice, die noch am 31. August beim Shopping und im Theater in New York gesichtet wurde, obwohl sie aus Alabama stammt, einem der betroffenen US-Bundesstaaten an der Golfküste.


Armut, soziale Ungleichheit

Von der Katastrophe waren hauptsächlich Arme betroffen, denn etwa 1/4 der Bevölkerung New Orleans (zu 70 % Schwarze), lebte in Armut, meist von der monatlichen Fürsorge. Etwa 100.000 Einwohner besaßen kein eigenes Auto und waren bei der angeordneten Evakuierung auf ein öffentliches Notfall-Transportsystem angewiesen, das zuvor nie erprobt wurde und dann auch versagte. Vielen war zudem zum Monatsende das Geld knapp geworden, so dass sie sich die Evakuierung bzw. eine privat organisierte Abreise nicht leisten konnten oder wollten; ein Hauptgrund, warum so viele Menschen sich nicht rechtzeitig in Sicherheit brachten.


Mangelnde private Vorsorge + Versagen der Behörden

Insgesamt scheint der aufziehende Hurrikan "Katrina" von den Verantwortlichen auf allen Ebenen, wie auch von der Bevölkerung, weit unterschätzt worden zu sein. Ein Großteil der Bevölkerung traf keine oder nur unzureichende Katastrophenvorsorge. Aber auch die Behörden agierten zu spät: So wurde erst 24 Stunden vor Eintreffen von "Katrina" in New Orleans die Evakuierung angeordnet, obwohl der Katastrophenplan eine Frist von 48 Stunden vorschreibt. Wertvolle Zeit verstrich ungenutzt, auch in den verbleibenden 24 Stunden wurde die Evakuierung nur nachlässig betrieben, z. B. blieb die gesamte Flotte der Schulbusse ungenutzt und versank anschließend in den Fluten. Auch die betroffenen Bundesstaaten reagierten verhängnisvoll verzögert. So forderte z. B. die Gouverneurin von Louisiana erst am 31. August Hilfe der Zentralregierung an und erklärte erst am 03. September den Katastrophenfall.


Vorrang der Terrorbekämpfung

Viele Kommentatoren sehen eine Hauptursache für die mangelnde Vorbereitung im falsch ausgerichteten Katastrophenschutz der USA. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 wurde der Katastrophenschutz stark auf den "Krieg dem Terrorismus" ausgerichtet. Die Mittel für den vorbeugenden Schutz gegen Naturkatastrophen wurden um 1/3 gekürzt und Naturgefahren als nachrangig behandelt. Die Organisation FEMA (Katastrophenhilfswerk) erwies sich daher als unvorbereitet und ineffektiv.


Irakkrieg

Dass die Mittel zur Vorbeugung und Bewältigung von Naturkatastrophen so stark gekürzt wurden, ist auch Folge des andauernden und kostspieligen Irakkriegs, der außerdem Personal (Nationalgarde, Soldaten), Material und Geräte (u. a. Transporter, Räumgerät, Flugzeuge) bindet, die bei der Katastrophenbewältigung an der Golfküste in den USA fehlten.


Begünstigung von Gefolgsleuten

Bei der Besetzung der Leitungsstelle der FEMA orientierte sich George W. Bush nicht an Organisations- und Fachkompetenz: Er benannte seinen politischen Gefolgsmann Michael D. Brown, zuvor Leiter eines Pferdezuchtverbandes; eine eklatante Fehlbesetzung, wie schon vor der Katastrophe vielfach kritisiert wurde und sich dann in der Krisenbewältigung verhängnisvoll bestätigte. Er wurde deshalb am 09. September 2005 von der Leitung des Katastrophenschutzes entbunden.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Wera Wojtkiewicz
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 18.05.2012