Infoblatt Transitverkehr in Österreich


Überblick, Fallbeispiel Brenner

Vor dem 2. Weltkrieg war der Ost-West-Verkehr sehr bedeutend, dieser fiel jedoch mit der politischen Teilung Europas weitgehend weg. Stattdessen entwickelte sich der Nord-Süd-Verkehr in besonders ausgeprägtem Maße. Nach den politischen Veränderungen der 1990er Jahre gewinnt nun auch die Ost-West-Achse wieder zunehmend an Bedeutung.
Österreich ist besonders bedeutend für den straßengebundenen Transitverkehr. Grund ist zum einen die verkehrspolitische Beschränkung der Schweiz (hieraus resultiert ein "Umwegtransit" für den Lkw-gebundenen Güterverkehr), zum anderen die günstige geographische Lage im Herzen Europas. Als Beschränkung für den Straßengüterverkehr hat Österreich mit einer Fahrbeschränkung für Lkw mit einem zulässigen Höchstgewicht von 38 t reagiert. Als neues Konzept wurde 1993 das "Ökopunktsystem" in einem Transitvertrag zwischen Österreich und der EU eingeführt, welches vor allem eine Senkung der Schadstoffbelastung zum Ziel hat. Es wurde eine maximal zulässige Gesamt-Stickstoffoxidmenge festgelegt, welche auf die "Ökopunkte" umgerechnet wurde. Jeder Lkw verbraucht - je nach seinem Schadstoffausstoß - eine bestimmte Anzahl von "Ökopunkten". Jede Spedition bekommt nur ein begrenztes Kontingent an Punkten zugewiesen. Sind diese verbraucht, dürfen die Lkw der Spedition das Land nicht mehr passieren. Eine Fahrt mit umweltfreundlicheren Fahrzeugen macht sich in einer Punkteersparnis bemerkbar, die für weitere Fahrten verwendet werden können. Das Ziel war es, die zur Verfügung stehenden Punkte innerhalb von zehn Jahren bis 2003 um 60 % zu senken. Der Ökopunktverbrauch sank von 12,94 Punkten pro Fahrt im Jahr 1993 auf 6,95 Punkten pro Fahrt im Jahr 1999 (Länderprofil Österreich / FELIX JÜLIG. – Gotha: Perthes, 2001, S. 140). Eine bessere Auslastung soll und wird ebenfalls erzielt, da Leerfahrten unnötig wertvolle Punkte verschlingen. Die gewünschte Reduzierung wurde jedoch nicht erreicht. Die Bemühung, den Straßentransit unter Kontrolle zu bekommen, war und ist weitestgehend erfolglos geblieben, denn dieser ist noch weiter angestiegen. Ein großer Fehler lag darin, die Ausgangsberechnung für die benötigten Punkte viel zu hoch anzulegen, so dass es zunächst nicht wirklich zu einer Verknappung kam (1993 wurden lediglich 70,8 % der zur Verfügung stehenden Punkte benötigt). Erfolgreicher ist jedoch die Umstellung der Spediteure auf Fahrzeuge mit weniger Schadstoffausstoß. Immerhin konnten die Abgasemissionen gegenüber dem Jahr 1991 um über 55 % reduziert werden. Als besonders kritisch betrachtet JÜLIG (2001) den Umstand, dass zeitgleich zu ersten Engpässen an Ökopunkten 1995/96 die Öffnung der Grenzen zur EU erfolgte und zahlreiche Lkw die Grenze ohne Kontrolle und somit ohne Abbuchen von Ökopunkten passierten. Die Ökopunktregelung wurde 2003 außer Kraft gesetzt.
Aber auch in Österreich wächst der Widerstand in der betroffenen Bevölkerung, der zunehmend auch von der Politik wahrgenommen wird. So wurden beispielsweise Nacht- und Wochenend-Fahrverbote für Lkw erteilt.


Fallbeispiel Brenner-Pass

Die wichtigste Nord-Süd Transitstrecke für den Straßenverkehr verläuft über den Brenner-Pass (Nord-Süd-Achse München-Brenner-Verona). Die natürlichen Voraussetzungen sind besonders günstig, da kein Tunnel zur Alpenüberquerung notwendig ist (die höchste Stelle liegt bei 1.371 m). Letzteres führte auch dazu, dass der Brennerpass ab 1972 zur ersten durchgängig befahrbaren Autobahnüberquerung ausgebaut wurde. Bis zu 5.200 Lkw überqueren ihn täglich. Insgesamt passierten im Jahr 2010 rund 1.902.000 Lkw den Brenner. Eine vorübergehende starke Anhebung der Maut auf dem Abschnitt musste aufgrund starker Proteste der EU-Staaten und den auf andere österreichische Strecken ausweichenden LKW-Verkehr zurückgenommen werden. Zur Entlastung wird das Schienennetz weiter ausgebaut, darunter vor allem der Brenner Basistunnel (BBT). Der Eisenbahntunnel zwischen Innsbruck (Österreich) und Franzensfeste (Italien) soll voraussichtlich 2025 fertiggestellt werden. Mit einer Gesamtlänge von 64 km entsteht damit die weltweit längste unterirdische Eisenbahnstrecke. Bislang wird ein Großteil der Güter (28,3 Mio. t im Jahr 2010) über die Straße transportiert, doch der Bahnanteil steigt stetig an und lag 2010 bei 15,1 NNt. Vor allem der kombinierte Güterverkehr wird zunehmend genutzt. Beispielsweise wurde von Österreich das RoLa-Angebot über den Brenner auf 27 Zugpaare und 21 Wagen pro Zug erweitert. RoLa steht für "Rolllende Landstraße" und bezeichnet den Transport von Lkw mit der Bahn. Als Ursachen für den Aufschwung des Schienengüterverkehrs werden die sektoralen Fahrverbote sowie die Weltwirtschaftskrise der späten 2000er Jahre gesehen, die insbesondere für den Lkw-Verkehr negative Auswirkungen hatte.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich, Sebastian Bork, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2006
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 13.04.2012