Das "São-Paulo-Syndrom"




Sao Paulo, Brasilien, CBD

Im globalen Prozess der Verstädterung sind riesige Bevölkerungsballungen entstanden, die heute mit Begriffen wie Megastadt und Megalopolis bezeichnet werden. Besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist dabei der Konzentrationsprozess weit fortgeschritten. Ein Beispiel für diese extreme und ungeregelte Urbanisierung stellt São Paulo dar, größte Stadt Brasiliens und Südamerikas. Sie erlebte besonders seit dem Ende des 19. Jahrhunderts ein starkes Bevölkerungswachstum, das phasenweise als explosionsartig bezeichnet werden kann. Mit dem Bevölkerungswachstum ging ein Flächenwachstum einher, das man spätestens seit den 1960er Jahren nicht mehr regulieren konnte. So wuchs die Stadt nicht nur ungeregelt und ausgreifend ins Umland; innerhalb der Agglomeration ergab sich auch eine immer stärkere räumliche und soziale Fragmentierung - bis hin zu den Favelas und Deponiesiedlungen der Armen und Ärmsten. Für die durch diese Prozesse ausgelöste Bodendegradation, also für dieses "Krankheitsbild", prägte man den Begriff "São-Paulo-Syndrom". So wie hier führt auch in anderen Megastädten der Dritten Welt die ungebremste Landflucht zur Überlastung der städtischen Ver- und Entsorgungssysteme.



São Paulo, Leben an und von der Deponie

Jahr Einwohnerzahl Jahr Einwohnerzahl

1890 64.900 1970 5.924.600
1900 239.800 1980 8.493.200
1911 346.000 1991 9.646.200
1920 579.000 2000 10.434.400
1929 880.000 2007 10.886.500
1940 1.060.100 - Angaben für São Paulo Stadt
1950 2.198.100 - Grande São Paulo (Agglomeration):
1960 3.666.700 2007 19.200.000

Bevölkerungsentwicklung in São Paulo, 1890 bis heute



Motive der Land-Stadt-Wanderung

  • Nachteilige Merkmale des ländlichen Raums (Push-Faktoren)
    • niedriger Lebensstandard
    • unzureichende Ernährungslage infolge Landknappheit
    • Arbeitslosigkeit
    • Unterdrückung durch Grundbesitzer
    • Ausbeutung durch Zwischenhändler
    • mangelnde Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen (Schule, Krankenhaus etc.)
    • geringe Teilnahmemöglichkeit an Gütern und Dienstleistungen des Staates
    • erstarrte Sozialstrukturen
    • mangelnde Innovationsbereitschaft
    • Ernterisiko durch Witterungseinflüsse/Bodenzerstörung
  • Persönliche Motive und Kommunikationsmedien
    • Glaube an eine Verbesserung der Situation ("schlechter kann es nicht werden")
    • außengeleitetes Verhalten/Mode ("wie der Freund/Bruder")
    • Radio/Fernsehen/Presse
    • Berichte von Besuchern aus der Stadt
    • Saisonarbeit in der Stadt, z. B. auf Baustellen
  • Attraktive Strukturmerkmale des städtischen Raums (Pull-Faktoren)
    • Arbeitsmöglichkeiten
    • höherer Verdienst
    • Aufstiegschancen
    • größere persönliche Freiheit
    • größere Auswahl an öffentlichen Infrastruktureinrichtungen (Schule, Krankenhaus etc.)
    • größere Teilnahmemöglichkeit an Gütern und Dienstleistungen des Staates
    • abwechslungsreicherer Lebensalltag



Das Krankheitsbild

"Da das Bevölkerungswachstum und die Expansion der Metropolen und Megastädte mit außerordentlicher Geschwindigkeit und extensiver Flächeninanspruchnahme ablaufen, sind gravierende Überlastungs- und Umweltprobleme eine fast unausweichliche Folge. Zu den größten ökologischen Problemen gehören Luft- und Wasserverschmutzung, fast ungeregelte Abfall- und Abwasserentsorgung sowie Degradierung und Kontamination städtischer Böden:
'Das 'Krankheitsbild' der fundamentalen Störung der ökologischen Funktionsfähigkeit ist durch das Zusammenwirken ver-schiedener Faktoren gekennzeichnet. Es treten durch intensive Flächennutzung hohe Belastungen der Böden auf. Verursacht werden diese durch den direkten Shcadstoffeintrag aus der Atmosphäre, Abfallakkumulation und Flächenversiegelung. Indirekt werden die Böden durch die Schädigung der Vegetation belastet, welche wiederum Folge menschlicher Eingriffe ist. Hierzu zählen auch Änderungen des lokalen Klimas, die durch den hohen Versiegelungsgrad und Energieverbrauch verursacht werden. Die Beeinträchtigung des Wasserhaushalts aufgrund ungeregelter Entworgung und hohen Wasserverbrauchs belastet die Böden direkt, aber auch indirekt über die Schädigung der Vegetationsdecke. Die skizzierten Prozesse sind eng miteinander verwoben und bewirken so eine Instabilität des Ökosystems in den betroffenen Gebieten.'"
Korby, Wilfried: Bodendegradation - Unser Boden in Gefahr?! In: TERRA global. Stuttgart, Leipzig: Klett Verlag 2006, S. 39


Aufgaben

(Die frühere Google Maps Anwendung benötigte zur Ausführung veraltete Technik, die von den meisten Browsern nicht mehr unterstützt wird. Deshalb wurde die Anwendung entfernt. Wir danken für Ihr Verständnis.)


Autor: Arno Kraus
Verlag: Klett Verlag GmbH
Ort: Stuttgart, Leipzig
Quellendatum: 2009
Bearbeitungsdatum: 14.09.2010