Infoblatt Globalisierungsprozesse


Übersicht ausgewählter Globalisierungsprozesse


Globalisierung der Finanzmärkte

Börsenbroker sind heute in der Lage, Anlagemöglichkeiten für Kapital weltweit zu vergleichen und Anlagen mithilfe moderner Kommunikationstechniken sehr schnell zu tätigen. Eine weitgehende Aufhebung der Beschränkungen auf Finanzmärkten und die Schaffung internationaler Kapitalmobilität haben in den letzten Jahren zur Herausbildung von globalen Finanzmärkten geführt. Momentan werden auf den internationalen Finanzmärkten jährlich 80,8 Billionen US-$ im Aktienhandel bewegt (Stand 2009). Internationale Kapitalanlagen, der spekulative Handel mit Währungen und die Ausdehnung internationaler Kredite gewinnen heute gegenüber dem sichtbaren Warenhandel zunehmend an Gewicht.
Diese Mobilität des Kapitals macht ganze Volkswirtschaften und Währungen anfällig für Spekulationen und Instabilität. In den 1990er Jahren stieg der Aktienhandel an Börsen weltweit stark an und die durchschnittliche Dauer des Aktienbesitzes verkürzte sich von 9,7 Jahren in 1980 auf gut anderthalb Jahre in 1990. Heute liegt die durchschnittliche Haltedauer bei sechs Monaten (Stand 2009). Dies ist ein Zeichen dafür, dass es den Marktteilnehmern in erster Linie um spekulative Gewinne geht, im Gegensatz zu langfristigen, wertsteigernden Geldanlagen. Dieses Verhalten stellt eine Gefahr für die weltweiten Aktienmärkte dar, denn die Aktienkurse spiegeln nicht mehr den wahren Wert eines Unternehmens wider. Dazu tragen Unternehmen bei, die die Wahrheit über ihren wirtschaftlichen Zustand verschleiern und somit die Börse täuschen. Besonders in Krisenzeiten steigt die Umschlagshäufikeit des Aktienhandels bei gleichzeitig sinkender Marktkapitalisierung. Dies war besonders während der Finanzkrise 2008 spürbar, wo Aktien nach durchschnittlich drei Monaten wieder verkauft wurden und Aktien im Wert von 114,1 Billionen US-$ gehandelt wurden, obwohl der Aktienbestand (Marktkapitalisierung) nur bei 32,9 Billionen US-$ lag. Bereits 2009 beruhigten sich die Finanzmärkte jedoch wieder. Insgesamt hat sich das Börsengeschehen enorm beschleunigt, was auch auf die verstärkte Technisierung des Aktienhandels zurückzuführen ist. So kann durch die Einführung des automatisierten Handels der Computer innerhalb weniger Sekunden auf Neuigkeiten aus der ganzen Welt reagieren.


Globalisierung der Märkte, Marktstrategien, Produktion

Unternehmen vergleichen heute die Standortfaktoren weltweit und können ihre Produktion an den optimalen Standort verlagern. Zu den Standortfaktoren gehören u. a. die Höhe der Lohnkosten und die Arbeits- und Produktionsbedingungen. Findet ein Unternehmen im Ausland bessere Standortfaktoren vor, verlagert es häufig seine Produktion. Eine Senkung der Arbeits- und Produktionskosten (v. a. Löhne und Gehälter) wird häufig angestrebt. So sind zahlreiche Produktionsstandorte in den letzten zehn Jahren an die Peripherien der Schlüsselregionen USA, Europa und Japan verlegt worden, nämlich nach Mexiko, Osteuropa und Ostasien. Ermöglicht wurde diese Mobilität der Produktion in erster Linie dadurch, dass viele Länder sich verpflichtet haben, auf Importe aus sog. Billiglohnländern keine Zölle mehr zum Schutz ihrer eigenen Arbeitsplätze zu erheben (Freihandelsabkommen). Die vermehrte Kapitalbeschaffung von Unternehmen an der Börse verstärkt diesen Effekt, da unternehmerisches Handeln zunehmend vom Wertgewinn für die Aktionäre abhängig gemacht wird.
Somit hat sich eine neue, weltumspannende Organisationsform des kapitalistischen Unternehmens, nämlich das trans-, multi- oder internationale Unternehmen, weitgehend durchgesetzt. Es gilt als wichtigster, aber nicht einziger Motor der Globalisierung. Diese Unternehmen verfügen über mindestens eine Tochterfirma im Ausland, an der sie eine Kapitalbeteiligung von mindestens zehn Prozent besitzen. Die Gesamtzahl multinationaler Unternehmen lag im Jahr 2008 bei ca. 82.000 (Muttergesellschaften), die der Tochtergesellschaften sogar bei 800.000.
Die Strategien der Unternehmen konzentrieren sich mittlerweile nicht nur auf die Errichtung neuer Produktions- und Verkaufsstätten im Ausland. Vielmehr sollen die ausländischen Filialen so organisiert werden, dass aus den Bedingungen eines globalen Marktes optimaler Nutzen gezogen werden kann. Globale Unternehmen lagern mitunter einzelne Unternehmenszweige, wie Produktion, Forschung und logistische Tätigkeiten, aus der Muttergesellschaft aus, um sie an Standorten anzusiedeln, die den jeweils erforderlichen Kompetenzen, Produktionskosten sowie Markterfordernissen gerecht werden. Je nach Branche und Art der Nachfrage konzentrieren die Unternehmen ihre Produktion auf große Einheiten in kostengünstigen Ländern und exportieren sie dann in die verschiedenen Märkte. Oder aber die Produktionseinheiten werden verstreut organisiert, um nah am Kunden zu sein. In Branchen mit besonders hohen Forschungskosten spezialisieren sich bestimmte nationale Forschungseinrichtungen in verschiedenen Ländern und bauen untereinander einen Wissenstransfer auf. Dies ist beispielsweise in der Pharmaindustrie der Fall. Die dazu aufgebauten Netze umfassen nicht nur Tochterunternehmen, sondern auch durch verschiedene Vertragsarten miteinander verbundene Partner (Kooperationen bei Produktion oder Vertrieb, Lizenzverträge, gemeinsame Forschungsabkommen usw.). Durch die Verbindung mit einem Partner werden Investitionsrisiken geteilt und Informationen über lokale Gegebenheiten beschafft. Beispielsweise kann für Investitionen in neue Fabriken im Ausland ein Unternehmen auch auf dem lokalen Markt Kapital aufnehmen.


Globalisierung des Handels

Der Welthandel ist in weit stärkerem Maße gewachsen als die industrielle Warenproduktion. Dies zeigt, dass Industrien immer weniger nur für den lokalen oder nationalen Markt produzieren, sondern zunehmend sowohl für Zwischenprodukte als auch für Endprodukte weltweite Märkte finden. Import- und Exportschranken sind im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer mehr abgebaut worden. Internationale Organisationen wie die World Trade Organisation (WTO, 1994 gegründet) wachen darüber, dass keine Handelsschranken den internationalen Verkehr von Waren und Dienstleistungen behindern. Bei Streitigkeiten zwischen Ländern kann die WTO schlichten, ihre Beschlüsse sind für alle Vertragspartner bindend. Hauptakteure des globalisierten Handels sind die multinationalen Unternehmen. Innerhalb dieser Konzerne wird inzwischen mehr Handel betrieben als zwischen zwei unterschiedlichen Unternehmen. Die Bedeutung des internationalen Handels fällt somit hinter den unternehmensinternen Handel zurück. Die multinationalen Konzerne besitzen einen beträchtlichen politischen Einfluss durch ihre Mobilität und Verflechtung mit der Politik, was ihnen Vorteile verschaffen kann (z. B. Subventionen und Steuererleichterungen).


Globalisierung von Lebensformen und Konsummustern

Globalisierung bedeutet auch die Trennung von Produktion und Vermarktung, wodurch neue Marketingstrategien möglich werden. Einige wenige Unternehmen, wie Sony, Coca ("Make it real") oder Nike ("Just do it!") werden zu einer globalen Übermarke, die durch aggressives Marketing ein bestimmtes Image aufbaut und dieses bis in die letzten Winkel der Welt trägt. Die Verbreitung von Lebensgefühlen in Verbindung mit Markenartikeln und die Schaffung eines Kults um diese ist eine neue Erscheinung, die auf Globalisierungsprozesse zurückgeführt werden kann. Diese Strategien zielen darauf ab, treue Markenanhänger überall auf der Welt zu gewinnen. Westliche Lebensweisen und Konsumverhalten werden so in andere Kulturen getragen. Mitte der 1980er Jahre wurden Nike und Co als eine neue Art von Unternehmen angesehen, nicht viel mehr als eine Marketing- und Designfirma, die die Produktion nach Übersee an kostengünstige ausländische Fabriken vergab und damit zur Aushöhlung der einheimischen Industrie beitrug. Aber innerhalb weniger Jahre wurde Nike dann als das Modell eines globalen Unternehmens der nachindustriellen Zukunft bejubelt.


Literatur

Jörg Maier/Reiner Beck: Allgemeine Industriegeographie. Gotha: Perthes 2000.
Gerhard Fuchs: Globalisierung (mehr als) Wirtschaft ohne Grenzen. In Praxis Geographie, 18.Jg., H. 7 8, Braunschweig, Westermann 1988.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Wera Wojtkiewicz, Wiebke Hebold
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 24.07.2012