Infoblatt Glaziale Serie


Glaziale Serie im Überblick



Glaziale Serie (Klett)

Bis vor ca. 10.000 Jahren lagen weite Teile Europas unter einer mächtigen Eisdecke begraben, danach erwärmte sich das Klima wieder und zwang die Eismassen zum Rückzug. Während der größten Eisausdehnung der Weichseleiszeit in Mitteleuropa, vor ca. 20.000 Jahren, schoben sich die Gletscher aus Skandinavien über die Ostsee und Großbritannien bis weit hinter Berlin an die deutsche und polnische Mittelgebirgsschwelle heran. Im Süden dehnten sich die Gletscher der Alpen weitläufig in das Vorland aus. Diese großräumige Vereisung, währenddessen ca. ein Drittel der weltweiten Landmassen unter Eis begraben waren, ist keine Ausnahmeerscheinung. In den letzten 1,6 Millionen Jahren der Erdgeschichte gab es eine Vielzahl von Kaltphasen, die eine global weitreichende Vereisung verursachten. Momentan befinden wir uns in einer Interglazialphase, d. h. in einer Warmphase zwischen zwei Eiszeiten. Mittlere Warmphasen dauerten in der Erdgeschichte ca. 20.000 Jahre an, die derzeitige nun schon seit 10.000 Jahren.
Eiszeiten haben in der Natur unverwechselbare Landschaften hinterlassen, die heute beliebte Naherholungsziele darstellen, wie beispielsweise die Mecklenburger Seenplatte oder die Oberbayrischen Seen.
Als erste beschrieben Albrecht Penck (1858 bis 1945) und Eduart Brückner (1862 bis 1927) die typische Abfolge eiszeitlicher Formungen, zu denen Grundmoräne, Endmoräne, Sander und Urstromtal gehören. Sie prägten daraufhin die Bezeichnung "Glaziale Serie". Die regelhafte Anordnung glazialer Formen können unterschiedlich ausgeprägt und durch darauffolgende Eiszeiten überformt sein. Am besten sind die Ablagerungen der letzten Eiszeit, die für Norddeutschland die Bezeichnung Weichsel-Kaltzeit trägt, in der Landschaft erhalten.


Hauptformen der glazialen Serie

Schematisch gliedert sich die glaziale Serie in eine Grundmoränenlandschaft, die sich unter dem Eis befand; eine hügelige Endmoränenkette; eine durch Schmelzwässer aufgeschüttete Sanderfläche und dem Urstromtal als abschließendes Element.


Grundmoräne

Die Grundmoränenlandschaft zeichnet sich durch eine flache, leicht wellige bis kuppige Oberfläche aus, die auch eine Vielzahl von Seen beinhaltet. Material, was der Gletscher im Eis mitführt, wird durch ausschmelzen unter ihm abgelagert. Das Korngrößenspektrum reicht von feinem Sediment wie Ton und Sand über Kies bis zu großen Gesteinsblöcken, die auch als Findlinge bezeichnet werden. Sie sind im Norddeutschen Tiefland anzutreffen und haben der Wissenschaft über lange Zeit Probleme bei der Rekonstruktion ihrer Herkunft bereitet. Erst mit der Verfestigung der Vereisungstheorie durch Penck und Brückner Anfang des 20. Jahrhunderts konnten dieses und weitere Phänomene geklärt werden.


Endmoräne

An die Grundmoräne schließt sich die Endmoräne an, die sich bogenförmig um den weitesten Vorstoß des Eises anordnet. Sie markiert eine über längere Zeit stationäre Randlage des Gletschers, so dass sich mächtige Wälle aus mitgeführtem Material anhäufen konnten. Die Endmoränen können dabei eine Länge von mehreren hundert Kilometern und eine Höhe von bis zu hundert Metern erreichen. Ihre Entstehung kann durch Ausschmelzen von Material aus dem Eis am Ende des Gletschers sowie durch Aufschieben von Sediment durch die Bewegung des Eises erklärt werden. Meist sind nur die Endmoränenwälle der letzten Vereisung erhalten geblieben.


Sander

Sander sind im Gegensatz zu den Moränen nicht durch die direkte Einwirkung des Gletschers entstanden. Durch den enormen Auflagerungsdruck des Gletschers und die Erdwärme schmilzt das Eis an der Unterseite des Gletschers und fließt in einer Vielzahl von Schmelzwasserströmen aus dem Gletscher aus. Sie führen große Mengen an Material wie Ton, Sand und Geröll mit sich, welches hinter der Endmoräne im Gletschervorland wieder abgelagert wird. Mit wachsender Entfernung zur Endmoräne wird das Material, aus dem der Sander aufgebaut ist, immer feiner. Kiese werden sofort hinter der Endmoräne abgelagert, Sand und Ton werden noch weiter transportiert.


Urstromtal

Das abfließende Wasser sammelte sich in einem Urstromtal, welches mehr oder weniger parallel zum Eisrand verlief. Da die Flüsse aufgrund des Eisschildes über Norddeutschland während der Kaltphasen nicht mehr nach Norden abfließen konnten, mussten sie westwärts umschwenken. Die Schmelzwässer aus dem Eis kamen hinzu und formten die heute bekannten Urstromtäler, die meist von Südost nach Nordwest fließen. Von heutigen Flüssen genutzte Urstromtäler sind u. a. das nördlich der Alpen verlaufende Tal der Donau, welches die Alpengletscher entwässert sowie Urstromtäler in Norddeutschland, in denen heute der Oder-Havel-Kanal und die Elbe fließen. Verfolgt man die Elbe auf einer Landkarte, so kann man das westliche Abknicken in ein Urstromtal zum einem östlich von Wittenberg, zum anderen südöstlich von Perleberg erkennen. Im weiteren Verlauf von Perleberg an folgt die Elbe dem Urstromtal bis zur Mündung in die Nordsee.


Kleinformen

Neben den Hauptformen der glazialen Serie bilden sich unter sowie im Umland des Gletschers diverse kleinere Formen. Sie entstehen zum einen direkt durch die "Arbeit" des Gletschers, zum anderem indirekt durch dessen Schmelzwässer.


Hohlformen

Steigen die Temperaturen im Vereisungsgebiet wieder an, so wird der Gletscher zum Rückzug gezwungen. Dabei können sich kleinere Eisblöcke vom Gletscher abtrennen und als "Toteiskörper" unter dem Ablagerungsschutt des Gletschers noch einige Zeit bestehen. Taut schließlich auch das Toteis aus, so entstehen verschiedene Hohlformen, welche Kessel oder Sölle genannt werden.
Zu den glazialen Hohlformen lassen sich weiterhin Rinnenseen zählen. Durch den großen Eisdruck schmilzt das Eis an der Unterseite des Gletschers und fließt unter ihm ab. Die Erosion des fließenden Wassers (subglaziäre Erosion) bildet tiefe Rinnen unter dem Eis, die mitunter hunderte Kilometer lang sein können. Teilweise füllen sich diese Rinnen beim Rückzug des Gletschers ebenfalls mit Toteis. Späteres Abschmelzen führt zu lang gestreckten Seen, von denen in Nordostdeutschland eine Vielzahl existiert, die heute teilweise von Flüssen genutzt werden. Die Oder folgt in ihrem Verlauf zur Ostsee einer durch subglaziäre Erosion entstandenen Rinne.
Im Moränengebiet Norddeutschlands sind ferner kleinere, rundliche Hohlformen verbreitet, die durch den Kollaps von Pingos gebildet wurden. Bei Pingos oder auch Hydrolakkolithen handelt es sich um Bodenerhebungen im Gebiet des Permafrostbodens, die aufgrund einer wachsenden Eislinse im Boden entstanden sind. Taut diese Eislinse, bildet sich eine Hohlform, die sog. Pingonarbe. Sie füllt sich mit Schmelz- oder Niederschlagswasser, somit entstehen Seen oder Moore.


Aufschüttungsformen

Neben rundlichen und langgestreckten Hohlformen, zeigen sich in der Moränenlandschaft auch aufgeschüttete Formen. Zu diesen Formen gehören Kame (pl. Kames) und Os (pl. Oser). Kames sind Aufschüttungsformen, die durch Fließgewässer auf dem Gletscher entstanden sind. Dabei wurde mitgeführtes Material wie Sand und Kies in Vertiefungen (Hohlformen) auf dem Eis abgelagert. Nach dem Abtauen des Gletschers sackte das Material zu Boden und es bleiben kuppen- oder kegelförmige Vollformen zurück. Oser sind dagegen wallartige, bis einige hundert Kilometer lange Dämme, die sich durch die heutige Landschaft erstrecken. Ihre Entstehung ist auf Ablagerungen von Fließgewässern, die in schmalen oder breiten Gletscherspalten flossen, zurückzuführen. Endete eine Gletscherspalte, so war das Wasser gezwungen, unter dem Gletscher weiter zu fließen und bildete somit eine Rinne unter dem Gletscher (siehe Rinnensee). Deswegen sind Oser und Rinnenseen in der Landschaft häufig vergesellschaftet.
Drumlins sind längliche, zugerundete Hügel, die einige Zehnermeter Höhe und hunderte Meter Länge erreichen können. Sie können entstehen, wenn sich an der Unterseite des Gletschers auf Grund von Reliefunebenheiten Spalten bilden. In diese Spalten wird das Material der Grundmoräne bei der Gletscherbewegung hineingepresst, so dass beim Abschmelzen langgestreckte Hügel zurückbleiben. Sie treten häufig in großen Scharen auf und bilden ein kuppiges Relief. Südöstlich von München kommen Drumlins in einer großen Vielzahl und in der Landschaft besonders gut sichtbar vor.


Literatur

Ahnert, F. (1999): Einführung in die Geomorphologie. Ulmer Verlag. Stuttgart.
Goudie, A. (2002): Physische Geographie: eine Einführung. Spektrum Verlag. Heidelberg.
Liedke, H. & J. Marcinek (1994): Physische Geographie Deutschlands. Gotha.
Louis, H. & K. Fischer (1979): Lehrbuch der Allgemeinen Geographie. Allgemeine Geomorphologie. Berlin, New York.
Press, F. & R. Siever (1995): Allgemeine Geologie: eine Einführung. Spektrum Verlag. Heidelberg.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Wolfgang Koppe
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 27.05.2012