Infoblatt Erschließung Sibiriens
Erschließung Sibiriens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert
(Klett)
Sibirien vor der russischen Erschließung
In Sibirien lebten schon sehr lange Menschen. Es sind Höhlenmalereien bekannt, die auf eiszeitliche Jägergruppen deuten. Die Lebensweisen im weiten Raum Sibiriens waren stark klimaabhängig.
Im Süden, wo das Klima milder und das Land fruchtbarer war, konnte sich die Bevölkerung von Viehzucht und Ackerbau ernähren. Im Norden hingegen war das Klima rau und feucht. Ackerbau war kaum möglich, so dass dieser Raum erst viel später besiedelt wurde. Lebensgrundlage im Norden bildete die Rentierzucht. Das Lebensniveau war sehr niedrig.
Seit dem 13. Jahrhundert dominierten die Mongolen, die viele Stämme in ganz Mittelasien, Westsibirien und Osteuropa unterwarfen. Im 16. Jahrhundert wurden Sie von den Russen abgelöst.
Die koloniale Erschließung Sibiriens (16.-18. Jahrhundert)
Die russischen Eroberungszüge begannen mit der Familie Stroganow. Sie "erkauften" sich das Land "Sibier", indem sie es durch Kosaken erobern ließen, Militär- und Handelsstützpunkte bauten und Handel betrieben. Die Kosaken stießen im Osten auf sehr geringen Widerstand. Das Handelsgut der Stroganows waren vor allem Pelze.
Um 1600 hatten die Kosaken das Gebiet am Fluss Ob erreicht, drangen 1620 zum Jenissei vor und erreichten 1650 die Lena. 1639 waren sie am Pazifik und 1640 schließlich an der Beringstraße angelangt. 1699 konnten Sie die Insel Kamtschatka erobern.
Neben dem Pelzhandel waren die Motive der Eroberungen vor allem die wertvollen Edelmetalle.
Aus den Militär- und Handelsstützpunkten entwickelten sich die ersten größeren Städte (z. B. 1586 Tjumen – die erste sibirische Stadt). Da die Rohstoffe im Süden leichter zu gewinnen waren, richtete sich der Kolonialisierungsstrom verstärkt in das Gebiet des heutigen Kasachstan vor.
Sibirien als russische Kolonie
Bis zum 18. Jahrhundert dominierte im Norden die Pelzgewinnung der Zobeltiere. Schon Ende des 17. Jahrhunderts war aber die Zahl der Zobeltiere drastisch zurückgegangen. Als Folge wurde die "Zobelsteuer" eingeführt, die von den Einheimischen erbracht werden musste – ein Beispiel für die Unterdrückung und Ausbeutung. Die Folge waren Not und Hunger. Die natürliche Lebensart der Einheimischen wurde unterbunden. Mit dem Alkohol, den die Russen eingeführt hatten, ging die Kultur vieler Stämme verloren.
Ab dem 18. Jahrhundert gewannen Ackerbau und Industrie an Bedeutung. Die Bevölkerung wuchs daher im klimabegünstigten Süden rascher als im Norden. Die Reichtümer, die in Sibirien erwirtschaftet wurden, wurden allerdings nach Westen an den Zaren weitergeleitet.
Bereits im 17. Jahrhundert begann ein Prozess, der das Bild Sibiriens für lange Zeiten sehr negativ prägen sollte. Die Zwangsdeportierung von Kriegsgefangenen. Diese wurden im Bergbau und bei Infrastrukturprojekten eingesetzt. Diese "billigen" Arbeitskräfte brachten den Russen westlich des Urals sehr schnell sehr hohe Gewinne, wohingegen die Menschen Sibiriens kaum am wirtschaftlichen "Aufschwung" teilhaben konnten. Die Zwangsdeportierung nahm im Lauf der Zeit immense Ausmaße an. Schließlich wurden nicht nur Kriegsgefangene, sondern auch Verbrecher und unerwünschte Personen verbannt. Es wurden immer neue Gründe gesucht, um eine Deportierung nach Sibirien zu rechtfertigen. Viele Deportierte kehrten nicht wieder zurück und starben in den Lagern. Weniger hart bestrafte Gefangene, die sich frei bewegen durften, konnten ihre Familien nachreisen lassen und blieben schließlich im fernen Sibirien und versuchten sich eine Zukunft aufzubauen. Diese Menschen brachten ihr Wissen und ihre Kultur aus dem Herkunftsgebiet mit nach Sibirien.
Neben vielen Nachteilen brachte die Kolonialisierung der einheimischen Bevölkerung aber auch Vorteile. Neue und effektivere Jagdtechniken und ein hohes Niveau im Haus- und Ackerbau konnten übernommen werden.
Industrielle Erschließung im 20. Jahrhundert
Mithilfe der Verbannten und Zwangsdeportierten konnten immer weitere Regionen Sibiriens erschlossen werden. Auch am Bau der Transsibirischen Eisenbahn, der bereits im 19. Jahrhundert begann, waren überwiegend Verbannte beteiligt. Die Transsib kann auch als Leitachse der Besiedlung und Industrialisierung gesehen werden. Entlang dieser Bahnlinie setzte ein Urbanisierungsprozess ein, der viele heutige Großstädte hervorbrachte.
Die schon bestehenden Verbannungslager wurden unter Stalin ausgebaut und ab 1930 als GULAG bezeichnet. Zur verstärkten Industrialisierung wurde von Stalin 1929 der erste Fünf-Jahres-Plan eingeführt. Darin legte er u. a. fest, dass alle Zwangsarbeiter in verstärktem Maße nur noch zur Industrialisierung der Sowjetunion und zum Gewinn der Rohstoffe und Bodenschätze eingesetzt werden sollten. Neben Metallen waren auch riesige Erdöl- und Erdgaslagerstätten entdeckt worden. Bis zum Tod Stalins haben ca. 18 Millionen Menschen die GULAGs durchlaufen. Bis 1987, als die Lager endgültig aufgelöst wurden, waren es schätzungsweise 29 Millionen Menschen. Das System der GULAGs war der eigentliche Motor der industriellen Erschließung Sibiriens. Ohne die Deportierten, als die billigste Arbeitskraft überhaupt, hätte Sibirien niemals innerhalb so kurzer Zeit so umfassend erschlossen werden können.
Parallel zur industriellen Erschließung begann der Prozess der Russifizierung. Die Naturvölker wurden verdängt, ihre Sprache verboten, ihre Kultur und Tradition verachtet. Sie mussten die russische Lebensart übernehmen, durften nur noch russisch sprechen und ihre alten Bräuche wurden untersagt. Nur wenige noch bis heute nomadisch lebende Stämme konnten ihre alte Tradition aufrechterhalten. Doch mit der Perestroika 1989 gingen viele Gebiete Sibiriens autonomen Bestrebungen nach. Dadurch konnten auch viele alte Völker ihre ursprünglichen Traditionen wieder aufnehmen und stärken.
Mit Auflösen der GULAGS fehlten Arbeitskräfte, so dass der Industrialisierungsschub sehr bald an seine Grenzen kam. Noch bis heute sind die weiten Verkehrswege und damit verbundenen hohen Transportkosten kaum finanzierbar. Die Kälte verursacht hohen Materialverschleiß, der aus Geldmangel immer weniger behoben werden kann. Als Folge der unsachgemäßen Wartung von Industrie- und Transportanlagen treten hohe Energieverluste auf, Öl läuft aus und giftige Subtanzen können entweichen. Die Umweltverschmutzungen im heutigen Russland haben daher immense Ausmaße angenommen. Die Lebensmittelproduktion ist zusammengebrochen und Nahrung muss nach Sibirien eingeführt werden. Auch wenn heute sehr viele Gebiete über eine eigene Souveränität verfügen, ist Sibirien noch immer auf die Unterstützung des russischen Teils westlich vom Ural angewiesen.
Erdöl-, Erdgaspipelines und aktuelle Verkehrsprojekte geben der wirtschaftlichen Entwicklung Sibiriens für die Zukunft Hoffnung.
Quelle: Geographie Infothek
Autor: Petra Müller
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 27.05.2012
Autor: Petra Müller
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
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Bearbeitungsdatum: 27.05.2012