Infoblatt Registrierung und Bewertung von Erdbeben
Makroseismik und Mikroseismik
Chinesische Erdbebenvase (Klett)
Seit Jahrhunderten gibt es bereits Geräte, die Erdbeben in großen Entfernungen registrieren können und sogar die Richtung des Erdbebenherdes anzeigen. So wurde 132 n. Chr. in China das Seismoskop erfunden, dessen Funktionsweise in der Abbildung erkennbar ist. In Europa nutzte man später Schüsseln mit Überlaufrinnen, aus denen bei Erdstößen Wasser oder Quecksilber schwappen konnte. Mithilfe dieser Geräte konnte jedoch keine Aussage über die Stärke eines Erdbebens getroffen werden.
Zur Beantwortung dieser Frage gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze: Zum einen lässt sich ganz ohne Messgeräte die Intensität eines Erdbebens angeben, zum anderen erlaubt die Messung der so genannten Magnitude Aussagen über die bei einem Erdbeben freigesetzte Energiemenge.
Makroseismische Bebenintensität
Der Grad der bei einem Erdbeben entstandenen Schäden wird durch die so genannte makroseismische Intensität angegeben. Als Skala verwendet man dazu im europäischen Raum vor allem EMS-98 (European Macroseismic Scale), welche eine Weiterentwicklung der älteren MSK-64-Skala ist, die nach ihren Entwicklern Medvedev, Sponheuer und Karnik und dem Jahr ihrer Einführung (1964) benannt ist. Diese basierte wiederum auf der zu Beginn des 20. Jahrhunderts von dem italienischen Vulkanologen Giuseppe Mercalli entwickelten Skala. Die in 12 Intensitätsgrade unterteilte Skala reicht von Erschütterungen, die nur von Messgeräten wahrgenommen werden können, bis zu schwersten Zerstörungen.
Um ein Beben anhand einer makroseismischen Skala zu bewerten, können beispielsweise Fragebögen an die Bevölkerung verteilt werden, die darin angegeben kann, wie sie, ganz subjektiv, das Beben erlebt hat. Aber auch historische Beben lassen sich so mittels zeitgenössischer Quellen (Augenzeugenberichte, bildliche Darstellungen etc.) bewerten.
Überträgt man die in einer Region festgestellten Intensitätsgrade in Karten und verbindet gleiche Werte miteinander, liefern die sich ergebenden Isoseisten Hinweise auf das Epizentrum des Bebens. Durch den Abstand der einzelnen Isoseisten lassen sich auch Rückschlüsse auf das Hypozentrum und die bevorzugte Schwingungsausbreitungsrichtung ziehen. Probleme ergeben sich jedoch hier aus der Variabilität des geologischen Untergrunds, durch die die Bebenintensität wesentlich beeinflusst wird: Auf weichen Böden kann beispielsweise auch in größerer Entfernung vom Erdbebenherd die Intensität höher sein als auf festem Untergrund in Herdnähe.
Mikroseismische Beben-Magnitude
Für die Forschung ist es selbstverständlich unverzichtbar, physikalische Eigenschaften von Erdbeben exakt zu messen. Dazu reicht natürlich nicht die Bebenintensität, da deren Festlegung letztlich nur auf subjektiven Eindrücken basiert. Zudem lassen sich mit der Makroseismik keinerlei Aussagen über die Stärke von Beben in spärlich oder überhaupt nicht besiedelten Gebieten wie auch bei Erschütterungen der Ozeanböden treffen. Mit Entwicklung des Seismographen im ausgehenden 19. Jahrhundert wurde die Mikroseismik zu einem wichtigen Zweig der Seismologie.
Funktionsschema eines Seismographen (Klett)
Ein Seismograph zeichnet schwächste Bodenbewegungen dadurch auf, dass die Bewegungen des fest mit dem Boden verbundenen Gerätes mit denen eines schweren Körpers verglichen werden, der sich aufgrund seiner Trägheit und einer geeigneten Aufhängung möglichst ruhig verhält. Die Konstruktion eines derartigen Gerätes stellt die Entwickler vor große Herausforderungen, da Störungen wie Temperaturschwankungen oder Vibrationen durch den Straßenverkehr ausgeschaltet, gleichzeitig die Geräte aber hoch empfindlich sein müssen. Je nach Konstruktionsweise können Seismographen vertikale oder horizontale Bewegungen aufzeichnen. Moderne Seismographen übertragen die Schwingungen mittels eines Lasers und erlauben so eine elektronische Aufzeichnung und sofortige Weiterverarbeitung der Messwerte.
Die Magnitude eines Bebens ist vereinfacht gesagt nichts anderes als der Ausschlag auf dem so genannten Seismogramm, aus dem die Amplitude der bei einem Beben ausgestrahlten seismischen Wellen abgelesen werden kann. Da die Amplitude mit zunehmender Entfernung vom Hypozentrum abnimmt, wird sie auf eine Herdentfernung von 100 Kilometern umgerechnet.
Als Maß für die Erdbebenmagnitude entwickelte der amerikanische Seismologe Charles Francis Richter 1935 am California Institute of Technology (Caltech) in Kalifornien die nach ihm benannte Richter-Skala, in der die Magnitude ein logarithmisches Maß für die am Epizentrum freigesetzte Schwingungsenergie darstellt. Da die Skala logarithmisch aufgebaut ist, sind die Bodenbewegungen eines Bebens der Stärke 6 beispielsweise zehnmal stärker als bei einem Beben der Stärke 5, die freigesetzte Energiemenge ist rund dreißigmal größer. Beben der Stärke 2 sind gerade noch spürbar. Theoretisch ist die Skala nach unten wie nach oben offen, allerdings hat sie eine natürliche Grenze bei M > 9.5, da die Gesteine zerbrechen, bevor sich derartig gewaltige Energien aufbauen können.
Die von Richter erarbeitete Magnitudenformel kann nur auf maximal 1.000 km von der Aufzeichnungsstelle entfernte Beben in der oberen Erdkruste angewendet werden, für weiter entfernte oder tiefe Beben gibt es Modifizierungen dieser Formel. Diese berücksichtigen dann auch die unterschiedlich zu definierenden Magnituden verschiedener Wellenarten.
Obgleich die Richter-Skala nach wie vor in der Öffentlichkeit sehr verbreitet ist, wird sie in der seismologischen Forschung kaum noch verwendet. Diese bedient sich heutzutage eher der Momentmagnitude, welche sich aus dem so genannten "seismischen Moment" ableiten lässt und Eigenschaften des Bebenherdes und die Herdverschiebung mit berücksichtigt. Das seismische Moment ist ein physikalisches Stärkemaß für Erdbeben und kann aus dem Produkt der Erdbebenherdparameter Bruchfläche und Bruchversatz sowie alternativ direkt aus Seismogrammen berechnet werden.
Das weltweit etablierte Netz aus seismologischen Stationen erfüllt noch einen weiteren Zweck, nämlich die Überwachung des umfassenden Kernwaffenteststoppvertrages (Comprehensive Nuclear Test-Ban Treaty - CTBT), der die Durchführung von Atomtests unter der Erde, im Wasser und in der Luft verbietet. Die enormen Energiemengen, die bei einer Kernwaffenexplosion freigesetzt werden, erzeugen typische Wellenmuster, die weltweit registriert werden können. Somit kann kein Staat unbemerkt derartige Waffen testen.
Literatur
BERCKHEMER, H. (1990): Grundlagen der Geophysik. Darmstadt.
SEIBOLD, E. (1995): Entfesselte Erde. Vom Umgang mit Naturkatastrophen. Stuttgart.
SCHICK, R. (1997): Erdbeben und Vulkane. München.
Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 28.05.2012