Infoblatt Seismische Wellen
Erdbebenwellen im Überblick
Erdbebenwellen (Klett)
Im Augenblick eines Scherbruchs wird die gespeicherte potenzielle Energie in einen Impuls kinetischer Energie umgewandelt, wobei die freigesetzten Energiemengen enorm sind - bei einem Beben mit der Magnitude 5,5 rund 3 Millionen Kilowattstunden! Ein Teil dieser Energie wird durch Reibung in Wärme umgewandelt, der andere Teil in Form von Wellen abgegeben.
Typen von Raumwellen
Vom Hypozentrum breiten sich zwei unterschiedliche Wellentypen aus, nämlich P- und S-Wellen. Die P-Wellen (primary waves) pflanzen sich mit beinahe der doppelten Geschwindigkeit der S-Wellen (secondary waves) fort und werden daher von Seismographen zuerst registriert. Aus der Verzögerung, in der die P- und S-Wellen an einer Erdbebenwarte eintreffen, lässt sich deren Entfernung zum Erdbebenherd errechnen. Greift man auf die Aufzeichnungen von mindestens vier Messstationen zurück, kann man sowohl die geographische Länge und Breite als auch die Herdtiefe durch einfache Triangulation bestimmen. Das Hypozentrum ist somit genau lokalisiert. Da heute die Daten hunderter Stationen automatisch ausgewertet werden, ist die Bestimmung des Hypozentrums auf Bruchteile eines Kilometers sowie der genaue Zeitpunkt des Bruchs auf hundertstel Sekunden genau bestimmbar. Durch Energieabstrahlung nimmt die Amplitude der Erdbebenwellen mit der Entfernung vom Hypozentrum ab, da diese Abnahme jedoch regelhaft verläuft, lässt sich die ursprüngliche Amplitude einfach errechnen.
Bei den P-Wellen handelt es sich um Kompressionswellen, d. h., sie verdichten oder verdünnen das Gestein in Bewegungsrichtung durch Kompression oder Dilatation, ähnlich dem Verhalten von Schallwellen in der Luft. Die Geschwindigkeit der P-Wellen liegt zwischen 5,5 und 13,5 km / sec, abhängig von der Dichte des Materials, in dem sie sich bewegen. Die Tatsache, dass P-Wellen in die Luft übertreten können, kann eine Erklärung für Geräuscherscheinungen liefern, die bei Erdbeben auftreten können.
S-Wellen sind Transversal- oder auch Scherwellen; die Gesteinspartikel schwingen dabei senkrecht zur Ausbreitungsrichtung hin und her und schütteln so das Gestein. Sie gleichen beispielsweise Wellenbewegungen an einem Seil. Transversalwellen pflanzen sich mit 3,5 bis 7 km / sec fort, werden allerdings im Gegensatz zu Kompressionswellen in flüssigem Material ausgelöscht.
Durch die Interpretation der Wellenausbreitung bei Erdbeben konnten Erkenntnisse über den inneren Bau der Erde gewonnen werden. Da S-Wellen in einer Tiefe von 2.900 km ausgelöscht werden, konnte man daraus schließen, dass der äußere Erdkern flüssig sein muss. S-Wellen treten erst wieder im inneren, demnach festen, Erdkern auf. Allgemein lassen sich durch Beobachtung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und Richtung von Raumwellen Rückschlüsse auf die physikalischen Eigenschaften des Materials, in dem sich die Wellen bewegen, ziehen.
Oberflächenwellen
Gelangen die P- und S-Wellen an die Oberfläche, werden sie an dieser Materialgrenze teilweise reflektiert. Auch bilden sich hier als Oberflächenwellen so genannte geführte Wellen oder auch L-Wellen. Oberflächenwellen sind letztendlich für die teilweise katastrophalen Zerstörungen bei Erdbeben verantwortlich. Man unterscheidet hier zwischen den Rayleigh- und den Love-Wellen. Erstere bewegen die oberflächennahen Gesteinspartikel in Ellipsen auf einer vertikalen Ebene und breiten sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 4 km / sec aus. In ihrer Bewegung und dem raschen Abklingen zur Tiefe gleichen sie den Meereswellen. Die Love-Wellen schwingen parallel zur Erdoberfläche und quer zur Ausbreitungsrichtung, sie sind die zerstörerischsten Wellen eines Bebens.
Oberflächenwellen treffen an den Messstationen zuletzt ein und haben meist eine größere Magnitude als die P- und S-Wellen. Liegen sie auch noch im Frequenzbereich von 1 - 20 Hertz, können sie sich durch Resonanz aufschaukeln. Dies passiert beispielsweise dann, wenn die Oberflächenwellen mit den Eigenschwingungen von Gebäuden übereinstimmen oder weicher Untergrund die Entstehung von Resonanzschwingungen begünstigt. Auch in größerer Entfernung zum Erdbebenherd, in der die Wellen schon einen großen Teil ihrer Energie verloren haben, können so wieder Zerstörungen auftreten.
Bodenbewegungen
Aus der unterschiedlichen Laufzeit der verschiedenen Wellentypen ergibt sich eine typische Abfolge von charakteristischen Bodenbewegungen. Die zuerst an der Oberfläche eintreffenden P-Wellen verursachen eine vertikale Auf- und Abbewegung des Bodens, meist ohne größere Schäden anzurichten. Die danach eintreffenden S-Wellen führen zu einem etwas länger anhaltenden seitlichen Rütteln. Dann folgt das Beben der Love-Wellen und das Rollen der Rayleigh-Wellen. Beide Bewegungen halten relativ lange an und erreichen hohe Magnituden. Am Schluss eines Erdbebens folgt eine Mischung unterschiedlichster Bewegungen, welche durch verschiedene Wellentypen verursacht werden, die durch Brechung und Reflexion erst verzögert eintreffen.
Durch die unterschiedlichen Wellengeschwindigkeiten können auch zu Beginn eines Bebens noch Schutzmaßnahmen ergriffen werden: Obwohl die Zeitspanne von der Registrierung der vergleichsweise harmlosen P-Wellen zum Eintreffen der zerstörerischen Oberflächenwellen in der Regel kaum ausreicht, die Bevölkerung zu warnen, so kann doch beispielsweise eine automatische Notabschaltung von Kernkraftwerken, eine Notbremsung von Zügen oder die Abriegelung von Versorgungsleitungen eingeleitet werden.
Literatur
BERCKHEMER, H. (1990): Grundlagen der Geophysik. Darmstadt.
SEIBOLD, E. (1995): Entfesselte Erde. Vom Umgang mit Naturkatastrophen. Stuttgart.
SCHICK, R. (1997): Erdbeben und Vulkane. München.
HAACK TaschenAtlas (2003): Vulkane und Erdbeben. Gotha.
Quelle: Geographie Infothek
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 01.05.2012
Autor: Sebastian Siebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 01.05.2012