Infoblatt Küstenschutz und Landgewinnung


Alles über Schutzmaßnahmen an Steil- und Flachküsten sowie Neulandgewinnung






Küstenschutz


Auf der Erde schreitet der natürliche Angriff der Meere an vielen Küsten voran. Dieser Küstenrückgang bedroht oftmals wertvolle Anlagen wie Häfen, Fischersiedlungen, Badeorte, Strandhotels und Leuchttürme, die vor der Zerstörung durch das Meer bewahrt werden sollen. Deshalb bemühen sich die Menschen schon seit langer Zeit um Küstenschutz. Unter Küstenschutz werden demnach alle Maßnahmen verstanden, um die Küste direkt oder indirekt vor einer Abtragung zu schützen. Aber auch die landseitigen Gebiete sollen vor der Brandung und den gelegentlichen Sturmfluten abgesichert werden. Es stehen sich also zwei Formen des Küstenschutzes gegenüber. Einerseits soll das weitere Abbrechen von steilen Kliffküsten verhindert werden und andererseits bestimmt der Hochwasserschutz die Baumaßnahmen an Flachküsten.


Küstenschutz an Steilküsten

Die Steiluferabschnitte (wie z. B. an der deutschen Ostseeküste) müssen nicht vor Überflutungen geschützt werden, da das Hinterland ohnehin hoch genug gelegen ist. Häufig müssen jedoch Maßnahmen ergriffen werden, um der Rückversetzung des Kliffs entgegenzuwirken. Steilküsten können erst mit den technischen Mitteln der Neuzeit effektiv geschützt werden. Die Wirkung der Brandung wird mit wellenbrechenden Buhnen (schräge oder senkrechte Pfahlreihen), Molen, Steinpackungen und Betonmauern abgeschwächt.


Schutzmaßnahmen bei Flachküsten

An den Flachküstenabschnitten der Ost- und Nordsee gab es oftmals natürliche Küstendünen aus Sand, die aber häufig von den Menschen zerstört oder umgebaut wurden. Denn anders als bei Steilküsten muss das besiedelte Hinterland vor verheerenden Sturmfluten und ständigen Sandausspülungen geschützt werden. Dazu wird meistens eine Kombination aus mehreren baulichen Schutzmaßnahmen ergriffen. Sturmflutschutzdünen sind natürliche oder küstentechnisch veränderte Sandkörper mit einer bestimmten Kronenhöhe und Mindestbreite. Bei einer Sturmflut sollen die Wassermassen durch diesen Substratkörper gebremst und ein Vordringen ins Landesinnere verhindert werden. Da die Dünen nicht befestigt sind, werden sie bei einem Sturmflutereignis z. T. abgetragen und müssen anschließend wieder künstlich rekonstruiert werden. Deshalb müssen die Schutzdünen prinzipiell eine enorme Mächtigkeit aufweisen. Oftmals ist dies jedoch nicht der Fall und so sind zusätzliche Deichbauwerke notwendig, um einen effektiven Hochwasserschutz zu gewähren. Die Deiche sind teilweise so weit landeinwärts versetzt, dass der Vorlandstreifen zur Neutralisierung der Brandungsenergie ausreicht. Wichtige Voraussetzung bei Deichen ist eine Mindesthöhe der Dammkrone, die nicht niedriger liegen darf, als die in der Vergangenheit erreichten Hochwasserstände. Weiterhin muss auf mögliche Sackungserscheinungen des Untergrundes geachtet werden und die Befestigungsmethode des Deichbauwerkes an das Wellenlaufverhalten angepasst sein.
An manchen Küstenabschnitten, wie z. B. auf der Insel Sylt, existiert ein negativer Sedimenthaushalt. Dies bedeutet, dass Sandmangel durch die ständige Brandungserosion herrscht und nicht geschützte Küstengebiete und Inseln drohen, vom Meer "verschluckt" zu werden. Der Uferlinienrückgang soll durch wiederholte Sandaufspülungen verhindert bzw. gedämpft werden. Das Prinzip ist dabei recht einfach: An einem anderen Küstenabschnitt wird Sand mit Spülbaggern entnommen und das Wasser herausgefiltert, wobei sich der Sand im Schiffsbauch absetzt. Am betroffenen Küstenabschnitt wird mit Pumpen wieder ein Sand-Wasser-Gemisch hergestellt und auf das betroffene Ufer mit Rohren gelenkt. Das Wasser läuft zurück ins Meer und der Sand wird technisch zusätzlich verfestigt. Dieses Verfahren muss allerdings alle paar Jahre wiederholt werden und somit verteuert sich die Methode enorm. Sandaufspülungen können deshalb nur an ausgewählten Küstenabschnitten vorgenommen werden. An anderen Stellen muss der natürliche Küstenverlust einfach akzeptiert werden. Auch die anderen Maßnahmen stehen immer im Spannungsverhältnis zwischen Ökologie und Ökonomie. Jeder Eingriff des Menschen durch den Küstenschutz hinterlässt seine Spuren im empfindlichen Ökosystem der Küsten. Zusätzlich muss immer zwischen den Kosten und dem Nutzen der Maßnahmen abgewogen werden. Der Schutz des Menschen steht dabei aber im Vordergrund.


Landgewinnung

Dem Küstenschutz dienen auch die Maßnahmen der Landgewinnung, die oft auch als Neulandgewinnung bezeichnet werden. Durch Aufschüttungen und Trockenlegungen an einer Küste (Meer oder Binnensee) wird der Boden erhöht oder eingedeicht, um ihn überschwemmungsfrei zu halten. Es werden dabei natürliche Verlandungsprozesse an den Küsten genutzt und technisch beschleunigt. An der deutschen Nordseeküste entwickelte sich die Technik der Landgewinnung seit Jahrhunderten. Der Mensch macht sich dabei die natürlichen Schlickablagerungen im Gezeitenbereich zu Nutze. Ein System aus Buhnen beruhigt das Meerwasser und verzögert das Abfließen bei Ebbe. Dadurch können sich feine Schwebteilchen und Sand auf dem Meeresboden ablagern. Der Meeresboden erhöht sich und Jahr für Jahr werden Gräben ausgehoben. Der ausgehobene Schlick erhöht die Beete, auf denen nach einigen Jahren der (angepflanzte) Queller wächst. Dieser verfestigt mit seinen Wurzeln den Boden und hält weiteren Schlick zurück. Wenn das neugewonnene Land hoch genug ist, wird ein Deich davor gebaut. Das vor Überschwemmungen nun eingedeichte Neuland wird auch als Kooge bezeichnet. Einst diente das Neuland vorwiegend der Landwirtschaft, während das vorrangige Ziel heute der Küstenschutz ist. Umstritten ist die Neulandgewinnung, weil sie das ökologisch wertvolle Wattenmeer und die Salzwiesen zerstört.
An Küsten, die aufgrund ihres Reliefs für natürlichen Landzuwachs ungeeignet sind, werden künstliche Aufschüttung vorgenommen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts geschieht dies in größerem Umfang, um den stark beengten Siedlungsraum einiger Städte künstlich zu vergrößern. Aus Raummangel werden beispielsweise in Japan Küstenabschnitte der großen Hafenstädte Tokio, Nagoya, Osaka und Kobe künstlich trockengelegt. In ähnlicher Weise wurde das Stadtgebiet in Hongkong für einen neuen Flughafen erweitert. Im europäischen Raum werden solcherlei Maßnahmen der Landgewinnung im Zwergstaat Monaco vorgenommen.


Literatur

RATHJENS, C. (1979): Die Formung der Erdoberfläche unter dem Einfluß des Menschen.- Stuttgart.
BOEDEKER D. & H. V. NORDHEIM (Hrsg.) (1997): Naturschutz und Küstenschutz an der deutschen Ostseeküste.- Schriftenreihe für Landschaftspflege und Naturschutz.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Mirko Ellrich
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 08.04.2012