Infoblatt Amerigo Vespucci (1451 - 1512)


Amerigo Vespucci - eine Kurzbiographie

Die Person des Italieners Amerigo Vespucci ist bis heute in der Geschichte der großen geografischen Entdeckungen umstritten. Von seinen Reisen in die Neue Welt liegen fast durchweg nur Berichte vor, die Vespucci selbst verfasste. Es fehlen glaubhafte andere Zeugen und Zeugnisse.

Trotzdem gilt es als sicher, dass der Italiener Amerika bereiste und bis dahin unbekanntes Land entdeckte. Sein Name ist besonders mit der Küste Südamerikas verbunden, die Vespucci als erster Europäer auf verschiedenen Expeditionen zwischen 1497 und 1504 mit eigenen Augen sah. Gesichert ist auch seine Teilnahme an einer Expedition von Alonzo de Hojeda. Mit ihm gelangte er 1499 bis nach Guyana, Venezuela und Nordbrasilien. Der Name Venezuela (Klein-Venedig) stammt übrigens von Vespucci. So nannte er das von ihm selbst entdeckte Gebiet des Maracaibo-Sees, weil ihn die Pfahlbauten der dortigen Einheimischen an die heimatliche Lagunenstadt Venedig erinnerten.

Die Kunde von den Reisen Vespuccis muss sich sehr schnell auch nach Europa herumgesprochen haben. Bereits 1507 tauchte in der "Cosmographia Introductio" (Einführung in die Kosmographie) des deutschen Kartographen Martin Waldseemüller (1475 - 1521) der Name Amerika zum ersten Mal als Bezeichnung für die Neue Welt auf. Waldseemüller leitete das Wort Amerika von Americus ab, dem lateinischen Namen von Amerigo Vespucci. Aber wieso kam der Name Amerigo Vespuccis überhaupt bei der Namensgebung für die entdeckten neuen Überseegebiete ins Spiel?

Das lag genau genommen an Christoph Kolumbus, der sich nie davon abbringen ließ, Indien entdeckt zu haben. Deshalb nannte er die auf seiner ersten Amerikareise gefundenen Inseln im Golf von Mexiko irrtümlich auch die "Westindischen Inseln". Dieser Irrtum war noch verständlich, aber mit den nachfolgenden Entdeckungsreisen von Kolumbus und anderen Seefahrern häuften sich die Beweise, dass das neue Land nicht Indien sein konnte. Doch Kolumbus blieb eigensinnig und halsstarrig bei seiner Auffassung, Indien entdeckt zu haben. Auf der zweiten Fahrt nach Amerika ließ er sogar die Mannschaften seiner Schiffe mit Eid und Unterschrift schwören, das entdeckte Land gehöre zu Asien. Wer das Beschworene in Abrede stellte, dem sollte die lügnerische Zunge aufgeschlitzt werden.

Damit musste die Entdeckung Amerikas praktisch zwei Mal stattfinden. Die erste Entdeckung machte Kolumbus, indem er mit "Westindien" sozusagen den "Anfang" von Amerika entdeckte. Die zweite Entdeckung bestand in der von Kolumbus kategorisch bestrittenen Erkenntnis, dass nicht Indien, sondern eine ganz neue Welt bzw. ein ganz neuer Erdteil gefunden worden war. Diese zweite Entdeckung wird eben dem Florentiner Amerigo Vespucci zugeschrieben.

Vespucci kam nämlich bei der Auswertung seiner Reisen zwischen 1497 und 1504 zu der bedeutsamen Erkenntnis, dass die neu entdeckten Gebiete einen bisher völlig unbekannten ganzen Kontinent darstellten und schlussfolgerte: "Es ist angemessen, sie eine neue Welt zu nennen." Damit verband der Italiener als Erster den Begriff "neu" mit dem Begriff "Welt" und stieß so in die wirkliche Dimension dessen vor, was Kolumbus und die ihm nachfolgenden Seefahrer an Einzelstücken entdeckt hatten. Vespucci fügte diese Einzelstücke des Entdeckerpuzzles zu einem neuen Ganzen zusammen – Amerika. Darin besteht sein bleibendes Verdienst.

Von einer "Neuen Welt" war auch schon vorher die Rede, als die ersten Entdeckungen von Kolumbus in Europa bekannt wurden. 1494 verwendete der Schriftsteller Sebastian Brants in seinem "Narrenschiff" Bezeichnungen wie "Newes Land" oder "Nüwe Insulen" (neu gefundene Inseln). Doch weder bei Brants noch bei anderen vor Vespucci war der Begriff Neue Welt mit der Vorstellung eines neu entdeckten Erdteils verbunden. Auch als Martin Waldseemüller 1507 in der "Cosmographia Introductio", in der die Expeditionen von Vespucci beschrieben wurden, zum ersten Mal von Amerika sprach, verstand er darunter nur die Länder und Gebiete an der nordöstlichen Küste des südamerikanischen Kontinents. Erst 1538 bezeichnete der flämische Geograph Gerhardus Mercator mit Amerika erstmals die gesamte westliche Halbkugel auf einer Weltkarte.

Von da ab setzte sich der Name Amerika durch, womit auch Amerigo Vespucci seinen Platz in der Geschichte der großen Entdeckungen sicher hatte. Seinen Ruhm als Namensgeber Amerikas konnte Vespucci selbst nicht mehr erleben, denn er starb bereits am 22. Februar 1512.


Sein Leben in Zahlen und Fakten

  • geb. 1451
    Amerigo Vespucci wurde am 9. März 1451 in Florenz als Sohn einer Patrizierfamilie im selben Jahr wie Christoph Kolumbus geboren.
  • um 1480/81
    Vespucci verließ seine Heimat und ging nach Sevilla, um dort die Leitung des von dem Florentiner Berardi gegründeten Schiffsausrüsters und Handelshauses zu übernehmen.
  • 1497
    Er rüstete nach dem Vorbild von Kolumbus eine Flotte aus und segelte nach eigenen Angaben im Auftrag des spanischen Königs im Mai von Cádiz aus selbst nach Amerika.
  • 1499/1500
    Zusammen mit dem Seefahrer Pinzón soll Vespucci auf einer zweiten Überfahrt die Mündung des Amazonas entdeckt haben.
  • bis 1504
    Bei seiner dritten Reise in portugiesischem Auftrag soll er die brasilianische Küste bis 52 Grad südlicher Breite erforscht und von einer vierten Reise schließlich Farbhölzer mitgebracht haben. Beide Reisen lassen sich heute nicht mehr eindeutig belegen.
  • 1507
    Der deutsche Kosmograph Matthias Ringmann bezeichnete in einer Flugschrift Vespucci als Entdecker der Neuen Welt und benannte den neu entdeckten Erdteil in Anlehnung an den Vornamen des italienischen Entdeckers Amerika.
  • 1512
    Am 22. Februar 1512 starb Amerigo Vespucci, dessen Reisen bis heute von namhaften Historikern angezweifelt werden, in Sevilla.



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 04.06.2012