Infoblatt Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855)


Carl Friedrich Gauß - eine Kurzbiographie

Dem am 30. April 1777 in Braunschweig geborenen Carl Friedrich Gauß war in seiner Wiege kaum anzusehen, dass aus ihm einmal ein Fürst der Mathematiker werden sollte. Doch schon sehr bald gingen erste Gerüchte in seiner Heimatstadt um. Eines besagte, dass der damals 13-jährige seinem Vater bei den Lohnabrechnungen geholfen habe.

Verbürgt dagegen ist die Geschichte, dass der Junge in der Grundschule eine geniale Lösung für die Aufgabe fand, alle Zahlen von 1 bis 100 zu summieren. Nach unerwartet kurzer Zeit war Gauß fertig. Noch mehr aber staunten die Lehrer, als sie die von Gauß entwickelte völlig neue Lösungsformel sahen. Er hatte die geforderte Summe nach der Formel s = n (n+1) / 2 errechnet und damit die erste nennenswerte Ergänzung euklidischer (Euklid - griechischer Mathematiker) Konstruktionen seit 2.000 Jahren geliefert.

Spätestens mit 18 Jahren, als Gauß ein reguläres Siebzehneck allein mit Zirkel und Lineal konstruierte, war klar, dass hier ein außergewöhnliches Talent heranwuchs. Die wissenschaftliche Laufbahn ebnete diesem Talent u. a. der Herzog von Braunschweig mit einem Stipendium. So konnte der Student frei von materiellen Sorgen in Göttingen studieren und 1799 in Helmstedt promovieren.

Gauß bereicherte die Mathematik entscheidend, weil er sehr früh die Notwendigkeit komplexer Zahlen erfasste. Grundlegendes für die Entwicklung der Zahlentheorie leistete er mit dem von ihm erbrachten Beweis des quadratischen Reziprozitätsgesetzes (Reziprozität = reziproker Wert, Kehrwert). Sein mathematisches Hauptwerk hatte er 1801 unter dem Titel "Disquisitiones arithmeticae" (Untersuchungen über höhere Arithmetik) veröffentlicht und dabei u. a. den Begriff der Kongruenz (Deckungsgleichheit) eingeführt.

Neben der Mathematik beschäftigte sich Gauß zunehmend mit astronomischen Fragen. Auch in der Astronomie entwickelte er neue Methoden zur Berechnung der Bahnen von Himmelskörpern, u. a. die Methode der kleinsten Quadrate, und völlig neue mathematische Überlegungen zur Zufallsverteilung – die sog. Glockenkurve. Seine theoretischen Berechnungen bestätigten sich glänzend durch die Wiederentdeckung des Planetoiden Ceres (1802), der erst ein Jahr zuvor von Giuseppe Piazzi gefunden worden war, dann aber wieder außer Sicht geriet. Dadurch wurde der Göttinger mit einem Schlag weltweit bekannt. Seine astronomischen Berechnungen veröffentlichte Gauß 1809 in dem Werk "Theoria Motus Corporum Coelestium" (Theorie der Bewegung der Himmelskörper). Sie waren so genau, dass sie bis heute – trotz modernster elektronischer Rechner – im Kern nicht verbessert werden mussten.

In Anerkennung seiner Leistungen wurde Gauß 1805 zum Direktor der neuen Sternwarte in Göttingen berufen. In der Sternwarte wohnte fortan auch seine ganze Familie. Der Wissenschaftler selbst blieb für den Rest seines Lebens in Göttingen.

Je älter Gauß wurde, desto vielschichtiger und umfangreicher wurden auch seine wissenschaftlichen Betätigungsfelder. Doch womit er sich auch beschäftigte, immer stieß das Wissenschaftsgenie in neue Dimensionen vor. Das galt für die Berechnung der Bewegung von Himmelskörpern genauso wie für die höhere Arithmetik und die Differentialgeometrie. Er leistete auf fast jedem Gebiet, mit dem er sich beschäftigte, wirklich Bahnbrechendes.

Mit der Geodäsie begründete Gauß im Deutschland des 19. Jahrhunderts faktisch eine neue Wissenschaft. Die Geodäsie regte den Gelehrten zu neuen mathematischen Theorien über die Fläche und deren Abbildung an. Ab 1820 leitete Gauß die Vermessung des Königreiches Hannover. Dafür errechnete er in den folgenden 25 Jahren in einer wahren Titanenarbeit 2.600 trigonometrische Punkte. Der Mathematiker befasste sich auch mit der sog. nichteuklidischen Geometrie. Die Ergebnisse seiner Forschungen veröffentlichte er aber nicht, denn er befürchtete (wahrscheinlich zurecht), dass seine Zeitgenossen sie nicht nachvollziehen konnten.

Doch Gauß war nicht nur ein Genie in der Wissenschaftstheorie, sondern er löste auch ganz praktische Fragen des Vermessungsalltags. So erfand er den Heliotopen (mit zwei Spiegeln versehenes Gerät zum Sichtbarmachen von Geländepunkten bei der Erdvermessung) und konstruierte ihn auch selbst. Fünf lange Jahre nahm Gauß persönlich an den Vermessungsarbeiten teil, ohne dass andere wissenschaftliche Forschungen deshalb zurückgestellt werden mussten. Ganz nebenbei stellten er und seine Mitarbeiter auch einen neuen Rekord auf: Mit dem Gebiet zwischen Hoher Hagen (508 m ü. NN), Brocken (1.142 m ü. NN) und Inselsberg (915 m ü. NN) wurde das bis dahin größte Flächendreieck vermessen.

Wie ungeheuer vielseitig der Forscher Gauß war, bewies er ein weiteres Mal, als er gemeinsam mit seinem Kollegen Wilhelm Weber 1833 in Göttingen die Sternwarte mit dem physikalischen Institut verkabelte. Der von beiden betriebene Nachrichtenaustausch mithilfe elektromagnetisch beeinflusster Kompassnadeln war nichts anderes als die erste funktionsfähige Telegraphenverbindung der Welt. Aus der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet des Magnetismus heraus konstruierte Gauß außerdem das Magnetometer (Instrument zur Bestimmung der magnetischen Feldstärke und des Erdmagnetismus).

Die letzten Jahre seines schaffensreichen Lebens widmete sich der Gelehrte besonders der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Bei ihm studierten Mathematiker wie Dedekind, Schering und Enneper, die sehr bald in die Fußstapfen ihres Göttinger Lehrers traten.

Anfang 1854 verschlechterte sich die Gesundheit des 77-jährigen bedenklich. Immer wieder musste er in den folgenden Monaten seine wissenschaftlichen Arbeiten unterbrechen. Am 23. Februar 1855 setzte der Tod dem Leben von Carl Friedrich Gauß in seinem Haus in Göttingen ein Ende. Er gehörte zu den größten deutschen Wissenschaftsgenies und wird bis heute in der wissenschaftlichen Welt als universaler Vordenker geehrt.


Sein Leben in Zahlen und Fakten

  • geb. 1777
    Carl Friedrich Gauß – das deutsche Mathematikgenie – kam am 30. April 1777 in ärmlichen Verhältnissen in Braunschweig zur Welt.
  • 1784 bis 1792
    In seiner Heimatstadt besuchte der Junge nach der Volksschule das Gymnasium Catharineum. Sehr bald wurde die außergewöhnliche mathematische Begabung des Schülers erkannt. 1791 stellte man das "Wunderkind" dem regierenden Herzog Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig vor.
  • 1792 bis 1798
    Mit dem Studium begann die erste, die mathematische Schaffensperiode von Gauß. Dank eines Stipendiums konnte sich der angehende Wissenschaftler ungestört mit der Frequenz der Primzahlen und anderen zahlentheoretischen Problemen auseinandersetzen. 1796 legte Gauß ein wissenschaftliches Tagebuch an, in dem am 29. März die erste bemerkenswerte Leistung vermerkt war: die Entdeckung der Konstruierbarkeit des regelmäßigen 17-Ecks. Wenig später veröffentlichte er seine Erkenntnisse über regelmäßige Vielecke. Danach erforschte er elliptische und lemniskatische Funktionen. (Die Lemniskate ist eine algebraische Kurve vierter Ordnung in Form einer liegenden Acht.)
  • 1798 bis 1807
    Nach seinem Studium arbeitete Gauß als Privatgelehrter mit herzoglichem Stipendium in Braunschweig. In seiner Dissertation (1799) erbrachte er den vollständigen Beweis für den Fundamentalsatz der Algebra. Seine Arbeit war so überzeugend, dass man ihm die mündliche Prüfung erließ. Nach der Veröffentlichung seines mathematischen Hauptwerkes "Disquisitiones Arithmeticae" (Untersuchungen über höhere Arithmetik) wandte sich Gauß der Astronomie zu. Damit begann seine astronomische Schaffensperiode, in der er die Bahn des erst 1801 entdeckten Planeten Ceres berechnete. Den Beweis für die Richtigkeit dieser Berechnungen lieferte ein Jahr später die Wiederentdeckung des Planeten nach den Voraussagen von Gauß.
    Jetzt wurde man in Deutschland und Europa auf den Deutschen aus Braunschweig aufmerksam. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften zu Sankt Petersburg ernannte ihn zum korrespondierenden Mitglied. Die Universität Göttingen berief ihn zum Mitglied der königlichen Gesellschaft der Wissenschaften. 1807 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor für Astronomie und zum Direktor der Universitätssternwarte in Göttingen.
  • 1809
    Nach intensiven wissenschaftlichen Studien veröffentlichte Gauß 1809 sein astronomisches Hauptwerk "Theoria Motus Corporum Coelestium in sectionibus conicis solem ambientium" (Theorie der Bewegung der Himmelskörper).
  • 1815/1816
    Der Wissenschaftler erarbeitete einen zweiten (1815) und dritten (1816) Beweis für den Fundamentalsatz der Algebra. Er wurde zum Königlichen Hofrat ernannt und leitete fortan die neue Sternwarte in Göttingen, in der er mit seiner ganzen Familie auch lebte.
  • 1821 bis 1829
    In der sog. geodätischen Schaffensperiode leitete Gauß die Hannoversche Gradmessung (Landesvermessung), die von Hauptmann Georg Wilhelm Müller, Friedrich Hartmann und Joseph Gauß durchgeführt wurde. Dabei erprobte Gauß auch den von ihm 1821 erfundenen Heliotopen – ein mit zwei Spiegeln versehenes Gerät zum Sichtbarmachen von Geländepunkten bei der Erdvermessung. Für die Landvermessung musste der Mathematiker ca. 2.600 trigonometrische Punkte berechnen. Trotz dieser ungeheuer komplizierten Aufgabe fand er noch die Zeit, sein Hauptwerk über die Differentialgeometrie die "Disquisitiones generales circa superficies curvas" (Allgemeine Untersuchung über krumme Flächen - 1827) zu schreiben und zu veröffentlichen. Außerdem entdeckte Gauß bei Untersuchungen der Kapillarität das Prinzip des kleinsten Zwanges (1829).
  • 1831 bis 1839
    1831 begann die physikalische Schaffensperiode, in der Gauß das absolute physikalische Maßsystem aufstellte (1832). Ein Jahr später erfand er den elektromagnetischen Telegraphen. 1836 war er maßgeblich an der Gründung des "Magnetischen Vereins" (Internationale Arbeitsgemeinschaft zur Erforschung des Erdmagnetismus) beteiligt. Die Royal Society in London ehrte ihn mit der Copley-Medaille (1838). Wie weit der geniale Wissenschaftler seiner Zeit bei seinen Forschungen oftmals voraus war, bewies seine 1839 veröffentlichte "Allgemeine Theorie des Erdmagnetismus", denn praktische Resultate, die die Theorie von Gauß bestätigten, lagen erst 100 Jahre später vor.
  • 1840 bis 1851
    In seiner letzten Schaffensperiode arbeitete Gauß auf verschiedenen Gebieten wie der Mathematik, Optik, Geodäsie und Astronomie. Seine phänomenalen wissenschaftlichen Leistungen wurden durch weitere nationale und internationale Auszeichnungen anerkannt. So ernannte ihn die Universität im russischen Kasan zum Ehrenmitglied. Die Städte Braunschweig und Göttingen verliehen ihm die Ehrenbürgerschaft. Außerdem trug er jetzt den Titel eines Geheimen Hofrates. Gezielt bemühte sich Gauß um die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Bei ihm studierten die später berühmten Mathematiker R. Dedekind (1831 - 1916), E. Schering (1833 - 1897) und A. Enneper (1830 - 1885). Außerdem begründete Gauß 1851 mit einem Gutachten über die Universitäts-Witwenkasse die Versicherungsmathematik.
  • 1854
    Wegen Herz- und anderen Beschwerden musste sich der 77-jährige in ärztliche Behandlung begeben. Am 23. Februar 1855 gegen 1 Uhr morgens starb Carl Friedrich Gauß – einer der größten deutschen Gelehrten – in Göttingen.



Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 04.06.2012