Infoblatt Die Seefahrt zur Zeit der großen Entdeckungen


Entwicklungen in Navigation und Schifffahrtstechnik als Voraussetzung für die "Großen Geographischen Entdeckungen"



Karavelle (Klett)


Ausgangslage

Die Epoche der Entdeckungsfahrten und damit die Weiterentwicklung der europäischen Seefahrt zur Weltschifffahrt ist nicht denkbar ohne große Fortschritte in der Navigationstechnik und den Bau seetüchtiger Schiffe. Die zurückzulegenden Entfernungen stiegen auf das Zehnfache an und dementsprechend mussten die Schiffe eine größere Menge an Vorräten für die Mannschaft aufnehmen können. Hierfür geeignete Schiffe wurden maßgeblich auf der iberischen Halbinsel entwickelt.
Neben technischen Neuerungen erweiterten sich auch die Kenntnisse über die verschiedenen Strömungsverhältnisse der Weltmeere. So stellen die Azoren, die Kanaren und die Kapverdischen Inseln durch die sie umgebenden Meeresströmungen ideale Ausgangspunkte für Atlantiküberquerungen dar. Die Seefahrer erkannten schnell, dass sich die unterschiedlichen Strömungsrichtungen sehr gut für ihre Zwecke nutzen ließen. So segelten sie auf der Reise nach Amerika mit dem Äquatorialstrom und auf der Rückreise mit dem Golfstrom. Ähnliche Gesetzmäßigkeiten wurden auch im Pazifik entdeckt und von da Gama sowie Cabral für ihre Fahrten zum indischen Subkontinent genutzt.


Navigation

Der magnetische Kompass war zum Zeitpunkt der großen Entdeckungsfahrten schon seit über 200 Jahren bekannt. Ihm gesellten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts zwei weitere wichtige Geräte hinzu: der Quadrant und das Astrolabium.
  • Quadrant
    Ein Quadrant ist ein astronomisches Instrument, mit dem die Höhen und Positionen von Gestirnen ermittelt wurden. Der Quadrant ist aus einem Viertelkreis mit Gradeinteilung, einer Ablesevorrichtung, einem Visier und einem Senklot aufgebaut. Das zu bestimmende Gestirn wurde über Kimme und Korn anvisiert. Die Stellung des herabhängenden Lotes am Viertelkreis gab den Höhenwinkel an.
  • Astrolabium
    Ein Astrolabium oder Astrolab ist ein Messgerät zur Winkelmessung am Himmel. Die scheibenförmigen Astrolabien waren für praktische Zwecke wie die Ortung bei Expeditionen oder in der Seefahrt besonders geeignet. Die Messung der Kulminationshöhe bekannter Fixsterne ermöglicht die Berechnung der geografischen Breite. Mit Kenntnis der aktuellen Uhrzeit lässt sich darüber hinaus auch die geografische Länge ermitteln. In der europäischen Schifffahrt wurden Astrolabien hauptsächlich zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert zur Navigation verwendet und sind Vorläufer des Sextanten, der nach dem gleichen Prinzip funktioniert, jedoch wesentlich präzisere Messergebnisse erlaubt.
Keines der Geräte war über größere Fahrten auf See absolut zuverlässig, aber sie ermöglichten den Seefahrern dennoch eine einigermaßen genaue Navigation. Außerdem gaben sie ihnen die nötige Zuversicht, solche Reisen ins Ungewisse anzutreten.


Schiffstypen

  • Karavelle
    Die Karavellen waren ursprünglich Fischereifahrzeuge an der portugiesischen Küste, kleine Schiffe, aber auf Grund ihres dreieckigen Lateinersegels recht schnell und gut zu manövrieren. Später wurde der Name auch für lateinbesegelte Zweimaster mit Back und Hütte verwendet, die aufbauend auf den Erfahrungen der portugiesischen Seeleute zum Befahren des Atlantik weiterentwickelt wurden. Der Schiffstyp ging auf die Kogge – ein ursprünglich einmastiges Segelschiff der Hanse – zurück. Die Portugiesen übernahmen von den Holländern die Grundbauweise dieses Schiffstyps, passten ihn aber konsequent den Erfordernissen des Atlantiks an. Der Bug wurde steiler nach oben gezogen, um besser die hohen Wellen des offenen Ozeans schneiden zu können. Deutlich höhere Bordwände verhinderten, dass das Schiff zuviel Wasser nahm. Das Ruder befand sich mittschiffs, was etwas völlig Neues darstellte. Die Karavelle erhielt vorn und achtern Aufbauten (Kastelle), in denen die Besatzung Unterkunft fand. Von den Kastellen aus konnte das Schiff auch leichter gegen Feinde verteidigt werden. Die Karavelle hatte anfangs zwei, später auch drei Masten mit dreieckigen Lateinersegeln. Letztere hatten eine größere Ladefähigkeit, die zwischen 50 und 100 Tonnen lag. Im Laufe der Zeit wurden viermastige Versionen entwickelt, die noch deutlich mehr Ladung aufnehmen konnten. Typisch für die Karavelle war die Kraweelbauweise, d. h. die Planken wurden auf Stoß verlegt. Die Betakelung am Bugspriet wurde auf Rahsegel, die am Fock- und Großmast auf Marssegel umgestellt. Am Besanmast blieb aufgrund der besseren Manövrierfähigkeit das Lateinsegel erhalten. Der entscheidende Vorteil der neuen Betakelung bestand in der Fähigkeit, dass die Karavelle als erstes Schiff überhaupt gegen den Wind kreuzen konnte. Durch den geringen Tiefgang eignete sie sich hervorragend für Expeditionen entlang der afrikanischen und später auch der südamerikanischen Küsten.
  • Nao (auch Karacke)
    Ein ähnlicher Schiffstyp, der den Seefahrern zu Verfügung stand, war die "Katalanische Nao", wegen ihrer Breite ein etwas schwerfälliger Segler. Sie war noch stärker als die Karavelle vom nordeuropäischen Schiffbau geprägt, d. h. sie entsprach in ihren Grundprinzipien ebenfalls einer Kogge. Die Nao war ein ursprünglich zweimastiges Schiff, wurde später aber meistens als Dreimaster eingesetzt. Ihre Deckaufbauten waren aufwendiger als die der Karavelle, wodurch der Mannschaft zusätzlicher Komfort zu Gute kam. Außerdem hatten die Schiffe einen widerstandsfähigeren Rumpf, der dennoch stromlinienförmig war, und konnten eine sehr viel größere Menge Fracht aufnehmen. Daher war die Nao viel besser für den Handelsverkehr nach Übersee geeignet als die Karavelle. Je nach Windverhältnissen bestand die Möglichkeit, sowohl dreieckige wie auch viereckige Segel aufzuziehen, wobei an Groß- und Fockmast jeweils quadratische und am Achtermast ein dreieckiges Segel aufgezogen wurden. Im Laufe der Entwicklung dieses Schiffstyps wurden Groß- und Fockmast mit Toppsegeln, die über den vorhandenen Segeln platziert wurden, ergänzt. Dazu wurde ebenfalls das Bugspriet mit einem weiteren Segel versehen. Auch bei der Atlantiküberquerung des Kolumbus kam mit der "Santa Maria" als Flagschiff eine Nao zum Einsatz, die Schiffe "Nina" und "Pinta" waren jedoch Karavellen.
  • Schiffstypen im 16./17. Jahrhundert
    Im 16. und 17. Jh. gab es fünf große Seefahrernationen. Neben Spanien und Portugal besaßen die Holländer, Engländer und Franzosen große Handels- und Kriegsflotten. Die Einsatzgebiete der Schiffe erforderten allerdings ein sehr viel größeres Ladevolumen, als das der Karavelle und der Nao. In dieser Zeit wurden daher Galeonen und Pinaßschiffe, in Holland Fleuten genannt, auf den Weltmeeren eingesetzt. Die Galeone hatte eine Größe von bis zu 1.000 Tonnen, weniger hohe Aufbauten und besaß vier Masten, denn hinter dem Besanmast war am Heck noch der Lateinbesanmast angebracht. Im Gegensatz zur Karavelle (Karacke/Nao) war ihr Schiffsrumpf im Verhältnis deutlich schlanker, so dass sie trotz ihrer Größe wieder besser am Wind lag. Mit zahlreichen Kanonen diente sie als Standardkriegsschiff, mit leichter Bewaffnung als Handelsschiff für den Fernverkehr (Bsp. Manilagaleone für den Weg über den Pazifik von Mexiko zu den Philippinen). Auch die Pinaßschiffe hatten drei bis vier Masten, gleichzeitig aber auch mehrere Segel an einem Mast. Auf den neuen Schiffstypen gab es jetzt außerdem mehrere durchgehende Decks. Mit Hilfe von Galeonen und Pinaßen wurden die überseeischen Kolonialreiche aufgebaut. Über die größten Schiffe verfügten in jener Zeit die mächtigen Ostindienfahrer aus Holland und England, die Waren aus den ostindischen Kolonien dieser Länder nach Europa brachten.
Die Schiffe, mit denen die Entdeckungsfahrten im 15. Jahrhundert unternommen wurden, waren alles andere als ideal. Aus heutiger Sicht waren sie trotz aller schiffbaulichen Veränderungen natürlich äußerst klein und für die Gefahren der Weltmeere immer noch sehr anfällig. Die Besatzungen mussten schon sehr viel Mut und Abenteuerlust mitbringen, wenn sie bei den gefährlichen Entdeckungsreisen bestehen wollten. Die Platzverhältnisse waren außerordentlich eingeschränkt. Die Mannschaften drängten sich an Bord wie die sprichwörtlichen Sprotten. Auch der Rumpf war brechend voll mit Wasser, Wein und Lebensmitteln, die in genormten Fässern transportiert und in genau festgelegten Rationen verteilt wurden. Zu den wichtigsten Nahrungsmitteln der portugiesischen Seeleute gehörten Oliven, Öl, Zwieback und gepökelte Sardinen. Fleisch wurde auf allen Schiffen nur stark gesalzen mitgeführt. Auf Dauer büßte das Fleisch durch diese Konservierungsmethode sämtliche Vitamine ein. Dadurch bestand immer die Gefahr, dass die gefürchtete Skorbutkrankheit ausbrach.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Dr. Klaus-Uwe Koch, Kristian Uhlenbrock, Dietmar Wagener
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 04.06.2012