Infoblatt Hurrikan Juan an der Ostküste Kanadas


Einer der schlimmsten Stürme in der Geschichte Kanadas



Hurrikan Juan kurz vor seiner Ankunft in Neuschottland. Das Auge hatte einen Durchmesser von 35 km und einen Druck von 973 mb. (NASA)

Es war um die Mittagsstunden des 25. September 2003 – südöstlich der Bermudainseln – als ein neues tropisches Tiefdruckgebilde geboren wurde. Schon am nächsten Tag wurde es wegen seiner hohen Windgeschwindigkeit zum Hurrikan ernannt und auf den Namen Juan getauft. Was zu dieser Zeit noch keiner geahnt hatte: er würde als einer der schlimmsten Stürme in die Geschichte Kanadas eingehen.

Jedes Jahr bilden sich über den tropischen Meeren auf der Ostseite Mittelamerikas Zyklone, die sich unter bestimmten Bedingungen zu Wirbelstürmen, also Hurrikans, entwickeln. Sie brauchen zunächst eine Mindesttemperatur von 26 °C an der Wasseroberfläche. Durch die hohen Temperaturen steigt die erwärmte Luft auf und reichert sich noch mit Feuchtigkeit aus dem Ozean an. Gleichzeitig kommt Wind auf, da die Atmosphäre über Ozeanen bei hohen Temperaturen meist sehr instabil ist. Diese Winde führen dazu, dass die aufsteigende Luft noch mehr durch Wasser angereichert wird. Ab bestimmten Windgeschwindigkeiten spricht man von einem "tropischen Wirbelsturm", die nächst höhere Stufe ist der Hurrikan.
Jährlich bilden sich Hurrikans mehrere Male, besonders im Spätsommer, wenn das Ozeanwasser am wärmsten ist.
Von der Karibik wandern diese Zyklonen nordwärts Richtung Nordamerika, wobei sie an Kraft verlieren, wenn sie in kühlere Umgebungen oder auf Landmassen treffen.
Das besondere am Jahr 2003 war, dass relativ viele Hurrikans die Landmassen von Nordamerika erreicht haben. Als eine entscheidende Ursache wird die globale Erwärmung angesehen. Die Durchschnittstemperaturen an der Ozeanoberfläche an der nordamerikanischen Ostküste waren im Jahr 2003 mit 18 °C um 3 °C höher als normal. Folglich haben sich die Stürme nur langsamer abgekühlt und ihre Energie nicht so schnell abgegeben. Zudem haben die hohen Temperaturen auch noch dazu geführt, dass stärkere Winde aufgekommen sind (wegen der instabileren warmen Atmosphäre). Der genaue Einfluss von den sich ändernden Klimabedingungen wird noch untersucht, es ist aber schon bekannt, dass z. B. Juan unter normalen Umständen 30 - 50 km/h langsamer gewesen wäre und damit einen weitaus geringeren Schaden angerichtet hätte.
Der Hurrikan erreichte die kanadische Provinz Neuschottland am Montag, dem 29. September 2003 wenige Minuten nach Mitternacht. Die ersten ernst zu nehmenden Warnungen vor einem Hurrikan kamen am Tag zuvor in den Medien. Völlig gespannt auf das was kommen würde begaben sich zahlreiche Menschen trotz starken Windes und Regens (25 - 40 mm in einer Nacht) aus ihren Häusern. Entgegen einiger Warnungen standen sie am Meer und in den Straßen um die Kraft eines Hurrikans am eigenen Leib zu spüren. Was sie sahen waren bis zu 20 Meter hohe peitschende Wellen, welche Strände, Häfen und Uferpromenaden überfluteten. Winde, gegen die man kaum anstehen konnte, die einen zum gehen zwangen, auch wenn man stehen bleiben wollte. Wasser, was aus den riesigen Pfützen vom Wind immer wieder hoch gepeitscht wurde und nun wie kleine Steine im Gesicht zu spüren waren. Jede Straße glich einem Windkanal in dem das Laufen immer schwieriger wurde je näher das Auge des Hurrikans kam. Äste fingen an abzubrechen und auf die Straßen zu fallen. In einzelnen Straßen waren durch umfallende Strommasten schon der Strom und damit die Beleuchtung ausgefallen. Autos waren kaum noch unterwegs.
Wer in dieser Nacht draußen war, weiß welche unglaubliche Kraft und Faszination Naturgewalten haben. Mit einer Geschwindigkeit von 158 km/h und Böen bis zu 180 km/h wurde Juan bei seiner Ankunft an Land in die Hurrikan-Kategorie 2 (von 5 maximalen) eingestuft. Schon kurz danach hatte er aber wesentlich an Kraft verloren und war schon nur noch ein tropischer Wirbelsturm als er in der Nachbarprovinz Prinz Edward Insel ankam.



Verwüstete Straßen (Annemarie Ebert)

Das Ausmaß des Hurrikans wurde erst am nächsten Morgen nach Sonnenaufgang offensichtlich. Zahlreiche Schaulustige konnten die schlimmen Folgen nur erschüttert und völlig fassungslos betrachten. Neben Sachschäden an Autos, Häusern, Strommasten und Booten versperrten tausende umgestürzte Bäume die Strassen. Ganze Parks, botanische Gärten und Friedhofe wurden zerstört. Ein Rekordwasserstand von 290 cm über Normal im Hafen von Halifax hat große Teile der Uferpromenade weggespült. Schulen und Universitäten blieben für die ganze Woche geschlossen.
Ein weiteres großes Problem war, dass über 300.000 Menschen in Halifax und Umgebung ohne Strom blieben – und das im Extremfall bis zu zwei Wochen. Größtenteils hatten aber die großen Straßen und Wohngebiete nach drei bis vier Tagen wieder Strom. Das geringere Übel war, dass es kein Licht, Telefon, Radio oder Fernsehen gab. Es funktionierte nun aber auch weder Herd, noch Kühl- oder Gefrierschrank. Essen konnte nicht zubereitet werden und wurde schlecht. Die wenigen Läden und Imbisse die offen hatten konnten Rekordumsätze verzeichnen. Glücklich war, wer einen Grill hatte. An kalte Duschen musste man sich mit Widerwillen gewöhnen.
Schon am Montagmorgen, also dem Morgen danach, wurde der Ausnahmezustand für die Stadt Halifax ausgerufen. Einen solch schlimmen Sturm hatte es in den letzten 50 Jahren nicht gegeben. Neben den vielen Sachschäden gab es acht Todesopfer. Das wohl tragischste Ereignis war, dass eine junge Frau mit zwei ihrer drei Kinder in ihrem eigenen Haus verbrannt ist. Sie hatte Kerzen angebrannt, welche ein Feuer verursachten. Der Feuermelder war elektrisch und hat daher nicht funktioniert.
Inzwischen wird darüber nachgedacht, den Namen Juan aus der Liste der für Hurrikans verfügbaren Bezeichnungen zu streichen, da er mit zu großen Schäden und damit negativen Erinnerungen verbunden wird. So wurde es mit allen schlimmen Stürmen gemacht, um ein panikartiges Verhalten der Bevölkerung auszuschließen, wenn der Name wiederkommen würde.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Annemarie Ebert
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 18.05.2012