Infoblatt Sturmfluten an der Nordseeküste


Historischer Überblick der wichtigsten Sturmfluten an der Nordseeküste



Auswirkungen von Sturmfluten auf die Nordseeküste (Klett)

Die Küste der Niederlande und der Deutschen Bucht ist wiederholt Schauplatz von Sturmfluten mit katastrophalen Schadenswirkungen gewesen. Dabei kann die Höhe derselben Sturmflut in den verschiedenen Teilbereichen der Deutschen Bucht sehr unterschiedlich sein, je nach Windrichtung, Stauwirkung oder der Lage in Luv oder Lee. Ähnlich wie der Tidenhub nimmt die Sturmfluthöhe zur Küste und in die Flüsse hinein durch die Stauwirkung zu. Mit der zunehmenden Bedeichung und in jüngster Zeit durch das Absperren aller Nebenflüsse von Ems, Weser und EIbe ist der Anstieg des Sturmflutspiegels durch die Einengung der Überflutungsflächen erheblich verstärkt worden.
So herrschte beispielsweise im Februar 1962 über der Deutschen Bucht 45 Stunden lang ein West- bis Nordweststurm, der in Hamburg Geschwindigkeiten bis zu 135 km/h (Windstärke 12) erreichte. Er trieb große Wassermassen in die Deutsche Bucht und ihre Flussmündungen, wo das mittlere Tidenhochwasser die bis dahin gemessenen Höchstwerte weit überschritt. Außerdem führte um diese Zeit die untere EIbe Hochwasser. An 60 Stellen wurden die Hochwasserdeiche zerstört. Ganze Stadtteile von Hamburg wurden überflutet, 312 Menschen fanden in dieser Stadt den Tod.
Am 1. Februar 1953 wurden die ostenglische und besonders die niederländische Küste von einer verheerenden Sturmflutkatastrophe betroffen. Ein über die Nordsee südwärts ziehendes Tief verursachte einen Sturm, der über 24 Stunden lang aus nordnordwestlicher Richtung die niederländische Küste traf. Auch hier war die lange Dauer des Sturmes entscheidend für das Ausmaß der Katastrophe. Alle berechneten Hochwasserhöhen wurden erheblich überschritten. Über 400 Deichbrüche, die Überflutung von 160.000 ha meist wertvollen Bodens, große Viehverluste und über 1.800 Tote waren die Folgen.

Für die Zeit vor der Bedeichung lässt sich der Sturmflutspiegel nur selten anhand von Sedimenten oberhalb des MThw abschätzen. Wichtiger sind die in der deutschen Marsch seit dem 1. Jh. n. Chr. angelegten Wurten oder Warften; das sind Wohnhügel, die periodisch gegen den ansteigenden Sturmflutspiegel aufgehöht worden sind und deren Siedlungsschichten damit als datierte Pegelmarken für maximal mögliche Sturmfluthöhen verwandt werden können (BEHRE 1987).
Die großen mittelalterlichen Sturmfluten haben z. T. riesige Verluste an Menschenleben, Vieh und Land bewirkt und sind in vielen Quellen festgehalten.

Die wichtigsten davon sind:
  • 17. Februar 1164: Julianenflut: schwere Schäden zwischen Rhein und EIbe
  • 14. Dezember 1287: Luciaflut: ganze deutsche Nordseeküste betroffen, vermutlich Beginn der Dollartbildung und erste Ausweitung des Jadebusens
  • 16. Januar 1362: 2. Marcellusflut oder "Große Mandränke": schwerste Sturmflut an der deutschen Küste überhaupt, riesige Menschen- und Landverluste, Zerschlagung Nordfrieslands
  • 26. September 1509: Cosmas- und Damianflut: Holland bis Wesermündung betroffen, stärkste Ausdehnung des Dollarts
  • 1. November 1570: 4. Allerheiligenflut: große Schäden von Flandern bis Eiderstedt, erste Fixierung einer Scheitelhöhe von + 4,40 m NN an der Kirche Suurhusen bei Emden
  • 11. Oktober 1634: 2. Mandränke: Westküste Schleswig-Holsteins betroffen, Untergang großer Teile der Nordfriesischen Inseln
  • 25. Dezember 1717: Weihnachtsflut: schwere Schäden an der ganzen deutschen Nordseeküste, Flutmarke in Dangast/Jadebusen: + 4,89 m NN
  • 3./4. Februar 1825: 1. Februarflut: ganze deutsche Nordseeküste betroffen, Flutmarke in Dangast/Jadebusen: + 5,26 m NN
  • 16./17. Februar 1962: 2. Februarflut: ganze deutsche Nordseeküste betroffen, Scheitel in Wilhelmshaven: + 5,22 m NN, Schäden besonders an den unzureichend bedeichten Flüssen EIbe (Hamburg) und Weser
  • 3. Januar 1976: Januarflut: große Sturmflut, betraf die ganze deutsche Nordseeküste; Scheitel in Wilhelmshaven: + 4,78 m NN.
Einen wirksamen Schutz vor solchen Katastrophen gewähren nur Dammbauten bis zu Höhen, die auch von den theoretisch und praktisch zu erwartenden höchsten Hochwasserständen, wie sie bei Sturmfluten unter extremsten Bedingungen auftreten können, nicht erreicht werden. In beiden genannten Fällen waren diese Bedingungen nicht erfüllt, entsprechende Versäumnisse nicht auszuschließen.


Literatur

Das Wasser der Erde: eine geographische Meeres- und Gewässerkunde; Joachim Marcinek und Erhard Rosenkranz, Gotha, 1996.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Achim Strecker
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 02.05.2012