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Infoblatt Hochgeschwindigkeitszüge in Europa


Strecken und Systeme des Hochgeschwindigkeitsverkehrs in Europa



ICE (Deutsche Bahn AG)

Der Europäische Hochgeschwindigkeitsverkehr trägt maßgeblich zum Zusammenwachsen Europas bei. Die meisten europäischen Metropolen sind heute innerhalb von Stunden erreichbar. Die Fahrzeiten sind in wenigen Jahrzehnten dramatisch gesunken. In vielen Ländern Europas existieren ehrgeizige und erfolgreiche Projekte, die sich heute anschicken, auch über nationale Grenzen zu reichen. Beispiele dafür sind der Thalys, der Eurostar oder der Cisalpino. Angesichts der ständig steigenden Mobilität sind internationale Hochgeschwindigkeitsstrecken nicht zuletzt aus Umweltschutzgründen auf dem Vormarsch.


Frankreich - TGV/AGV

Hochgeschwindigkeit in Frankreich hat einen Namen: Train à Grande Vitesse (TGV). Der Bau der ersten TGV-Strecke führte zu einem starken Anstieg der Passagierzahlen. Heute existieren in Frankreich drei Hauptstrecken: Calais - Brüssel, Tours - Le Mans sowie Lyon - Montpellier - Marseille. Alle drei Routen verlaufen über die französische Hauptstadt Paris. Der Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken gestaltet sich in Frankreich vergleichsweise einfach, denn viele Regionen sind nur schwach besiedelt und die Topographie ermöglicht weitestgehend moderate Steigungen.
Die Geschichte des TGV ist eine Erfolgsgeschichte. Im Jahr 1966 wurde beschlossen, zwischen Paris und Lyon eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke zu bauen, da eine Überlastung der bestehenden Strecke absehbar war. 1976 begann der Bau an der 425 km langen Strecke, die mit einer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h befahren werden kann. Diese Strecke wurde 1981 eröffnet. Auf dieser Strecke kommt der TGV-PSE (Paris-Sud-Est) zum Einsatz, der 1981 mit 280,4 km/h das "Blaue Band der Schiene" gewann. Nach diesem Erfolg wurde Mitte der 1980er Jahre damit begonnen, weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken zu planen, von 1989 bis heute kamen auf den Strecken westlich von Paris 105 weitere Einheiten des TGV-Atlantique dazu. Dieser stellt eine stark weiterentwickelte Form des TGV-PSE dar und bedient alle Strecken standardmäßig mit 300 km/h. Der weiterentwickelte TGV-Réseau kann auf allen französischen Strecken eingesetzt werden und ist durch Umbauten am Stromsystem in der Lage, bis nach Brüssel oder Mailand zu fahren. Seit September 1996 fahren doppelstöckige TGV-Duplex auf der Strecke Paris-Lyon sowie nach Montpellier und Marseille. Sie bieten 560 statt 485 Gästen (im TGV-Atlantique) Platz.Seit 1993 betreibt die internationale Bahngesellschaft Thalys Hochgeschwindigkeitszüge mit dem Namen Thalys PBA auf der Strecke Paris - Brüssel - Amsterdam. Es handelt sich dabei um auf die verschiedenen Stromsysteme angepasste TGV-Réseau. Seit Ende 1997 wurde diese Strecke mit dem Thalys PBKA bis nach Köln verlängert. Am 03. April 2007 stellte ein speziell umgerüsteter TGV mit 574,7 km/h einen neuen Weltrekord für Schienenfahrzeuge auf.
Am 05. Februar 2008 wurde mit dem Automotrice à Grande Vitesse (AGV) der Nachfolger des TGV der Öffentlichkeit vorgestellt. Der bis zu 360 km/h schnelle Zug hat zwischen 300 und 650 Sitzplätze. Wie der ICE 3 wird er von Motoren unterhalb der Passagierwaggons angetrieben.


Deutschland - ICE

Der ICE wurde in Deutschland für den schnellen Personenfernreiseverkehr entwickelt. Er ist seit 1991 in Betrieb und verbindet die deutschen Metropolen mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 280 km/h. Technisch möglich wären sogar über 400 km/h. Anfangs verkehrte der ICE 1 auf den Neubaustrecken Hannover - Würzburg und Stuttgart - Mannheim. 1996 folgte dem ICE 1 der leichtere und komfortablere ICE 2, dessen Antriebstechnik sich nicht mehr in zwei Triebköpfen, sondern unter dem Boden nahe den Achsen befindet (Unterflurmotoren). Der ICE 2 lässt sich schnell in zwei Teilzüge trennen, die dann verschiedene Ziele anlaufen können. Seit 1998 betreibt die Deutsche Bahn AG den ICE T mit Neigetechnik, dieser kann kurvige Strecken 30 % schneller durchfahren. Gleichfalls kommt eine dieselbetriebene Variante für nicht elektrifizierte Teilstrecken zum Einsatz. Seit 2004 werden Züge der zweiten Generation des ICE-T - die ICE-T2 eingesetzt. Inzwischen sind die ICE verschiedener Baureihe das Rückgrat des schienengebundenen Personenfernverkehrs in Deutschland geworden. Zwischen vielen Großstädten verringerten sich die Reisezeiten durch den Einsatz des ICE erheblich. Von Hamburg nach Frankfurt/Main konnten 62 Minuten, von Hamburg nach Stuttgart 115 Minuten eingespart werden. Der ICE hat sich zum Exportschlager entwickelt. In Holland und Spanien fahren bereits ICE, Teile des japanischen Shinkansen E2 kommen aus der ICE-Fertigung bei Siemens.
Im Sommer 2002 wurde die Neubaustrecke Köln - Frankfurt(Main) eröffnet, auf der die neuen ICE 3 zum Einsatz kommen. Ziel dieser neuen Strecke war erstens die Entlastung der Rheinschiene und zweitens die Verringerung der Anzahl innerdeutscher Flüge zwischen den Flughäfen Köln/Bonn und Frankfurt/Main. Ferner wurde Ende 2004 eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen den Metropolen Hamburg und Berlin eröffnet, so dass die Fahrzeit nur noch 90 Minuten beträgt.


Großbritannien - HST

Als endgültig klar war, dass der Tunnel zwischen Großbritannien und Frankreich (Eurotunnel) gebaut wird, mussten neue Züge für den Tunneleinsatz bestellt werden. Der TGV oder die vorhandenen britischen Fabrikate konnten den technischen Anforderungen nicht gerecht werden. Deshalb wurde der Eurostar von einem französisch-britischen Konsortium gebaut. Er kann auf der französischen Seite mit bis zu 300 km/h fahren, nach der Durchquerung des 1994 eingeweihten Kanaltunnels geht es dann in England mit ca. 160 km/h weiter. Zur Zeit pendeln 21 Eurostar-Züge zwischen London-Waterloo und Paris und benötigen dafür eine Fahrzeit von 3 Stunden. Erst 2007 sollen auch die englischen Strecken für Hochgeschwindigkeit ausgelegt sein, die Fahrzeit verkürzt sich dann auf gut 2 Stunden.
Neben dem Eurostar existiert in Großbritannien auch der High-Speed-Train (HST), der mit 233 km/h schnellste dieselbetriebene Zug der Welt. Der HST wird fast in ganz England eingesetzt. Er verbindet London mit Bristol, Cornwall, Devon, Edinburgh, Leicester, Newcastle, Nottingham, Peterborough, Stevenage, Sheffield und Südwales. Im täglichen Betrieb erreicht dieser Zug eine Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h. In Zukunft möchte die Virgin Rail Group für England bis zu 60 vom französischen TGV abgeleitete Hochgeschwindigkeitszüge bestellen, die mit bis zu 330 km/h zwischen London, Paris, Amsterdam und Köln pendeln sollen.


Italien - Pendolino

Italien verfügt über eine lange Eisenbahntradition. Bereits 1927 wurde eine Schnellbahntrasse (Direttissima) zwischen Rom und Neapel fertiggestellt. 1987 kamen die ersten Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ ETR 450 auf die Gleise. Neu an diesen Zügen war die von FIAT entwickelte Neigetechnik, die dem Zug erlaubt, mit höherer Geschwindigkeit durch die Kurven zu fahren. Durch den Unterflurantrieb können die Reisenden bis in die Zugenden hinein Platz nehmen, der ETR 450 fährt mit einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 250 km/h. Er verbindet Rom mit Ancona, La Spezia, Perugia, Potenza, Reggio Calabria, Tarent und Vincenza. Zwischen Genf, Mailand, Venedig u. a. verkehrt der Cisalpino, der aufgrund seiner Neigetechnik in den Alpen erhebliche Fahrzeitersparnisse erzielt. 1996 kamen die ersten 300 km/h schnellen Züge vom Typ ETR-500 auf der Strecke Mailand - Rom zum Einsatz, seitdem fahren 30 dieser Züge im Raum Mailand - Rom - Venedig.


Spanien - AVE

Seit 1992 existiert eine Hochgeschwindigkeitsverbindung von Madrid nach Sevilla über Ciudad Real, Puertollano und Cordoba. Diese Strecke ist im Gegensatz zu den anderen Schienenverbindungen in Normalspurweite ausgelegt. Die dem französischen TGV entlehnten Züge (Alta Velocidad Española - AVE) sollen ab Ende 2003 auch auf der Strecke Madrid - Barcelona fahren. Ab Ende 2007 sollen auf der o. g. Strecke dann ICE 3 aus deutscher Fertigung zum Einsatz kommen. Diese werden unter dem Namen Velaro E auf der Strecke mit 350 km/h fahren. Das wäre die schnellste europäische Bahnstrecke. Ferner sollen weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut werden, das Ziel ist die Erreichbarkeit der Hauptstadt Madrid von jeder anderen Großstadt Spaniens innerhalb von 4 Stunden. Insgesamt sollen bis dahin etwa 23 Milliarden Euro in das spanische Hochgeschwindigkeitsnetz investiert werden.


Russland - Velaro RUS/Sapsan

In Russland fährt ab Ende 2009 der von Siemens gebaute Hochgeschwindigkeitszug Velaro RUS, auch Sapsan (Wanderfalke) genannt, zwischen der Hauptstadt Moskau und St. Petersburg. Die Züge brauchen bei 250 km/h Höchstgeschwindigkeit etwa 03:45 Std. für die 650 km lange Strecke und erreichen damit eine Zeitersparnis von 45 min. Insgesamt sollen acht Züge die Strecke bedienen. Für das Jahr 2010 ist eine weitere Verbindung von Moskau nach Nischni Nowgorod an der Wolga geplant. Die in Deutschland gefertigten Züge sind speziell für die russische Breitspur ausgelegt und somit 33 cm breiter als die auf der gleichen Basis aufbauenden ICE 3. Aufgrund der Witterungsbedingungen sind die Fahrzeuge für Temperaturen bis zu - 50 °C ausgelegt.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig/Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2003
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 29.12.2008