Infoblatt Aralsee


Geographische Einordnung, Geschichte der Region, Auswirkungen der Aralseekatastrophe

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Aralsee im Jahr 1960 (Klett)


Geographische Einordnung

Der Aralsee liegt bei 45 Grad nördlicher Breite und 60 Grad östlicher Länge im Tiefland von Turan. Dieses ist ein so genannter "abflussloser Raum", dessen Flüsse in Binnenmeere oder Seen entwässern. Der Aralsee ist ein Endsee, der von zwei Zuflüssen, dem Amu-Darja und dem Syr-Darja, gespeist wird. Er entstand mit dem Abschmelzen der Eiskappen nach dem Ende der Eiszeit vor etwa 20.000 Jahren. Vor 3.000 bis 5.000 Jahren bildete sich die Wasserfläche, wie sie bis 1960 bestand. Der Aralsee liegt im ehemals Sowjetischen Zentralasien inmitten von großen Wüsten und Steppen auf der Grenze zwischen Kasachstan und Usbekistan. Zentralasien ist Teil Mittelasiens, welches aus den ehemals sowjetischen Republiken Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan und Kirgistan besteht. Sie sind alle Anrainerstaaten der Flüsse Amu-Darja und Syr-Darja. Anrainerstaat des Amu-Darja ist auch Afghanistan. Die Menschen Mittelasiens leben traditionell als Nomaden in Steppen und Bergen und als Bauern und Städter in den Oasen. Die Region zählt zu den ältesten Kulturräumen der Welt. Zahlreiche Handelswege (z. B. die Seidenstrasse) durchqueren sie und verbinden sie mit dem Rest der Welt.


Der Aralsee heute

Die jahrzehntelange intensive Baumwoll- und Reisproduktion auf bewässerten Flächen hat dazu geführt, dass das Wasser der Flüsse Amu-Darja und Syr-Darja kaum mehr den Aralsee erreicht. Es verdunstet auf den Feldern oder versickert in den maroden Bewässerungskanälen. Der sichtbarste Aspekt der Aralseekatastrophe ist das Verschwinden des Sees: Inzwischen haben sich die Fläche von ca. 68.000 km² auf 28.687 km² und das Volumen von ca. 1.040 km³ auf 181 km³ reduziert (1998). Der Wasserpegel ist um über 18 Meter gesunken. Das Seeufer ist bis zu 100 km zurückgetreten. Der Aralsee ist in zwei Seen zerfallen: den kleinen See im Norden und den großen See im Süden. Während der Salzgehalt des kleinen Sees rückläufig ist, hat der Salzgehalt im großen See mittlerweile 50 g/l erreicht: damit ist er biologisch tot.



Aralsee im Jahr 2010 (Klett)


Ursachen der Aralseekatastrophe

Der Wasserspiegel des Aralsees war seit Urzeiten immer wieder Schwankungen ausgesetzt. Ein wichtiger Grund dieser Schwankungen liegt darin, dass die beiden Zuflüsse über flache Schwemmlandterrassen flossen, so dass bereits geringe Veränderungen des Flussbettes große Wassermassen umlenken konnten. Große Teile des Aralsees waren sehr flach, folglich reduzierte auch ein verhältnismäßig geringer Rückgang des Wasservolumens schnell seine Oberfläche. Auch bewirkten die heißen Sommer eine große Verdunstung, verstärkt durch die im Verhältnis zu seinem Volumen große Oberfläche des Aralsees (die mittlere Tiefe betrug etwa 16 Meter). Daher führte ein Ausbleiben der Zuflüsse sehr rasch zu einem starken Rückgang der Wassermenge. Die vorindustriellen Methoden der Bewässerung konnten dem Aralsee jedoch kaum Schäden beibringen.
Die Oasen des Südens, im Wesentlichen das heutige Usbekistan, gehörten dem Perserreich und dem Reich Alexanders des Großen an. Mit der russischen Herrschaft begann die Vergrößerung der bewässerten Flächen. Das Zarenreich entdeckte seine Kolonie als Rohstoffquelle: der Trend zur Baumwollmonokultur ist für die russische Kolonialzeit schon erkennbar. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden bereits 2,5 Mio. Hektar Land bewässert. In der Sowjetunion entstanden 1925 die heute unabhängigen Republiken. Ein wesentliches Interesse der Sowjetführung war es, Mittelasien als Rohstoffbasis zu nutzen. Die Sowjetunion sollte dank mittelasiatischer Baumwolle von Importen unabhängig werden. Die Landwirtschaft wurde kollektiviert, die Nomaden zur Sesshaftwerdung gezwungen. Der Fischfang im Aralsee hatte bislang kaum eine überregionale Rolle gespielt. Er wurde seit den zwanziger Jahren ausgeweitet. Ende der zwanziger Jahre wurden noch etwa 5.000 Tonnen Fisch im Jahr gefangen, diese Zahl stieg bis in die 50er Jahre auf 44.000 Tonnen. Der Fischfang ernährte etwa 60.000 Fischer mit ihren Familien.
Im Ferghanatal wurden Ende der dreißiger Jahre erste große Kanalprojekte in die Tat umgesetzt. Weitergehende Bewässerungspläne der Vorkriegszeit im Rahmen des "Stalinplans zur Umgestaltung der Natur" konnten zunächst nicht verwirklicht werden. Während des Zweiten Weltkrieges wurden Industriebetriebe aus dem Westen der Sowjetunion auch nach Mittelasien verlagert und bewirkten dort eine erste Industrialisierung. 1950 beschloss der Oberste Sowjet, den Kanalbau und die Neulandgewinnung zu forcieren – vor allem für die Baumwollproduktion.
Nach dem Tode Stalins 1953 begann Chruschtschow mit der ersten "Neulandkampagne", in der riesige Steppenflächen erstmals unter den Pflug genommen wurden. Auch Kanalbauten und Bewässerung von Wüstenflächen wurden gesteigert. Diese Politik wurde bis in die achtziger Jahre hinein fortgesetzt. Von 1950 bis 1990 stieg die bewässerte Fläche im Aralseebecken von 4,7 Mio. auf 7,9 Mio. Hektar, die Baumwollanbaufläche von über 1 Mio. auf drei Mio. Hektar. Der Reisanbau wurde nach 1960 vorangetrieben: die Anbaufläche stieg von 46.000 auf über 300.000 Hektar. Um diese Flächen bewässern zu können, wurden Tausende Kilometer Kanäle in den Sand gegraben. Der größte ist der Karakumkanal (heute Turkmenbaschi-Kanal). Mit seinem Bau wurde 1950 begonnen. Er zweigt bei Kerki aus dem Amu-Darja, durchzieht Turkmenistan in Richtung Westen auf einer Länge von ca. 1.500 km und bewässert vor allem das Land am Fuße des Kopet-Dagh-Gebirges. Der Kanal allein verursacht etwa 40 % des Wasserverlustes des Aralsees. Insgesamt verdunsten etwa 40 - 60 % der den Zuflüssen entnommenen Wassermenge aus diesen Kanälen oder versickern im Sand.



Bewässerungsflächen in Mittelasien (Klett)


Auswirkungen

Die Austrocknung des Sees hat umfassende Folgen. Durch Verdunstung entstand über dem See eine Dunstglocke, die den Steppenwinden Einhalt gebot. Das Verschwinden dieser Dunstglocke bewirkt eine Verschärfung des kontinentalen Klimas: heißere Sommer und kältere Winter. Vom ausgetrockneten Seeboden werden jedes Jahr bis zu 100 Mio. t salzhaltiger Staub aufgewirbelt und durch Staubstürme in der Region verteilt. Der Staub enthält auch die Rückstände von Pestiziden und Herbiziden aus den bewässerten Gebieten. 1992 musste der Fischfang im Aralsee eingestellt werden. In den Deltagebieten und an den Unterläufen der Flüsse gingen 550.000 ha Nutzfläche verloren: Felder, Schilfwiesen, Schilfwälder. Das größte Problem der gesamten Region ist die Versalzung. Die meisten Böden der Region haben einen natürlich hohen Salzgehalt in den tieferen Bodenschichten. Die intensive Bewässerung führt dazu, dass dieses Salz an die Oberfläche gelangt. Die Folge ist die Versalzung großer Flächen. Traditionelle Methoden wie flushing (Auswaschen des Salzes durch Schwemmung der Felder im Winter) können das Problem nicht mehr lösen und sind angesichts der Größenordnung der Bewässerung ihrerseits problematisch: das stark salzhaltige Abwasser wird entweder in die Steppe oder Wüste abgeleitet, wo es lebensfeindliche Salzseen bildet oder in den Fluss zurückgeführt, wodurch dessen Salzgehalt erhöht wird. Gleiches gilt für das überschüssige Drainagewasser, das mitunter auf weiteren Feldern für die Bewässerung wiederverwendet wird und damit den Salzgehalt der betreffenden Felder weiter erhöht.


Ausblick

Diverse nationale und internationale Projekte versuchen derzeit, die Probleme der Aralseeregion in den Griff zu bekommen. Der nördliche Teil des Aralsees scheint sich zu stabilisieren. Nachdem im Jahre 1997 von der kasachischen Regierung ein erster Deich zwischen den beiden Seen aufgeschüttet wurde, um ein Eindringen des Salzwassers in den nördlichen Teil zu verhindern, stieg der Wasserspiegel wieder an. Gleichzeitig sank der Salzgehalt des nördlichen Sees. Da der ursprüngliche Damm jedoch bauliche Mängel hatte, konnte er dem Wasserdruck nicht standhalten und brach nach relativ kurzer Zeit wieder ein. Im Jahre 2003 griff man die Idee mit dem Bau eines weiteren Damms jedoch wieder auf, der im Jahr 2005 fertiggestellt wurde. Satellitenaufnahmen aus den Jahren 2005 und 2007 belegen eine deutliche Erholung des nördlichen Aralsees. Nach aktuellen Presseberichten (2012) liegt das Volumen des nördlichen Aralsees mittlerweile bei 27 km³. So stieg auch der Fischereiertrag von 52 t in 2004 auf 2.000 t Süßwasserfische in 2007 an. Gleichzeitig wird versucht, das Bewässerungssystem des Syr-Darja effektiver zu gestalten, um wieder einen größeren Zufluss sicherzustellen.
Der südliche Teil des Aralsees jedoch scheint dem Untergang geweiht. Die Bewässerungsflächen des Amu-Darja lassen so gut wie kein Wasser mehr zum See vordringen, dieser ist durch die Belastung von ca. 50 Gramm Salz pro Liter Wasser und diversen Chemikalien biologisch tot. Seine Wasserfläche nimmt derzeit immer noch ab.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Lars Pennig, Kristian Uhlenbrock
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2012
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 14.06.2012