Infoblatt Theorie der Landnutzung (Thünen'sche Ringe)


Die Theorie von Johann Heinrich von Thünen



Thünenschen Ringe (Klett)

Die Theorie der Landnutzung von Johann Heinrich von Thünen (1783 - 1850) ist den Standortstrukturmodellen zuzuordnen und kann als die erste Standorttheorie überhaupt angesehen werden. Von Thünen analysierte, wie Art und Intensität der landwirtschaftlichen Produktion in Abhängigkeit von den Transportkosten zum Absatzmarkt räumlich variieren. Er untersuchte somit, inwieweit ökonomische Gesetzmäßigkeiten zur Herausbildung bestimmter Bodennutzungsstrukturen führen.


Theoretische Annahmen

Von Thünen unterstellte folgende restriktive Annahmen:
  • Natürliche Gegebenheiten: Es existiert ein isolierter Staat mit einer kreisrunden, homogenen Fläche. Der isolierte Staat ist ein abgeschlossener Wirtschaftsraum, der keinerlei Beziehungen nach außen hat. Die Homogenität bezieht sich auf die Gleichheit der natürlichen Faktoren wie Boden, Klima und Relief. Innerhalb des Staates existieren keine räumlichen Unterschiede.
  • Technische Gegebenheiten: Angenommen wird auch die Gleichheit der Bewirtschaftungs- und Verkehrstechnologien. Allen Produzenten stehen die gleichen Mittel zur Verfügung, das Verkehrsnetz ist in allen Richtungen gleichförmig.
  • Ökonomisch-räumliche Abstraktion: Im Zentrum des isolierten Staates liegt eine Stadt, in der der produzierende Sektor und der Großteil der mit landwirtschaftlichen Produkten zu versorgenden Bevölkerung angesiedelt sind. Diese Stadt übernimmt die Funktion des Marktes für die im Umland erzeugten landwirtschaftlichen Produkte. Die Landwirte streben bei der Erzeugung ihrer Produkte Gewinnmaximierung an (homo oeconomicus). Sie variieren daher die Art (z. B. Weidewirtschaft statt Ackerbau) und Intensität ihrer Produktion (z. B. Markt- statt Dreifelderwirtschaft).
  • Transportkosten: Die Transportkosten sind direkt proportional zur Entfernung des landwirtschaftlichen Produktionsstandortes vom Markt, d. h. sie nehmen mit zunehmender Entfernung des Produktionsstandortes vom Markt zu. Darüber hinaus sind die Transportkosten vom Gewicht, Volumen und der Verderblichkeit eines Gutes abhängig. Je schwerer, größer und anfälliger das Produkt, umso höher sind auch die Transportkosten.



Die Lagerente

Kernelement der Theorie der Landnutzung ist die Lagerente. Von Thünen geht davon aus, dass der erzielbare Gewinn auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche sowohl von der Bodenqualität als auch von der Entfernung zum Markt abhängig ist. Die Lagerente bezeichnet den Mehrgewinn einer landwirtschaftlichen Fläche in unmittelbarer Nähe zum Markt im Vergleich zu einer weiter entfernten gleich großen Fläche. Die Lagerente ist demnach der Nettoerlös pro Flächeneinheit, der aufgrund der wachsenden Transportkosten mit zunehmender Entfernung zum Markt sinkt.
Die Lagerente für ein bestimmtes Gut wird mittels folgender Gleichung berechnet:

R = E (p - a) - E f k
R = Lagerente (Nettoerlös) je Flächeneinheit (Euro/km²)
E = Ertragsmenge pro Flächeneinheit (t/km²)
P = Marktpreis pro Produkteinheit (Euro/t)
a = Produktionskosten pro Produkteinheit (Euro/t)
f = Transportkosten pro Produkt- und Entfernungseinheit (Euro/ (t x km))
k = Entfernung zwischen Produktionsstandort und Markt (km)


Die konzentrischen Ringe

Mit zunehmender Entfernung der Produktionsstandorte vom Markt steigen die Transportkosten und sinken die Lagerenten. Produkte mit einem hohen Erlös pro Flächeneinheit werden somit eher in Marktnähe angebaut, als solche mit geringem Erlös pro Flächeneinheit. Um den zentralen Markt entstehen konzentrische Anbaugebiete, die nach Nutzungsarten differenziert sind. Die Grenze eines Anbaugebietes entsteht dort, wo die Transportkosten den Nettoerlös eines Landwirtes übersteigen, d. h. ein Verlust entstehen würde (Differentialprinzip). Aufgrund dieser Annahmen identifizierte von Thünen folgende Landnutzungsringe, die sich in Form konzentrischer Ringe um die zentrale Stadt bzw. den Markt anordnen:
  1. Gartenbau ("Freie Wirtschaft")
  2. Forstwirtschaft
  3. Fruchtwechselwirtschaft
  4. Koppelwirtschaft
  5. Dreifelderwirtschaft
  6. Viehzucht
  7. Wildnis
Darüber hinaus geht von Thünen davon aus, dass sich innerhalb der konzentrischen Kreise Zonen unterschiedlicher Anbauintensität bilden (Intensitätsprinzip). Die große Nachfrage nach marktnahem Boden mit hoher Lagerente führt zu einem Anstieg der Bodenpreise. Die Landwirte versuchen daher, die höheren Bodenpreise durch eine größere Arbeitsintensität zu kompensieren, um so den Nettoerlös je Flächeneinheit zu steigern. Dies führt dazu, dass die Nutzungsintensität in relativer Nähe zum Markt besonders hoch ist.


Kritik am Modell

Die Kritik am Modell der Landnutzung konzentriert sich auf folgende Punkte:
  • Unrealistische Homogenitätsannahmen und statische Betrachtung: Problematisch ist besonders die Annahme homogener Produktionstechnologien und die Nichteinbeziehung neuer Verkehrstechnologien. Der Einfluss der Lagerente wird durch neue Verkehrstechnologien immer geringer. Unter Einwirkung neuer Produktionstechnologien verlieren die Modellannahmen ihre Gültigkeit.
  • Allgemeine Gültigkeit der Zonierung fraglich: Durch die Expansion städtischer Nutzungen ins Umland kommt es zu einer Umkehr der von Thünen´schen Ringe. Zentrumsnahe landwirtschaftliche Flächen werden in Erwartung der Ausdehnung städtischer Nutzungen extensiv bewirtschaftet. Umgekehrt steigen die Bodenrente und die Nutzungsintensivierung auf zentrumsfernen Flächen, da hier eine Verdrängung durch städtische Nutzungen eher unwahrscheinlich ist.
  • Durchbrechung der von Thünen´schen Ringe durch soziale Prozesse: Durch den Einfluss sozialer Strukturen, Traditionen und Prozesse ist die Zonierung der Landnutzung heute kaum mehr erkennbar. Beispiele sind z. B. die kleinräumigen Anbauspezialisierungen im Hopfen- oder Weinbau, die allein durch die Faktoren Transportkosten und Klimagunst nicht zu erklären sind.



Veränderte Parameter

Veränderte Infrastrukturvoraussetzungen, wie der Bau von Alleen, Chausseen und Kanälen, verzerrten die Transportkosten erheblich, so dass die Thünen‘schen Ringe nicht mehr der Wirklichkeit entsprachen. Die Eisenbahn führte zu einem überproportionalen Sinken der Transportkosten.
Gerade in den Industrieländern wurde die Infrastruktur erheblich ausgebaut, spezialisiert und kommerzialisiert, so dass der Faktor der Transportkosten hier weitgehend an Bedeutung verloren hat. Schnelle Transportmittel und Kühltechnik ermöglichen heute den Transport von leichtverderblichen Gütern auch über große Entfernung hinweg. Durch die Senkung von Transportkosten können geringwertige Massengüter heute über weite Entfernungen transportiert werden. Auch der Stadtwald hat seine ursprüngliche Funktion verloren und dient heute mehr der Naherholung, während das Nutzholz im globalen Handel größtenteils aus der weit entfernten Peripherie preiswerterer Anbieter geliefert wird. Das Brennholz hat aufgrund neuer Energiequellen seine Bedeutung weitgehend verloren.
Die Thünen‘schen Ringe bzw. sein Modell haben heute noch in Ländern mit schlecht ausgebauter Infrastruktur ihre Gültigkeit, also vorwiegend in den Entwicklungsländern.


Literatur

BATHELT, H. & J. GLÜCKLER (2002): Wirtschaftsgeographie - Ökonomische Beziehungen in räumlicher Perspektive. Stuttgart.
SCHÄTZL, L. (1993): Wirtschaftsgeographie I. München.


Quelle: Geographie Infothek
Autor: Jutta Henke
Verlag: Klett
Ort: Leipzig
Quellendatum: 2004
Seite: www.klett.de
Bearbeitungsdatum: 02.05.2012